Die Mechanismen, die eine KI-Blase an den US-Aktienmärkten zum Platzen bringen könnten, sind zwar erkennbar. So zum einen die steigende Kapitalintensität, welche die Bewertung dieser Unternehmen verändern wird und zum anderen die verringerte Eigenkapitalrendite - auf Englisch «Return on Equity» oder kurz ROE, betonen die Analysten von Bloomberg Intelligence in einer am Freitag publizierten Studie.

Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg, und es ist nicht einmal sicher, ob sich der KI-Sektor überhaupt in einer Blase befindet, so die Studienautoren. Die Covid-Pandemie bescherte Technologie-Unternehmen enorme Cash-Reserven, und der freie Cashflow deckt nach wie vor einen Grossteil der Investitionsausgaben im KI-Sektor - ein deutlicher Kontrast zur Zeit vor dem Platzen der Internetblase.

Cashflow deckt den Grossteil der Investitionsausgaben

Aktuell betragen die Investitionsausgaben 59 Prozent des freien Cashflows von KI-Unternehmen. Obwohl dieser Wert gegenüber 48 Prozent in 2024 gestiegen ist, liegt er weiterhin deutlich unter den 163 Prozent, die die Ausgaben des Technologiesektors im Verhältnis zur Cashflow-Generierung auf dem Höhepunkt im Jahr 1999 erreichten.

Dennoch dürfte die steigende Kapitalintensität des Ausbaus der KI-Infrastruktur die Eigenkapitalrendite verringern und Fragen zur Nachhaltigkeit aufwerfen. Für das gesamte investierbare US-Universum betragen die aktuellen Investitionsausgaben 79 Prozent des freien Cashflows, verglichen mit 282 Prozent auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms.

Zudem trieb der pandemiebedingte Anstieg der Cashpositionen die Gewinne auf ein Niveau weit über dem historischen Durchschnitt und verschaffte der KI eine starke Basis, obwohl die Cashflows einen grösseren Teil der Investitionsausgaben decken als üblich.

Inflationsbereinigt liegen die liquiden Mittel des Russell-3000-Technologiesektors mit 369,3 Milliarden US-Dollar deutlich über den 134,7 Milliarden Dollar, die der Sektor im Jahr 2000, dem Höchststand des Marktes, aufwies.

Auch die gesamten liquiden Mittel des Russell 3000, ohne Immobilien- und Finanzentitel, belaufen sich aktuell auf 1,8 Billionen Dollar. Das ist mehr als die inflationsbereinigten 604 Milliarden US-Dollar, die das US-amerikanische Anlageuniversum im Jahr 2000 besass.

Die Covid-Pandemie führte zudem zu einem Anstieg der gesamten liquiden Mittel um 750 Milliarden Dollar, die abgebaut werden können, bevor ernsthafte Finanzierungsprobleme auftreten. Unternehmen können somit weiterhin die generierten Cashflows mit ihren bestehenden liquiden Mitteln für Akquisitionen und Investitionen kombinieren.

Kapitalintensität verändert die Bewertungen

Das grösste Risiko für den KI-Boom besteht wohl darin, dass die steigende Kapitalintensität des erforderlichen Infrastrukturausbaus die Eigenkapitalrendite (ROE) letztendlich schmälern wird, meinen die Experten von Bloomberg Intelligence. Dadurch erscheinen zusätzliche Investitionen weniger attraktiv, und die Bewertung dieser ehemals kapitalarmen Unternehmen verändert sich.

Diese Entwicklung könnte sich jedoch erst nach und nach auswirken, insbesondere da Unternehmen auf rekordhohe Cashreserven zurückgreifen, anstatt sich durch Zinszahlungen die Gewinne zu schmälern. 

Eine Billion Dollar an liquiden Mitteln stützen die Ausgaben

Selbst bei steigender Verschuldung der Technologiebranche können substanzielles Umsatzwachstum, steigender Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) und freier Cashflow die Spread-Volatilität und Kreditrisiken minimieren. 

Die Bilanzstärke wird von dreizehn der grössten von Bloomberg analysierten Unternehmen mit insgesamt über 870 Milliarden Dollar an liquiden Mitteln angeführt. Über das gesamte Rating-Spektrum hinweg verfügt der Technologiesektor über mehr als eine Billion US-Dollar an liquiden Mitteln.

Die meisten Emittenten haben ausreichend Liquidität, um ihre Geschäftstätigkeit in den nächsten 24 Monaten oder länger ohne weiteren Kapitalbedarf zu finanzieren. Enge Spreads können jedoch die Kapitalkosten senken, was erklärt, warum die Primäremissionen angesichts der gestiegenen KI-Ausgaben zugenommen haben.

Nur wenige KI-Unternehmen sind unprofitabel

Auch die Gewinne stützen die Annahme, dass sich der KI-Sektor noch nicht in einer Blase befindet, da die überwiegende Mehrheit der Unternehmen im Portfolio profitabel ist - Anleger konzentrieren sich also auf die Fundamentaldaten und nicht auf die Angst, etwas zu verpassen. Aktuell sind nur 7,5 Prozent oder sechs Unternehmen im Bloomberg Intelligence Thematics AI-Portfolio unprofitabel - Coreweave, Tempus AI und SoundHound AI.

Das ist im Vergleich zu den 22,1 Prozent der Unternehmen im Russell 3000, die derzeit Verluste verzeichnen, gering und verblasst im Vergleich zu den 27,6 Prozent unprofitablen Unternehmen im Technologiesektor, die im März 2000 ihren Höhepunkt erreichten. Von den 80 Unternehmen im KI-Portfolio verzeichneten Credo, Reddit und Micron im vergangenen Jahr das schnellste Gewinnwachstum.

Rasant steigende Liquidität und positive freie Cashflows

Nvidias Liquidität ist beträchtlich und birgt erhebliches Aufwärtspotenzial. Die liquiden Mittel beliefen sich zum Ende des dritten Quartals des Geschäftsjahres auf fast 61 Milliarden Dollar. Analysten erwarten für das Geschäftsjahr 2026 einen freien Cashflow von fast 100 Milliarden Dollar, ein deutlicher Anstieg gegenüber 3,8 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2023.

Dies ermöglicht verstärkte organische Investitionen und eine aggressivere Kapitalrendite oder Übernahme- respektive Partnerschaftsstrategie bei gleichzeitig stabilem bis sich verbesserndem Kreditprofil. Nvidia könnte laut Analystenkonsens in den nächsten Jahren einen Free Cashflow von fast einer Billion Dollar generieren.

(Bloomberg/cash)