In einem Quartal, das von Rekordinflation und den Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine geprägt war, übertrafen 15 der 20 grössten Kreditinstitute der Region die Gewinnschätzungen der Analysten, dank höherer Nettozinserträge und Anleihehandel. Die 10 grössten börsennotierten Banken in der Europäischen Union erzielten zusammen einen Gewinn von 13,9 Milliarden Euro, den drittbesten der letzten zehn Jahre.

Die Institute profitierten bereits von der Aussicht auf die erste Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank seit 2011. Die fand tatsächlich zwar erst im dritten Quartal statt, aber schon die Erwartung trieb die Kreditmargen in die Höhe und die Kunden in lukrative Absicherungsgeschäfte. Im weiteren Jahresverlauf dürfte jedoch die Inflation die Gewinne zu schmälern beginnen, während steigende Zinsen den Schuldendienst erschweren. Zusätzlich droht eine verheerende russische Gasverknappung, und so warnten mehrere Banken, dass die glückliche Konstellation womöglich nicht von Dauer sein könnte.

Im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse aus den Quartalsberichten der europäischen Banken für das zweite Quartal:

Wie ihre Kollegen von der Wall Street profitierten auch die europäischen Investmentbanken von einem regen Devisen- und Rentenhandel, während die restriktivere Geldpolitik und der starke Dollar Anlegern zu schaffen machte.

"Die Nachfrage nach Positionierungen bei den Finanzinstituten und nach Hedging bei den Unternehmen ist sprunghaft angestiegen", sagte Slawomir Krupa, Leiter der Investmentbank der Societe Generale, am Mittwoch in einem Bloomberg-TV-Interview. "Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine haben Öl ins Feuer gegossen, das in Bezug auf die Inflation bereits vorhanden war."

Von Zinserhöhungen profitiert

Das Handelsgeschäft machte die Schwäche im Bereich Emissions- und Beratungsgeschäft wett, das wegen der unsicheren Wirtschaftsaussichten gedämpft war. Auch Kredite für Übernahmen waren weniger gefragt. Deutsche Bank-Finanzchef James von Moltke und andere warnten allerdings, dass sich der Handel inzwischen abschwächt.

In Erwartung der Zinserhöhung durch die EZB haben Banken in diesem Quartal bereits höhere Kreditzinsen verlangt. Kreditgeber in Ländern wie Spanien könnten davon in höherem Masse profitieren, weil dort variabel verzinste Hypotheken vorherrschen. Banken, die etwa in Osteuropa - wie italienische und österreichische - oder in Südamerika - wie spanische - vertreten sind, profitierten bereits von früheren Zinserhöhungen dort.

“Wir sind auf steigende Zinssätze eingestellt”, sagte der Finanzchef der ING, Tanate Phutrakul, am Donnerstag gegenüber Analysten. “In Märkten wie Polen, Rumänien und Australien sehen Sie die Vorteile dieser Haftungsreplikation bereits in unseren Ergebnissen. In den kommenden Quartalen werden wir dies eher in der Eurozone sehen.”

Russland als Lichtblick für Banken

Der Druck, der ihre Erträge in die Höhe getrieben hat, macht jedoch auch vor den Kreditinstituten selbst nicht Halt. Die Inflation treibt die Lohnforderungen in die Höhe, sowohl für Filialmitarbeiter als auch für Investmentbanker. Nach einem erbitterten Kampf um Spitzenkräfte im vergangenen Jahr musste die Deutsche Bank im Berichtsquartal ihre Vergütungsausgaben erhöhen und ihr wichtigstes Effizienzziel für 2022 aufgeben.

Die Rückstellungen für faule Kredite gingen zurück, da die Banken für die Folgen des russischen Einmarsches in der Ukraine bereits zu Beginn des Jahres Vorsorge gebildet hatten. Dennoch ist die mögliche Unterbrechung der russischen Gaslieferungen ein Risiko für die Banken. Die Commerzbank warnte am Mittwoch, dass in diesem Szenario eine ähnliche Rezession droht wie nach der Finanzkrise 2008.

“Sollte es zu einem Gasstopp kommen, müssten wir wahrscheinlich mehr Rückstellungen für Kreditausfälle bilden”, sagte Bettina Orlopp, Finanzvorstand der Commerzbank, gegenüber Bloomberg TV. Sie schätzt die Summe allein für die gelbe Bank auf 500 bis 600 Millionen Euro.

Trotz des Kriegs war Russland ein unerwarteter Lichtblick in den Ergebnissen der Banken, die dort noch Geschäft betreiben. Die Aufwertung des Rubels steigerte Kreditbestand und Gewinne der österreichischen Raiffeisen Bank International, und für die UniCredit war Russland die beste Region. Beide Banken suchen nach Optionen für ihre Russland-Sparten, die seit Jahren ebenso lukrativ wie politisch riskant sind.

(Bloomberg)