Die Verfahren sollen damit vor einen US-Konkursrichter gebracht und damit Vergleichsverhandlungen erzwungen werden. Angesichts einer Reihe kostspieliger Geschworenenurteile sondiert die Bayer-Führung mit Anwälten und Beratern eine Strategie, die unter US-Juristen als “texanischer Wechselschritt” (Texas Two-Step) bekannt ist, berichten die Insider, die mit den Überlegungen vertraut sind.

Das erwünschte Endergebnis wäre ein Vergleich für mehr als 50'000 anhängige Fälle, heisst es. Die Strategie baut auf einer Eigenheit des texanischen Firmenrechts auf, die es Unternehmen erlaubt, Aktiva und Passiva in getrennte Sparten aufzuteilen. Jene mit den Verbindlichkeiten wird dann als überschuldet in die Insolvenz geschickt.

Im Erfolgsfall werden so Vergleichsverhandlungen mit Klägern erzwungen, die sich einer Beilegung zuvor verschlossen hatten. Es gibt allerdings keine Erfolgsgarantie für diese umstrittene Taktik. Der US-Hersteller 3M scheiterte mit einem derartigen Versuch in Bezug auf Klagen wegen fehlerhafter Gehörschutzausrüstung für Soldaten. Der Pharmakonzern Johnson & Johnson fiel bei Prozessen zu Babypuder durch.

Doch Bayer scheint entschlossen, nichts unversucht zu lassen. In den letzten vier Monaten verlor der Leverkusener Konzern wegen Roundup — auch bekannt unter dem Namen des Wirkstoffs Glyphosat — mehrere Fälle in den USA mit Strafzahlungen von rund 4 Milliarden Dollar. Bayer behauptet trotz der Urteile weiterhin, das Produkt sei sicher und verweist auf entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse.

Problematisch ist für den Konzern vor allem, dass Versuche, die zahllosen, über verschiedene Bundesstaaten verteilten Einzelfälle zu einem Verfahren zusammenzufassen, gescheitert sind. “In Anbetracht der jüngsten Urteile zum ‘Texas Two-Step’ ist Bayer sicher bewusst, dass die Chancen sehr gering sind, auf diesem Weg einen Vergleich zu erreichen”, meint Bruce Markell, ein früherer US-Konkursrichter, der inzwischen an der Northwestern University lehrt. “Doch vielleicht glauben sie, dass sie keine andere Wahl haben.”

Bayer lehnte es ab, sich zu den angeblichen Plänen zu äussern. Konzernchef Bill Anderson hatte die Bereitschaft erklärt, “jede vernünftige Option zu prüfen, um das Unternehmen zu schützen und unsere Mission vor der Prozessindustrie zu bewahren.”

Seit der Übernahme des Roundup-Herstellers Monsanto für 63 Milliarden Dollar im Jahr 2018 hat die Bayer-Aktie rund 70 Prozent ihres Wertes verloren. Bayer hat unlängst den aktivistischen Investor Jeff Ubben für seinen Aufsichtsrat nominiert, der zuvor Bayer öffentlich aufgerufen hatte, den Texas Two-Step als Strategie gegen die Roundup-Klagen zu prüfen.

(Bloomberg)