cash.ch: Herr Veitch, seit dem Kurszerfall der Basilea-Aktie zwischen 2008 und 2011 hat sich der Titel nie wirklich erholt. Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptgründe dafür?

David Veitch: Ich denke, insbesondere in den Jahren 2008 bis 2011 lag der Hauptgrund in der damaligen Erwartung, dass neue Antibiotika Spitzenumsätze von über einer Milliarde erzielen könnten. Frühere Präparate hatten solche Umsätze erreicht. Mit der Zeit setzte sich jedoch die Erkenntnis durch, dass neue Antibiotika diese Grössenordnungen nicht mehr erreichen würden, und viele Unternehmen in diesem Bereich gerieten unter Druck. Vor allem, wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht an das tiefere Umsatzpotenzial anpassten. Entsprechend korrigierten die Bewertungen dieser Unternehmen nach unten.

Mit dem Kursrückgang hat auch das Interesse von Analysten und Medien abgenommen. Nur wenige Analysten verfolgen die Aktie, noch weniger davon in der Schweiz. Wurden dadurch wichtige Entwicklungen übersehen?

Da stimme ich Ihnen zu 100 Prozent zu. Wir legen derzeit grossen Wert auf dieses Thema. Ich denke, Basilea befindet sich in der besten Position, in der wir je waren: Wir haben zwei kommerzielle Produkte, zwei Wirkstoffe in der Phase III und eine sehr solide Finanzlage, von der wir vor fünf Jahren nur träumen konnten. Und doch spiegelt der Aktienkurs das nicht wider. Das sagt mir eines: Wir müssen unsere Geschichte besser erzählen und die Analystenabdeckung ausbauen. Zu ihrer Frage: Basilea zeigt, dass man mit Antiinfektiva, also Antibiotika und Antimykotika, durchaus Geld verdienen kann. Allerdings braucht es dafür das richtige Geschäftsmodell und der richtige strategische Fokus. Das hatten wir nicht immer. Wir waren beispielsweise auch mal im Bereich Onkologie aktiv. Heute haben wir aber ein Geschäftsmodell entwickelt, das in unserem Segment profitabel funktioniert - und genau das müssen wir besser kommunizieren.

Worin besteht der strategische Fokus von Basilea heute?

Wir konzentrieren uns auf schwere Infektionen, die durch Bakterien oder Pilze verursacht werden und deren Behandlung im Spital beginnt. Das klingt vielleicht weniger sexy als etwa die Krebsforschung. Doch in Wahrheit sind diese Medikamente die eigentlichen Arbeitspferde der modernen Medizin: Keine chirurgische Behandlung wäre ohne antibakterielle oder antifungale Wirkstoffe möglich, um Infektionen zu vermeiden oder zu behandeln. Solche Infektionen können für viele Menschen tödlich sein – anders als die in der ambulanten Versorgung häufiger vorkommenden, wie etwa die «normale» Lungenentzündung oder unkomplizierte Harnwegsinfektionen. Krankenhausinfektionen wie die nosokomiale Pneumonie oder invasive Pilzinfektionen können zudem zu einer Sepsis führen, und die Sterblichkeitsraten sind recht hoch.

Das Marktpotenzial müsste also enorm sein?

Ja und nein. Die Herausforderung, und das ist auch der Grund, weshalb sich die Marktbewertungen in den letzten 20 Jahren verändert haben, liegt darin, dass es viele sehr günstige Antibiotika gibt. Diese Penicillin-Derivate sind seit Jahrzehnten auf dem Markt und in 70 bis 80 Prozent der Fälle ausreichend. Unsere Aufgabe ist daher, Medikamente zu entwickeln, die entweder einen klaren Vorteil gegenüber diesen günstigen älteren Präparaten bieten oder für die Zweitlinienbehandlung eingesetzt werden - wenn die Standardtherapie versagt. Das macht uns bei Basilea sehr wählerisch, welche neuen Wirkstoffe wir entwickeln.

Aber das beantwortet die Frage nach dem Marktpotenzial nicht direkt …

Ein erfolgreiches Antibiotikum kann Spitzenumsätze von bis zu 500 Millionen Dollar erzielen, ein erfolgreiches Antimykotikum hingegen eher bis zu einer Milliarde. Unser führendes kommerzielles Produkt, das Antimykotikum Cresemba, bewegt sich auf dem oberen Ende dieser Spanne. Das Antibiotikum Ceftibuten-Ledaborbactam (nachfolgend Ceftibuten genannt, Anm. der Red.) aus unserer Pipeline dürfte eher bei bis zu 500 Millionen liegen. Positiv ist, dass die Umsätze mit Antiinfektiva Jahr für Jahr bis zum Ablauf der Exklusivität wachsen.

Ceftibuten, Zevtera und Fosmanogepix sind Ihre drei künftigen Standbeine. Sie sollen das Auslaufen der Exklusivität bei Cresemba kompensieren - das ist zumindest die Hoffnung. Können Sie erläutern?

Cresemba wird in Europa und den USA Ende des vierten Quartals 2027 den Patentschutz verlieren. Wir gehen davon aus, dass die Spitzenumsätze 2027 erreicht werden. Die Frage ist also: Was passiert danach? Sie liegen richtig mit Ihren drei Punkten: Erstens Zevtera, das kürzlich in den USA eingeführt wurde und dort bis April 2034 geschützt ist. Die zweite und dritte Säule sind Fosmanogepix und das neue Präparat Ceftibuten. Wir gehen davon aus, dass beide ab Markteinführung rund zehn Jahre Exklusivität haben werden. Gemäss unserer aktuellen Planung sollen sie Ende 2028 beziehungsweise 2029 auf den Markt kommen. Wir erwarten, dass Fosmanogepix ein Spitzenumsatzpotenzial von rund einer Milliarde hat, während Ceftibuten voraussichtlich ein Potenzial von etwa einer halben Milliarde erreichen dürfte.

