Neben einem erneuten Rückschlag bei den Glyphosat-Prozessen in den USA muss das Leverkusener Unternehmen nun auch noch eine herbe Niederlage in der Forschung mit seinem wichtigsten Medikamentenhoffnungsträger Asundexian einstecken.

An der Börse reagierten die Anleger schockiert. Die Aktien von Bayer rauschten im Leitindex Dax im frühen Handel am Montag um fast 19 Prozent nach unten auf ein 14-1/2-Jahres-Tief von 33,72 Euro. Das ist der grösste Kurssturz seit mindestens 32 Jahren.

Der Börsenwert des Aspirin-Herstellers schrumpfte dadurch um etwa 7,6 Milliarden Euro. «Das ist ein heftiger Rückschlag für Bayer. Asundexian war die Perle in Bayers Pharma-Pipeline und ohne den Wirkstoff steht die Pharma-Sparte ohne nachhaltiges Wachstum da», sagte Fondsmanager Markus Manns vom Grossaktionär Union Investment. «Den Neuanfang zu gestalten wird damit für Vorstandschef Bill Anderson zur Herkulesaufgabe.»

Bayer hatte in der Nacht zum Montag mitgeteilt, eine entscheidende Phase-3-Studie mit Asundexian mangels Wirksamkeit auf Empfehlung eines unabhängigen Kontrollgremiums vorzeitig abzubrechen. In der 18'000 Teilnehmer umfassenden Studie wurde das Mittel im Vergleich zum Gerinnungshemmer Eliquis der Konkurrenten Bristol-Myers Squibb und Pfizer bei Patienten mit Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko untersucht. Dabei habe sich eine unterlegene Wirksamkeit von Asundexian im Vergleich zum Kontrollarm der Studie gezeigt. Das Unternehmen wolle die Daten weiter analysieren, um das Ergebnis besser zu verstehen.

Weitere schlechte Nachrichten am Wochenende

Für Bayer ist der neuartige Gerinnungshemmer der grösste Hoffnungsträger in seiner Pharmaforschung. Der Konzern traut Asundexian alleine nach früheren Angaben ein Spitzenumsatzpotenzial von mehr als fünf Milliarden Euro zu und damit mehr als jedem anderen seiner Medikamente. Zu dieser Prognose wollte sich Bayer am Montag auf Nachfrage nicht äussern. Das Mittel sollte 2026 marktbereit sein und führte nach ersten Daten zu signifikant niedrigeren Blutungsraten als das Konkurrenzprodukt Eliquis.

Erst Anfang November hatte Bayer das Studienprogramm mit dem Mittel, das insgesamt fast 30.000 Patienten in über 40 Ländern umfasst, ausgeweitet. Die Rekrutierung der Teilnehmer für diese Studie für Patienten mit Vorhofflimmern ohne gegenwärtige Behandlungsmöglichkeit mit den derzeit verfügbaren Gerinnungshemmer-Tabletten hat noch nicht begonnen. Sie sollte eigentlich die nun abgebrochene Studie ergänzen. Weiter laufen soll die Phase-3-Studie Stroke mit 9300 Probanden, in der Asundexian zur Prävention von ischämischem Schlaganfall getestet wird.

Für den Leverkusener Konzern ist der Nachschub aus der Pharma-Pipeline essenziell, da die Patente seiner Kassenschlager - der Gerinnungshemmer Xarelto und das Augenmittel Eylea - Mitte des Jahrzehnts auslaufen. Lange Zeit galt die Pipeline unter Analysten als zu schwach, um Umsatzausfälle nach dem Patentablauf der Top-Medikamente auffangen zu können. Doch mit Asundexian hatte sich die Stimmung gedreht. Der nun verkündete vorzeitige Abbruch der Studie komme völlig überraschend. Das Pharmageschäft von Bayer stehe damit vor erheblichen Herausforderungen, erklärten die Analysten von Barclays.

Weitere schlechte Nachrichten gab es am Wochenende auch aus der Agrarsparte von Bayer, denn der Konzern verlor den vierten Prozess in Folge wegen der angeblich krebserregenden Wirkung seines Unkrautvernichters Glyphosat. Ein Geschworenengericht im US-Bundestaat Missouri verurteilte den Konzern zur Zahlung von insgesamt 1,56 Milliarden Dollar an vier Kläger. Bayer kündigte an, in Berufung zu gehen. «Im Unterschied zu früheren Verfahren haben die Gerichte in den jüngsten Fällen den Klägern unzulässigerweise erlaubt, die regulatorischen und wissenschaftlichen Fakten falsch darzustellen.»

Schon im Oktober musste Bayer drei Niederlagen hintereinander bei Prozessen einstecken, nachdem die Leverkusener zuvor neun Verfahren in Folge gewonnen hatte. Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat Bayer stets zurückgewiesen. Behörden weltweit haben das Mittel als nicht krebserregend eingestuft. Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO bewertete den Wirkstoff 2015 dagegen als «wahrscheinlich krebserregend». Zuletzt standen noch für 52.000 der insgesamt rund 165.000 angemeldeten Ansprüche Einigungen aus.

(Reuters)