Der Streik bei den «Big Three» der amerikanischen Autobranche könnte Experten zufolge die US-Wirtschaft ausbremsen. Sollte sich die Zahl der Beteiligten ausweiten oder der Streik längere Zeit anhalten, könnte dies für den ersten Beschäftigungsrückgang innerhalb von knapp drei Jahren sorgen, argumentieren mehrere Beobachter.
Erstmals in der Geschichte der grössten US-Autogewerkschaft UAW werden die drei grossen US-Autokonzerne gleichzeitig bestreikt: General Motors, Ford und die Stellantis-Tochter Chrysler. Zwar sind zunächst nur drei Werke mit insgesamt 12.700 Mitarbeitern betroffen. Die Gewerkschaft warnte aber, sollte es in den Tarifverhandlungen keine Einigung geben, könnte sich der Arbeitskampf zu einem ähnlich grossen Streik wie im Jahr 1998 ausweiten. Damals hatten mehr als 150.000 GM-Beschäftigte für fast zwei Monate die Arbeit niedergelegt. Derzeit kann die Gewerkschaft 146.000 Mitglieder mobilisieren.
Anhaltender Streik könnte Produktion um ein Drittel drosseln
«Ein sich ausbreitender Streik könnte das Beschäftigungswachstum in den USA zeitweise ins Minus drücken», warnte Michael Pearce von Oxford Economics schon am Mittwoch. So könnte ein einmonatiger Streik dem Volkswirt zufolge die US-Automobilproduktion um ein Drittel drosseln. Damit hätte der Arbeitskampf ähnliche Auswirkungen auf die Produktion wie im Jahr 1998. Dies könnte die monatlichen Montageraten auf den Tiefststand von vor zwei Jahren zurückwerfen. Damals hatten schwere Engpässe bei Mikrochips und weiteren Bauteilen die Produktion in Detroit erstickt.
Joe Brusuelas, Chefökonom beim Beratungsunternehmen RSME, sagte, ein Streik mit 150.000 Beteiligten könnte für eine gesamtwirtschaftliche Belastung von einer halben Milliarde Dollar pro Tag sorgen - in einer Volkswirtschaft, die täglich Dienstleistungen und Waren im Wert von 73 Milliarden Dollar erzeugt. Sollte der Streik einen Monat lang anhalten, könnte er das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2 Prozent bremsen, prognostizierte er. Obwohl die Verluste hoch wären, würde dies die Wirtschaft nicht in eine Rezession stürzen. Letztendlich wären die Auswirkungen im Vergleich zu früheren Arbeitskämpfen eher bescheiden, so der Chefökonom.
Bislang ist die US-Wirtschaft trotz stark gestiegener Zinsen im Jahr 2023 einer Rezession entgangen. Damit hatten viele Beobachter zu Beginn des Jahres nicht gerechnet. Die Wahrscheinlichkeit für den Beginn einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten sei auf 15 Prozent gesunken, schrieben die Ökonomen der Investmentbank Goldman Sachs Anfang September. So führten die positive Entwicklung beim Abbau der Inflation und am Arbeitsmarkt dazu, dass die Rezessionsgefahr abgenommen habe. Im ersten und zweiten Quartal war ein Wachstum des BIP von 2,0 beziehungsweise 2,1 Prozent verzeichnet worden. Die bisherigen Prognosen für das dritte Quartal deuten auf ähnliche Werte hin. Allerdings hat sich die Aktivität in einigen Sektoren - insbesondere im verarbeitenden Gewerbe - zuletzt verlangsamt oder ist sogar zum Stillstand gekommen.
(Reuters)