Sind die Zulassungsbehörden bei der Genehmigung solcher kritischer Medikamente eher positiv eingestellt?

Natürlich besteht bis zur Zulassung immer ein gewisses klinisches Risiko. Aber in unserem Therapiegebiet ist die Übertragbarkeit der vorklinischen und klinischen Daten zwischen den Phasen meist recht gut. In anderen Bereichen wie der Onkologie ist das Risiko eines Scheiterns zwischen den Studienphasen deutlich höher. Zudem reduziert unsere nicht-verwässernde Finanzierung, vor allem von staatlicher Seite, unser finanzielles Risiko erheblich. Wir erhalten bis zu 60 bis 75 Prozent unserer Forschungs- und Entwicklungskosten rückerstattet. Das ist ein besonderer Aspekt, der unser Geschäftsmodell einzigartig macht.

Basilea ist ein ungewöhnliches Biotech-Unternehmen, es ist profitabel. Dennoch schwanken die Gewinnschätzungen je nach Analyst stark. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Biotech-Unternehmen werden typischerweise auf Basis von Diskontierungsmodellen und einer Sume-aller-Teile-Bewertung eingeschätzt. Wenn man sich Basilea ansieht, ist ziemlich klar, dass sich unser aktueller Aktienkurs und unsere Marktkapitalisierung im Wesentlichen auf den Wert unserer kommerziellen Produkte Cresemba und Zevtera stützen. Der Markt schreibt unserer Pipeline faktisch keinen Wert zu. Wir müssen daher besser kommunizieren, dass wir erheblichen zukünftigen Wert schaffen und zunehmend profitabel sind. Wir haben gelernt, in unserem Therapiebereich ein sehr effizientes und nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Es funktioniert nicht in allen Märkten. Wenn man ein Produkt mit einem Spitzenumsatzpotenzial von einer halben bis einer Milliarde Franken hat, es über Partner vermarktet, nicht mit Big Pharma konkurrieren muss und gleichzeitig nicht-verwässernde Fördermittel erhält, dann ist dieses Modell aus unserer Sicht der richtige Weg. Mit Cresemba haben wir es bereits erfolgreich unter Beweis gestellt. In unserem Fokusbereich sind wir zudem ein grosser Fisch in einem kleinen Teich - und wir sind überzeugt, dass wir dieses Modell auf künftige Wirkstoffe anwenden können, um langfristig Wert zu schaffen.

Sie weisen eine sehr hohe Kapitalrendite (ROIC) aus, was das kapitalarme Modell bestätigt. Eigentlich müsste das Investoren anziehen. Warum bleiben sie dennoch vorsichtig?

Das hängt wohl damit zusammen, dass Investoren ein langes Gedächtnis haben. Wer früher Verluste erlitten hat, ist heute vorsichtiger. Wir sind erst seit 2022 profitabel - die ersten 20 Jahre davor nicht. Doch jetzt, mit positivem Ergebnis, Cashflow und geringer Verschuldung stehen wir sehr gut da. Gespräche mit Investoren sind deutlich positiver geworden. Während wir weiter liefern, erwarten wir einen Wendepunkt am Markt. Oder besser gesagt: Wir warten nicht nur, sondern wollen ihn aktiv herbeiführen (schmunzelt).

Sie haben angekündigt, den verbesserten Cashflow für Schuldentilgung und mögliche Akquisitionen zu nutzen. Können Sie das konkretisieren?

Derzeit gibt es drei Hauptverwendungszwecke für unsere Mittel. Erstens investieren wir weiter in unsere bestehende Pipeline, um die nächsten Meilensteine zu erreichen. Zweitens prüfen wir selektiv Zukäufe. Wie gesagt: Unser Markt ist klein, und wir machen keine Deals im Monatsrhythmus. Es gibt zwar viel Innovation, aber Neuheit um der Neuheit willen ist für uns uninteressant. Entscheidend ist die kommerzielle Differenzierung. Drittens prüfen wir den Schuldenabbau. Aber nur, wenn die Bedingungen dafür sinnvoll sind. Langfristig werden wir auch Wege prüfen, Kapital an die Aktionäre zurückzuführen.

Anhand von Dividenden?

Glaube ich, dass wir in Zukunft eine Dividende zahlen, eigene Aktien zurückkaufen oder auf andere Weise Kapital an die Aktionäre zurückführen werden? Ja. Natürlich ist das nicht allein meine Entscheidung, letztlich entscheidet der Verwaltungsrat. Aber wenn man in Richtung 2028 blickt, könnte dieser sagen: «Heute ist der richtige Zeitpunkt gekommen.» Natürlich kann bis dahin vieles passieren, aber wenn alles nach Plan läuft und wir 2028 und 2029 jeweils ein bedeutendes neues Produkt einführen, hätten wir danach zehn Jahre mit klarer Prognostizierbarkeit. Das wäre eine sehr positive Perspektive. 

David Veitch ist seit 2018 CEO von Basilea. Er kam 2014 als Chief Commercial Officer zum Unternehmen. Zuvor war er für verschiedene Pharmakonzerne in unterschiedlichen Positionen tätig. David Veitch hat einen Bachelor of Science in Biologie von der University of Bristol in Grossbritannien.

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