Einige der grössten Investoren der Welt konzentrieren sich nicht nur auf Zinserhöhungen, Bankenzusammenbrüche und die Gefahr einer Rezession, sondern auch auf eine der grössten Ängste aller Vermögensverwalter - die nächste grosse Rallye zu verpassen.
Für die Billionen-Dollar-Investmentgruppen Franklin Templeton, Invesco und JPMorgan Asset Management ist die zunehmende finanzielle Instabilität bei der Silicon Valley Bank, der Credit Suisse und der First Republic Bank ein Ansporn, die Vorbereitungen zu beschleunigen.
Die Investment-Grössen sind davon überzeugt, dass eine bevorstehende Konjunkturabschwächung in den USA und anderswo die Zentralbanken veranlassen wird, zu einer lockeren Geldpolitik zurückzukehren, was einen erneuten Anstieg der Märkte auslösen werde.
"Wenn man den Beginn der Rallye verpasst, verpasst man den Grossteil der Renditen", sagte Wylie Tollette, Anlagechef von Franklin Templeton Investment Solutions, einer Geschäftseinheit des 1,4 Billionen Dollar schweren Fondsmanagers. "Es ist sehr schwierig, den Rückstand aufzuholen, wenn man die ersten ein oder zwei Wochen verpasst. Manchmal sind nur wenige Tage entscheidend."
Günstige Staatsanleihen mit langfristpotenzial
"Festverzinsliche Wertpapiere sind wieder im Kommen", sagte Tollette in Hongkong auf einer Reise durch Asien, wo er mit Grossanlegern zusammentraf. Franklin Templeton Investment Solutions kauft Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten aus den USA, dem Vereinigten Königreich und Deutschland.
Die Investmentsparte von JPMorgan hat in den letzten Wochen mehr langlaufende Staatsanleihen für festverzinsliche Portfolios gekauft, obwohl die Aussicht auf Verluste besteht, falls die Zinssätze wieder steigen. Die Gefahr, zu wenig Anleihen zu halten, wenn die US-Notenbank Fed durch eine geldpolitische Kehrtwende eine Rallye auslöst, überwiegt jede kurzfristige Abwertung. Dies sagte Bob Michele, der als Anlagechef ein Vermögen von 2,5 Billionen Dollar beaufsichtigt.
"Meine grösste Sorge ist nicht, dass wir jetzt kaufen und die Renditen um weitere 50 Basispunkte steigen", fügte Michele von JPMorgan an. Er wies darauf hin, dass die Preise immer noch so günstig sind wie seit der Weltfinanzkrise nicht mehr. Die grössere Sorge ist für ihn, nicht am Markt investiert zu sein, wenn sich das Blatt wendet.
Australian Retirement Trust, eine der grössten Pensionskassen Australiens mit einem Vermögen von 159 Milliarden Dollar, ist ein weiterer Investor, der in diesem Monat wieder in Staatsanleihen investiert hat. "Wir haben eine neutrale Position in festverzinslichen Wertpapieren im gesamten Fonds eingenommen", sagte Andrew Fisher, Leiter der Anlagestrategie bei ART. Die australische Pensionskasse geht davon aus, dass sie zu einer übergewichteten Position übergehen werde, sobald die Renditen etwas höher liegen.
Sinkende Renditen treiben Aktien im zweiten Halbjahr
Invesco, das ein Vermögen von 1,4 Billionen Dollar verwaltet, geht davon aus, dass die Fed in den kommenden Monaten eine Pause einlegen wird, bevor sie später in diesem Jahr zu einem Lockerungszyklus übergehe. Dies werde eine Rallye am Aktienmarkt auslösen. "Wenn der Konjunkturabschwung in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 eintritt, wird der Aktienmarkt auf eine Erholung im Jahr 2024 hoffen", sagte Kristina Hooper, die leitende globale Marktstrategin des Fondsmanagers. "Tech-Titel reagieren sehr gut auf sinkende Renditen, was insgesamt positiv für Aktien ist."
