Kryptowährungen haben nach dem jüngsten Ausverkauf ein starkes Lebenszeichen von sich gegeben. Innert Wochenfrist hat der Bitcoin 15 Prozent an Boden gut gemacht und notiert am Donnerstag über 93'500 Dollar. Die grossen Altcoins wie Ethereum und Solana konnten die Kursverluste ebenfalls egalisieren. Einer der Gründe für die Kurserholung ist unter anderem «Vanguard-Effekt».
Seit Dienstag können Kunden von Vanguard, dem zweitgrössten Vermögensverwalter der Welt mit 10,9 Billionen Dollar, in Krypto-ETFs und Zertifikate investieren. Dies, nachdem das Institut lange der Meinung war, dass Kryptowährungen keine geeignete Anlage für die Kunden sind. Entsprechend stark waren die Zuflüsse in den «iShares Bitcoin Trust ETF», welcher am Dienstag in den ersten dreissig Handelsminuten Zuflüsse über einer Milliarde Dollar verzeichnete. Der von Blackrock aufgelegte ETF ist nach wie vor der am schnellsten wachsende ETF weltweit und der liquideste mit dem höchsten Volumen.
Mit dem Vanguard-Effekt sind zwei Phänomene verbunden. Es beschreibt einerseits nach einem Markteintritt von Vanguard die Tendenz, dass Wettbewerber gezwungen sind, ihre eigenen Gebühren zu senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits bringen die Kunden von Vanguard zusammen so viel Eigenkapital mit sich, dass es die Märkte beeinflussen kann.
Somit sind es für einmal die Babyboomer von Vanguard und nicht die «Degens», welche nach der Kurskorrektur als erste zugegriffen haben. Der Begriff «Degen Trader» bezeichnet einen risikofreudigen Kryptowährungshändler, der spekulativ handelt und dabei wenig bis gar keine Recherche betreibt. Oftmals orientiert er sich an Hype und Social-Media-Trends, anstatt an fundamentalen Analysen. Der Begriff ist eine Kurzform von «degeneriert» und stammt aus der Glücksspielwelt, wird aber in der Krypto-Community auch als Ausdruck von Kameradschaft verwendet.
Degen Trader nehmen erhebliche Verlustrisiken auf sich und konzentrieren sich auf schnelle Gewinne in volatilen Assets wie spekulative Altcoins, Meme-Coins und NFTs. Diese NFTs sind sogenannte Non-Fungible Tokens - auf deutsch nicht austauschbare Token, die als einzigartige, digitale Echtheitszertifikate fungieren und auf einer Blockchain gespeichert sind. Sie beweisen das Eigentum an digitalen oder physischen Objekten wie Kunst, Musik, Sammlerstücken oder sogar virtuellen Immobilien.
Die Baisse der letzten zwei Monate hat gerade die Degens Schachmatt gesetzt. Beim Flash-Crash am 10. Oktober gingen rund 20 Milliarden Dollar ungehebelt den Bach hinunter und bei gehebelten Produkten soll es gemäss Researchinstituten bis 500 Milliarden Dollar Nominalwert ausradiert sein. Diese Spekulanten dürfte nicht mehr so schnell auf den Markt zurückkehren, respektive vorsichtiger in Zukunft agieren. Dabei gilt: Je weniger gehebelte Produkte auf steigende Kurse nachgefragt werden, desto schwächer ist die Nachfrage von den Marketmakern in Bitcoin & Co.
Mit dem Rausspülen der gehebelten Trader, welche auf steigende Kurs hofften, ist die Anzahl der Long-Positionen deutlich geschrumpft. Mittlerweile ist ein Überhang an Short-Positionen feststellbar. Die logische Konsequenz aus der Gemengelage: Basierend auf dem Anfang Dezember abgeschlossenen Deleveraging führt die hohe Nachfrage der Vanguard-Kunden respektive anhaltende institutionelle Adaption sowie das Decken von Short-Postionen zu einem massiven Käuferüberhang, der die Kurse des Bitcoins in die Höhe getrieben hat.
Laut Daten von Coinmetrics hat der Markt nun eine klassische Hantelstruktur ausgebildet. Die kleinen, langfristigen Anleger und die grössten institutionellen Investoren haben aggressiv zugekauft. Dadurch wurden die Händler der mittleren Kategorie verdrängt. Der Zeitpunkt lässt gemäss der Kryptoplattform Sandmark gehen davon aus, dass finanzstärkere Käufer den Kapitalabfluss vom November als Liquiditätsmöglichkeit nutzten, um wieder in Positionen einzusteigen, die sie Anfang des Jahres reduziert hatten.
Ein geordneter Abverkauf ohne übermässigen Stress
Die jüngste Erholung des Bitcoins ist bemerkenswert, da der Token trotz des starken Kursverfalls nie Anzeichen eines stark unter Druck stehenden Marktes zeigte. Die von Bloomberg erhobenen Daten deuten darauf hin, dass der Markt eine frühere Abwärtsbewegung korrigierte und nicht von einem Einbruch gesprochen werden kann. Dies hat zusammen mit den vorher angeführten Argumenten Raum für eine nachhaltigere Erholung geschaffen.
Ein Indikator dafür ist der Z-Score, der die Abweichung der Kurse von ihrem jüngsten Durchschnitt anzeigt. Er vergleicht den aktuellen Kurs mit einem gleitenden 90-Tage-Trend und der Volatilität und erleichtert so die Beurteilung, ob eine Kursbewegung normal oder ungewöhnlich stark ist.
In der Vergangenheit, als Bitcoin aufgrund von Hebelverkäufen durch Händler unter Druck geriet oder es zu umfassenden Liquiditätsengpässen kam, fiel der Z-Score unter -2 und näherte sich teilweise -3. Solche Ereignisse, wie der Schuldenabbau Mitte 2021 und die Probleme mit FTX im Jahr 2022, waren durch starke Kurslücken, massive Liquidationen und einem noch deutlicheren Verlust an Markttiefe gekennzeichnet.
Im abgelaufenen Monat November erreichte der Z-Score, selbst im Tiefststand nur etwa -1,5 bis -1,7. Dieser Bereich deutet darauf hin, dass Anleger ihre Risiken reduzierten, anstatt panikartig Positionen zu schliessen. Der Anstieg bis zum Oktober-Hoch zeigt dasselbe Muster in umgekehrter Richtung. Die Z-Scores lagen überwiegend über 1, sodass die Kurse anschliessend grösstenteils wieder in Richtung des 90-Tage-Trends zurückkehrten.

