Die Börsen haben die vergangene Woche freundlich abgeschlossen, nach dem es die ersten drei Tage zuerst seitwärts oder abwärts ging. An den US-Börsen kam es am Donnerstag zu einem ausgeprägten Short-Covering-Rally, das in einem 2-prozentigen Tagesgewinn mündete. Zwei Faktoren haben die Rallye ausgelöst. Einerseits überzeugten die veröffentlichten Quartalszahlen mehrheitlich und die Unternehmen übertrafen die tiefen Erwartungen der Analystengemeinde.

Der zweite Grund für die steigenden Kurse war FOMO - Fear Of Missing Out - oder die Angst, etwas zu verpassen. Unzählige Anleger sprangen jüngst mit optimistischem Blick auf den Börsenzug auf, in der Hoffnung, der Bärenmarkt gehöre der Vergangenheit an. Der eine oder andere Käufer dürfte dabei darauf spekulieren, dass die nunmehr schon seit Monaten in den USA erwartete Rezession ausbleiben könnte. Goldman Sachs hat denn auch als eine der ersten Investmentbanken darauf hingewiesen, dass ein sogenanntes Soft Landing der US-Wirtschaft gelingen könnte. 

Gute Aussichten für den Schweizer Aktienmarkt

Nicht nur in Übersee, auch in der Schweiz vermochten die Unternehmen mehrheitlich mit Ihren Quartalszahlen zu überzeugen. Und der Schweizer Aktienmarkt bleibt attraktiv, meint Burkhard Varnholt, CIO Credit Suisse. Dies aus drei Gründen: Erstens weisen Schweizer Unternehmen ein starkes Gewinnwachstum aus, zweitens verfüge der Schweizer Markt über einen vielfältigen Branchenmix und drittens über eine überdurchschnittliche Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. 

Der vielfältige Branchenmix von Pharma, Lebensmittel, Luxusmarken, Kapitalgüter und Technologie bietet eine gute Diversifikation der Exportmärkte USA, der EU und Asien. Der hohe Anteil familiengeführter KMU zeichnen die Schweizer Wirtschaft aus, meint Varnholt. So konnte der Schweizer Aussenhandel auch im ersten Quartal 2023 einen neuen Rekord aufstellen. Bei den Exporten betrug der Zuwachs 3,9 Prozent, bei den Importen 1,1 Prozent. Internationale Investoren schätzen diese Qualität, so Varnholt weiter. Dies schlägt sich in einer überdurchschnittlichen Dividendenrendite von 2.9 Prozent nieder.

Bei den Quartalsergebnissen konnte diese Woche allen voran das Pharmaunternehmen Novartis überzeugen, wo es nach der Publikation der Quartalszahlen Kaufempfehlungen und Kurszielerhöhungen am Laufmeter absetzte. Morgan Stanley setzte die Zielmarke auf 94 Franken, Bank of America gar auf 107 Franken. Am späten Freitagnachmittag notieren Novartis bei 90,90 Franken.

Etwas durchzogen fielen die Analystenreaktionen bei der UBS aus. Ratingänderungen wurden keine verzeichnet. Allerdings gab es einige Analysten von JP Morgan über Deutsche Bank, welche das Kursziel reduzierten. Den Rotstift am stärksten angesetzt hat Goldman Sachs und reduzierte das Kursziel der Schweizer Grossbank von 32,90 Franken auf immer noch stolze 29,90 Franken. Dies reflektierte die tiefere Guidance für den Nettozinsertrag, so die US-Investmentbank.

Zahlenflut und Notenbank-Entscheide

In der kommenden Woche stehen weitere Veröffentlichungen von Quartalsergebnissen an. Neben Adecco, AMS Osram, GeberitLogitech, Straumann, Swisscom und Swiss Re stehen auch Mid Caps wie Landis+Gyr, OerlikonSIG, Valiant, Aluflexpack, Schaffner, PSP und Clariant an. 

Von zentraler Bedeutung werden die Zinsentscheide der amerikanischen Notenbank Fed sowie der Europäischen Zentralbank (EZB) sein. Während die Konjunktur in Übersee weiter brummt, erwarten Analysten eine Anhebung des Leitzinses um 0,25 Prozent.

Zu Beginn der Woche, als die Regionalbank Federal Republic erneut in die Schlagzeilen geriet, wurden Spekulationen laut, die US-Notenbank um deren Vorsitzenden Jerome Powell werde möglicherweise auf eine Zinserhöhung verzichten.

Aufgrund der diese Woche publizierten Inflationszahlen und Arbeitsmarktdaten ist aber eher unwahrscheinlich, dass die US-Währungshüter auf einen Zinsschritt verzichten werden. Die Fed wird am Mittwochabend den Zinsentscheid bekanntgeben.

Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) sind zwei weitere Zinserhöhungen eingepreist. Die erste Erhöhung um 25 Basispunkte dürfte nächste Woche erfolgen, die zweite Erhöhung um weitere 25 Basispunkte im Juni.

Die Raiffeisen Schweiz schreibt in einem Kommentar: Die Äusserungen der EZB-Ratsmitglieder in den letzten Wochen weisen denn auch auf mehr Handlungsbedarf und eine weitere Zinserhöhung bei der Sitzung am kommenden Donnerstag hin.

Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel schloss sogar einen weiteren 50er-Schritt nicht aus. Die Mehrheit der Kommentare, wie vom «zentristischen» französischen Notenbank-Gouverneur de Galhau, lassen allerdings eine Drosselung auf 25 Basispunkte wahrscheinlicher erscheinen.

«Sell in May and go away»?

Mit dem Mai komme nun eine saisonal schwierige Phase, sagt Matthias Geissbühler, CIO von Raiffeisen Schweiz gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Die Monate Mai bis und mit September gelten als schwache Börsenmonate.

Der SMI sei im Zeitraum Oktober bis April in den letzten 30 Jahren im Schnitt um 7 Prozent (ohne Dividende) gestiegen. Für die Monate Mai bis September resultierte indes laut Geissbühler ein Wertzuwachs von gerade einmal 0,3 Prozent.

"Der anhaltende geldpolitische Gegenwind, die abnehmende Konjunkturdynamik sowie charttechnische und saisonale Faktoren mahnen zur Vorsicht. Nach der starken Performance insbesondere bei den europäischen Aktien empfehlen wir erste Gewinnmitnahmen", so Geissbühler.

Eine klare Tendenz ist an den Märkten noch nicht auszumachen, auch wenn es den Anschein macht, dass der Bärenmarkt zu Ende gehen könnte. Dabei sei daran erinnert, dass in den letzten neun Monaten nach Kursrallyes die Kurskorrektur relativ schnell und heftig einsetzte. Das Auf und Ab sowie die Kommentare von Varnholt und Geissbühler zeigen einmal mehr, dass Bullen und Bären respektive vorsichtige Stimmen weiterhin gute Argumente haben. 

Ein wichtiger Trend, der sich seit einiger Zeit nun manifestiert hat, scheint sich nach den ersten vier Börsenmonaten des Jahres zu bestätigen. Die Musik spielt nicht in den Indices, sondern bei den einzelnen Aktien. Stock-Picking dürfte deshalb über den Frühling hinaus im Trend liegen - bis sich der wirtschaftliche Ausblick aufklärt und der Börsenaufschwung breit von den Indices getragen werden dürfte. Nimmt das Risiko einer US-Rezession auf der anderen Seite wieder zu, so dürften die Bären an den Märkten wieder Auftrieb erhalten.

Thomas Daniel Marti
Thomas MartiMehr erfahren