Invesco wird eine übergewichtete Position in zyklischen Titeln und Small Caps anstreben, sobald die Anzeichen für eine Kehrtwende der Fed deutlicher werden, und seine vorsichtige Position in Large Caps und defensiven Sektoren wie Versorgern und Basiskonsumgütern aufgeben. Händler von Futures, die auf dem Leitzins der Federal Reserve basieren, stellen sich bereits auf eine Senkung der Kreditkosten in der zweiten Jahreshälfte ein.
Franklin Templeton bereitet sich darauf vor, Aktien nicht mehr unterzugewichten, sondern neutral zu halten, um nicht die Anfangsphase einer Rallye zu verpassen. Dieser Aktivismus ist nicht unbegründet: Daten von JPMorgan zeigen, dass Anleger, die an den zehn besten Tagen des S&P 500 in den zwei Jahrzehnten bis 2022 nicht am Markt waren, nur halb so viele Gewinne erzielten wie diejenigen, die während des gesamten Zeitraums am Markt waren.
(Bloomberg)
Unternehmensanleihen bei Anlegern bereits beliebt
Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating haben sich als eine der beliebtesten Positionen bei Anlegern herauskristallisiert, die höhere Renditen als bei Staatsanleihen bei moderatem Risiko erzielen wollen. "Man muss das Kreditspektrum nicht weiter nach unten durchforsten, um derzeit Rendite zu erzielen", sagte Emily Roland, Co-Chef-Anlagestratege bei John Hancock Investment Management, das ein Vermögen von 610 Milliarden Dollar verwaltet.
John Hancock Investment Management hat Positionen in Investment-Grade-Unternehmensanleihen, hypothekarisch gesicherten Wertpapieren und Kommunalobligationen übergewichtet. Es wird risikoreichere Schuldtitel wie hochverzinsliche Unternehmensanleihen hinzufügen, wenn die sich verschlechternde Wirtschaftslage in einer vorsichtigeren Geldpolitik der Fed widerspiegle.
Mohamed El-Erian, Vorsitzender von Gramercy Funds Management und Berater der Allianz, hat auch die Schwellenländer im Blick. "Vor allem das Kreditsegment bietet attraktive Möglichkeiten", sagte er. "Der Schlüssel liegt hier in einer Kombination aus sorgfältiger Namensauswahl und der Beachtung der Bilanzen." Ein zu schneller Einstieg in risikoreichere Kreditsegmente kann jedoch auch Nachteile mit sich bringen, wie Invesco diese Woche erfahren hat. Der Fondsmanager war ein Inhaber von Tier-1-Anleihen der Credit Suisse, die am Wochenende wertlos wurden.
Zinsstütze fällt für den Dollar weg
Der Dollar wird einen wichtigen Grund für seine Stärke verlieren, wenn die Fed beginnt, die Zinsen zu senken, während er Investoren anzieht, die ihn als Zufluchtsort bei einem Abschwung nutzen. "Wir werden wahrscheinlich einen etwas schwächeren Dollar sehen, genauso wie wir wahrscheinlich eine weniger aggressive Fed sehen werden. Diese beiden Entwicklungen werden Hand in Hand gehen", so Hooper von Invesco.
Einige Experten prognostizieren eine Entwicklung in die andere Richtung. "Wir sehen einen stärkeren Dollar", so Roland von John Hancock. "Wenn die globalen Märkte zu der Erkenntnis gelangen, dass eine Rezession am wahrscheinlichsten ist, wird es eine Nachfraget für Dollars geben. Das ist ein wichtiges Element, das man beobachten muss und das sich auf alle Vermögenswerte auswirken wird."
(Bloomberg/cash)
1 Kommentar
Die Analyse macht schon Sinn - die Konklusion aber nicht zu 100% für jeden Anlager. Damit wir suggestiert, dass diese besten 10 Tage irgendwie nahe beieinander liegen. Dies ist aber nicht der Fall. Diese sind auch willkürlich verteilt in den 20 Jahren. Manchmal ein paar Aktien verkaufen und das Ganze von der Seitenlinie beobachten macht je nach Risikoappetit sehr wohl Sinn.