Von einem Tsunami ist die Rede, vom Ende einer Ära und immer wieder vom Kampf Mensch gegen Maschine. Keine Frage, die Bankenbranche ist im Umbruch. Weltweit haben Tausende von Kleinunternehmen vor, die Finanzwelt zu revolutionieren. Sie setzen dabei auf neue Technologien, kreative Ideen und einen einfacheren Umgang mit Geld. Man nennt sie Fintechs. Sie entwickeln beispielsweise Software, um in Sekundenschnelle die Kreditwürdigkeit von Antragstellern zu prüfen. Oder sie erstellen digitale Plattformen, die Kreditnehmer und Privatleute zusammenbringen.

Crowdfunding kontra Bankkredit - Alternative der Finanzierung

Gerade diese Crowdfunding genannte alternative Form der Finanzierung könnte die Banken dereinst Umsatz kosten. Denn sie ermöglicht es, für verschiedenartige Projekte Geld zu beschaffen - ob es nun die Unterstützung eines Musikprojekts, die Anschubfinanzierung eines Start-ups oder der Kleinkredit für einen Sportplatz ist. Gegenstand des Deals ist in der Regel auch eine Gegenleistung. Sie ist entweder monetärer (Zinsertrag) oder nicht-monetärer Art (Produkte, Dienstleistungen).

In der Schweiz hat sich diese Art der Kreditvergabe in den letzten drei Jahren verfünffacht. 15,8 Millionen Franken wurden 2014 durch Crowdfunding vermittelt - 36 Prozent mehr als im Vorjahr. Weltweit betrug das Volumen im letzten Jahr 14,8 Milliarden Franken, wobei der Schweizer Markt im internationalen Vergleich noch wenig entwickelt ist. Insbesondere eine massvolle Regulierung fehlt hierzulande. Zu diesem Resultat kommt eine Studie der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit der Swisscom.

Am weitesten fortgeschritten ist der Crowdfunding-Markt in den USA. Man rechnet dort bis 2025 mit einem Wachstum bis auf 150 Milliarden Dollar. Kommt dieser Trend in ähnlichem Verhältnis in der Schweiz an, könnten auf Klein- und Privatkredite spezialisierte Banken unter Druck geraten. Dass sich die Art und Weise, wie wir mit Geld umgehen, derzeit stark verändert, zeigt schon das Verschwinden der klassischen Bankfiliale. Schweizer Banken dampfen zunehmend ihr Filialnetz ein und schliessen Standorte, genauso wie europäische Grossbanken. Mit entsprechenden Folgen wie Jobabbau.

Auch der Zahlungsverkehr befindet sich im Umbruch

Auch das Ausführen von Zahlungen ist im Umbruch. Mit Selbstverständlichkeit kaufen wir heute Dinge übers Internet. Zahlen aus Deutschland zeigen, dass ein Viertel aller Online-Einkäufe bereits über Paypal laufen. Zudem wollen Apple Pay, Google Wallet und andere Anbieter das Bezahlen per Smartphone in Bars und Restaurants etablieren. Auch in der Schweiz gibt es mehrere Lösungen für eine digitale Brieftasche oder für das elektronische Überweisen von Geld zwischen Privatpersonen.Weiteres Ungemach droht der Bankenwelt vom Trend zu digitaler Vermögensverwaltung, der sich in verschiedenen Ausprägungen zeigt.

Dazu gehört auch das in der Schweiz präsente Wikifolio. Ähnlich wie bei sozialen Netzwerken kann dabei die Anlagestrategie eines anderen Users verfolgt oder nachgebildet werden. Daneben gibt es vollständig automatisierte Online-Anlageplattformen, wie sie etwa die Zürcher Firma True Wealth anbietet.

Die Universalbanken wollen den Anschluss nicht verpassen

Am meisten Zukunftspotenzial dürfte aber die Online-Vermögensverwaltung in Kombination mit Beratung haben. Denn Bankkunden informieren sich vor Anlageentscheiden noch immer am liebsten via Kundenberater, wie eine Umfrage des Zuger Instituts für Finanzdienstleistungen (IFZ) zeigt. In vielen dieser erwähnten Finanzbereiche mischen nebst kleinen Anbietern auch die etablierten Bankinstitute selbst mit. So ist beispielsweise die Glarner Kantonalbank mit mehreren digitalen Produkten am Start. Mit wenigen Klicks ist dort der Abschluss eines Privatkredits oder einer Hypothek möglich.

Während für kleinere Retail-Banken digitale Angebote durchaus einen bedeutenden Teil zum Umsatz beitragen können, sind sie für globale Universalbanken wie die UBS noch nicht matchentscheidend. Diese mischen viel eher im digitalen Markt mit, um den Anschluss nicht zu verpassen, falls die Nachfrage rasant zunehmen sollte. Die UBS tut das vor allem im Bereich der digitalen Vermögensverwaltung mit ihrer Anwendung "UBS Advice".

Markt für digitales Anlegen noch im Anfangsstadium

Auch wenn sich der Schweizer Markt für digitales Anlegen insgesamt noch in einem Anfangsstadium befindet, soll er in Zukunft stark wachsen. Bis im Jahr 2020 soll das digital angelegte Vermögen in der Schweiz auf 54 Milliarden Franken, in einem progressiven Szenario gar auf 89 Milliarden ansteigen, wie Zahlen der IFZ-Studie andeuten.

Was die Studie auch sagt: Die Gewinner dieses Trends dürften die etablierten Banken sein - und nicht die innovativen Fintech-Unternehmen. Denn die Kunden schätzen die Erfahrung eines Anbieters als wichtig ein. Dafür und für das jahrelange Know-how sind Kunden im Moment noch bereit, in die Tasche zu greifen.
Die Banken sind noch in anderen Bereichen Platzhirsche. Sie beackern komplexe Geschäftsfelder wie Fusionen von Unternehmen, Übernahmen oder Börsengänge. Und noch einen Trumpf haben die etablierten Geldhäuser: persönliche Daten. Mit den Unmengen von Informationen, die sie während langer Zeit über ihre Kunden in Erfahrung gebracht haben, wissen sie genau, woran diese interessiert sind und woran nicht. Und woher im Banking der Wind weht.

Die vier Arten von Crowdfunding

Crowdinvesting
Beteiligung über Kapital an einem Unternehmen. Oft Firmen in einem frühen Entwicklungsstadium. Als Gegenleistung erhalten Investoren Anteile am Unternehmen oder sie haben am möglichen Erfolg teil.

Crowdsupporting
Besonders beliebt bei kreativen, kulturellen oder kommerziellen Projekten. Der Investor erhält ein Kunstwerk, ein Produkt oder eine Dienstleistung.

Crowddonating
Die bezahlten Beträge sind reine Spenden ohne Gegenleistung. Hier stehen soziale oder karitative Motive im Vordergrund.

Crowdlending
Die Kapitalgeber erhalten für ihr Darlehen Zinsen, die abhängig sind vom Risiko des Kapitalnehmers. Besonders beliebt bei Unternehmen oder Privaten.

 

Dieser Beitrag ist Teil des am 8. September 2015 publizierten cash-Anlegermagazins "VALUE". Dort erfahren Sie unter anderem, wie Sie an der Börse richtig investieren, was eine Analystin den lieben langen Tag macht oder was Sie über die Vorsorge unbedingt wissen sollten.

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