Der Name ist selbst für Kenner der Deutschen Bank eine Überraschung: Der ehemalige Chef des niederländischen Versicherungsriesen Aegon, Alexander Wynaendts, soll Aufsichtsratschef des Frankfurter Geldhauses werden und damit auf eine der Schlüsselpositionen in der deutschen Bankenwelt rücken. Er soll die Nachfolge von Paul Achleitner antreten, dessen Amtszeit im Mai 2022 nach zehn Jahren an der Spitze des Kontrollgremiums endet. Bislang ist der 61-jährige in der Finanzbranche hierzulande nur wenig bekannt. Sein Lebenslauf weist ihn als umbauerprobten und dealerfahrenen Manager aus - Eigenschaften, die in seiner künftigen Funktion bei der Deutschen Bank wahrscheinlich sehr gefragt sein dürften.

Wynaendts wuchs als Sohn einer weitgereisten niederländischen Diplomatenfamilie in Beirut, Jakarta und Brüssel auf. Er spricht mehrere Sprachen, darunter Indonesisch, Spanisch, Deutsch, Französisch und Englisch. Seine Karriere in der Finanzwelt begann in den 80er Jahren beim niederländischen Bankhaus ABN Amro. Dort war er von 1984 an 13 Jahre lang in den unterschiedlichsten Positionen im Geschäft mit vermögenden Privatkunden und im Investmentbanking in Amsterdam und in London tätig.

1997 wechselte er zum Versicherungskonzern Aegon. Dort durchlief er eine steile Kariere, die ihn auf verschiedenste Topmanagement-Positionen führte. Von 2003 bis 2007 verantwortete er die internationale Wachstumsstrategie des Unternehmens, das in zahlreichen europäischen Ländern, aber auch in den USA und in China aktiv ist. Schliesslich wurde er im April 2008 - kurz nach Beginn der Finanzkrise - Vorstandschef und lenkte den Versicherer zwölf Jahre bis 2020. Auch Aegon hatte die Krise hart getroffen: Das Unternehmen bekam 2008 eine Kapitalspritze der niederländischen Regierung im Volumen von drei Milliarden Euro. Die Hilfen wurden nach einigen Jahren vollständig zurückgezahlt.

Umbau bei Aegon

In seiner Zeit als Vorstandschef baute Wynaendts den Konzern kräftig um. Unter seiner Führung wurden zahlreiche Übernahmen, Partnerschaften und Verkäufe von Geschäftsteilen in Ländern wie Kanada, Mexiko, Rumänien und China eingefädelt. Nach Daten des Anbieters von Finanzinformationen Refinitiv war Aegon von 2012 bis 2020 an insgesamt 87 Übernahme- und Fusionstransaktionen beteiligt. Er sanierte zudem die Bilanz des Konzerns und gab Aegon, dessen Geschichte bis in das Jahr 1844 zurückreicht, eine neue Strategie.

Mayree Clark, die den Nominierungsausschuss der Deutschen Bank leitet und die Suche nach einem Nachfolger für Achleitner steuerte, charakterisiert Wynaendts als überzeugten Europäer mit einer globalen Perspektive: "Er blickt auf eine erfolgreiche Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche zurück, kennt die technologischen Anforderungen gut und hat mit Aufsichtsbehörden auf beiden Seiten des Atlantiks zusammengearbeitet."

Wynaendts sitzt in verschiedenen internationalen Aufsichts- und Verwaltungsräten, unter anderem beim Finanzkonzern Citigroup, beim amerikanischen Fahrdienstleister Uber sowie bei der Fluggesellschaft Air France KLM. Zudem ist Wynaendts beim US-Softwareunternehmen Salesforce Mitglied des Beirats für Europa, den Nahen Osten und Afrika. Aus dem Verwaltungsrat bei Citigroup wird er ausscheiden.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sagte zur Nominierung, er freue sich sehr auf die Zusammenarbeit mit Wynaendts. "Er verfügt über grosse Erfahrung in der Finanzbranche und ein hervorragendes Netzwerk, nicht nur in Europa, sondern auch global." Insidern zufolge wird der Aufsichtsrat der Deutschen Bank noch an diesem Wochenende über die Nominierung von Wynaendts beraten. 

(Reuters)