"Tempo ist extrem wichtig", sagte der Audi-Chef und Volkswagen-Entwicklungsvorstand im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Statt Pferdestärken rückt der frühere Formel-1-Motorenentwickler Rechenleistung in den Vordergrund: Die Baureihen würden nicht mehr nach Fahrzeuggröße, sondern entlang der elektrischen und elektronischen Bordnetz-Architektur entwickelt, sagte Duesmann.

Bei Software und Vernetzung habe Audi seinen Anspruch "Vorsprung durch Technik" bisher nicht eingelöst, räumte Duesmann ein. "Wir haben sicher nicht überall einen Vorsprung. Wir entwerfen sehr stimmige Konzepte, wir beherrschen Designqualität und hochwertige Oberflächen. Das können wir exzellent", sagte der Ingenieur. "Beim Thema Digitalisierung sind wir im Rückstand. Noch." Das Leitbild werde künftig von einer Kombination aus Digitalisierung, automatisiertem Fahren und Elektrifizierung bestimmt. Der frühere BMW-Manager Duesmann war im April bei Audi angetreten.

Tesla hat mit seinem Aufstieg zum wertvollsten Automobilhersteller der Welt die Platzhirschen Volkswagen und Toyota überholt. Als wesentlicher Grund gilt in der Branche die auf Software fokussierte Fahrzeugentwicklung des US-Elektroautopioniers, während deutsche Ingenieure mitunter als Blechbieger verspottet werden.

"Wir stellen uns auf immer schnellere Veränderung und schnelleres Reagieren ein", sagte Duesmann. Dafür könne Volkswagen auch von seiner Prämisse abrücken, die Entwicklung möglichst komplett im eigenen Haus zu behalten. "Wenn wir mit einem Zulieferer oder mit einem Softwareunternehmen Geschwindigkeit gewinnen, dann werden wir das in Erwägung ziehen", sagte der Manager. Der frühere Software-Chef des Konzerns, Christian Senger, der vor Kurzem von Duesmanns Vertrautem Dirk Hilgenberg abgelöst worden war, hatte bereits mögliche Allianzen auf diesem Gebiet ins Spiel gebracht.

Artemis soll in Rekordzeit neues Audi-Elektroauto entwickeln

Während allein am Volkswagen-Konzernsitz in Wolfsburg 10'000 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung arbeiten, sollen künftig zwei kleinere, schlagkräftige Einheiten bei Audi in Ingolstadt den Takt für die gesamte Unternehmensgruppe vorgeben. Die Federführung übernimmt eine nach der griechischen Jagdgöttin "Artemis" benannte Projektgruppe, wie Duesmann im Mai angekündigt hatte.

Teamchef Alex Hitzinger kommt wie Duesmann aus der Formel-1-Motorenentwicklung und leitete zudem bei Apple die Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Artemis soll in einer Rekordzeit von vier Jahren ein neues Audi-Elektroauto entwickeln und danach wegweisende Modelle für weitere Konzernmarken ausarbeiten. Tür an Tür soll in der Audi-Zentrale die Kernmannschaft der Volkswagen-Softwareentwicklung arbeiten.

"Artemis wird kleiner sein als ein Formel-1-Team. Ich denke da an rund 200 Beschäftigte", sagte Duesmann, der bei seinen früheren Arbeitgebern BMW und Mercedes-Benz die Entwicklung von Formel-1-Motoren geleitet hatte. "Ein kleines Team braucht Menschen, die weit denken können und sich trotzdem im Detail auskennen. Solche Talente finden Sie auch im Motorsport. Deswegen ist ein Ansatz wie im Motorsport am ehesten zielführend." Anschließend könne der Volkswagen-Konzern bei Produktion und Vermarktung seine Größenvorteile ausspielen: "Am Ende steht ein gemeinsames Konzept, das für uns alle skalierbar ist."

(Reuters)