«Ich würde das Argument, dass die Schweizer Banken gegenüber anderen Banken notwendigerweise benachteiligt sind, nicht gelten lassen», sagte der Generalsekretär des internationalen Regulierungsgremiums, Neil Esho, der Nachrichtenagentur Reuters. Er trat damit Äusserungen der UBS entgegen: Das Institut wehrt sich gegen eine drohende markante Verschärfung der Eigenkapitalforderungen in der Schweiz, die für die Bank einen massiven Wettbewerbsnachteil bedeute.
«Wenn Sie die US-Banken, die britischen Banken, die australischen Banken und die europäischen Banken fragen, werden sie Ihnen alle sagen, dass sie die härtesten Anforderungen haben», sagte Esho weiter. «Die Realität sieht so aus, dass die Kapitalstandards in den einzelnen Ländern trotz einiger Unterschiede recht ähnlich sind, was gut ist, da dies gleiche Wettbewerbsbedingungen fördert und das Bankensystem als Schockabsorber dienen kann.»
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht setzt sich aus Vertretern der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden zusammen. Zu den Hauptaufgaben des Gremiums zählt der Erlass von Mindeststandards und Richtlinien, um die Aufsicht zu stärken und dadurch die Finanzstabilität zu fördern.
Staat will mehr Kapital - UBS warnt vor Wettbewerbsnachteil
Als Reaktion auf den Kollaps der Credit Suisse ist die Schweizer Regierung dabei, ein strengeres Regelwerk zu erarbeiten. Teil davon sind dickere Kapitalpuffer. Damit wollen die Behörden verhindern, dass die UBS, deren Bilanz nach der Not-Übernahme der Credit Suisse doppelt so gross ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes, bei einer zukünftigen möglichen Schieflage den Staat in Bedrängnis bringen könnte. Dagegen wehrt sich das Institut. «Bereits jetzt wird UBS durch den Swiss Finish im Bereich der Regulierung beeinträchtigt», erklärte Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher auf der Generalversammlung im April. Die UBS unterliegt bereits einigen der strengsten Eigenkapitalanforderungen weltweit. «Ein weiterer Swiss Finish – während andere Finanzzentren Regulierungen eher abbauen – würde UBS, den Finanzplatz Schweiz und die Gesamtwirtschaft schädigen.»
Gegenwärtig muss die UBS 14,82 Prozent der risikogewichteten Aktiva als Kapital vorhalten. Damit liegt die Bank zwar etwas über den Vorgaben von europäischen Rivalen wie der Deutschen Bank mit 13,20 Prozent, aber unter den 15,0 Prozent von Morgan Stanley. Über die kommenden Jahre muss die UBS gemäss dem geltenden Regelwerk die Quote zudem weiter steigern, unter anderem weil sie durch die Übernahme der Credit Suisse deutlich grösser geworden ist. Für 2030 veranschlagt Autonomous-Analyst Stefan Stalmann einen Wert von 16,27 Prozent. Die UBS selbst erklärte Parlamentariern gegenüber jüngst, dass unter einer «extremen» Form der Regulierung die Tier-1-Quote bis dahin auf 22,4 Prozent steigen könnte.
Doch Esho ist nicht beeindruckt. Die höhere Zahl widerspiegle nicht unbedingt eine grössere Widerstandskraft als bei den Rivalen, entscheidend sei die Qualität des Kapitals. Und hier setzt der Experte ein Fragezeichen. Grundsätzlich können Banken die Vorgaben über hartes Eigenkapital (CET1) und über sogenannte AT1-Anleihen erreichen, die als Fremdkapital gelten. Die UBS darf dabei einen grösseren Anteil über AT1-Anleihen bereitstellen als die Konkurrenz. Esho zufolge helfen AT1-Anleihen zwar, Verluste aufzufangen. Die Erfahrung zeige aber, dass die dafür notwendige Wandlung in Eigenkapital oft zu spät komme.
Esho nennt einen weiteren Kritikpunkt. Gegenwärtig darf die UBS das Kapital von ausländischen Tochtergesellschaften teilweise auch dem Kapital des Mutterhauses zurechnen. Gegen eine solche Doppelzählung spricht sich der Experte aus, weil die Gefahr bestehe, dass das Kapital nicht in der Rechtseinheit verfügbar sei, wo es benötigt werde. Zu ähnlichen Einschätzungen kamen auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Finanzmarktaufsicht (Finma).
Die Regierung will Anfang Juni Vorschläge für Kapital-Eckwerte vorlegen. Sie hat bereits erklärt, dass die Doppelzählung von Kapital zumindest reduziert werden soll. Sind Doppelzählungen gar nicht mehr möglich, müsste die UBS wohl über 20 Milliarden Dollar beschaffen. UBS-Chef Sergio Ermotti sagte bei der Veröffentlichung des Quartalsergebnisses am Mittwoch, dass die Bank keine Informationen habe, wie die möglichen zusätzlichen Kapitalanforderungen aussehen könnten.
(Reuters)