Geht es nach den Strategen von Oddo Securities, dann müssen die Lehrbücher umgeschrieben werden. In diesen steht nämlich, dass ein tieferer Ölpreis gut für die Wirtschaft ist. Zumindest aus Sicht der Privathaushalte mag das auch stimmen, bleibt dank geringeren Ausgaben für Benzin und Heizöl mehr Geld für den Konsum übrig.

Dem widerspricht die französische Bank in einer Strategiestudie vehement und warnt vor negativen Folgen des jüngsten Ölpreiszerfalls auf die amerikanische Wirtschaft. Denn was gut für den Privatkonsum sei, treffe die heimische Öl- und Gasindustrie hart.

Ölindustrie zu einem wichtigen Wirtschaftszweig geworden

Neue und unkonventionelle Fördermethoden haben der amerikanischen Ölindustrie in den letzten Jahren regelrecht einen Höhenflug beschert. Oddo Securities zufolge beschäftigt dieser Wirtschaftszweig knapp 900'000 Angestellte, entsprechend 0,75 Prozent der gesamten dortigen Privatwirtschaft.

Die Ölindustrie trage in Übersee mittlerweile 10 Prozent zur Industrieproduktion bei, nicht zuletzt auch der gewaltigen Investitionen der letzten Jahre wegen. In den letzten Jahren habe der Wirtschaftszweig jährlich rund 0,6 Prozent zum Wachstum beigetragen, so die Strategen.

Hat die USA selber Schuld am Ölpreiszerfall?

Bei einem Rückschlag des Preises für ein Fass Rohöl der Sorte Brent Crude in die Region von 60 Dollar befürchten die Experten negative Folgen für die Investitionstätigkeit genauso wie für die amerikanische Ölproduktion. Denn gerade die neusten Ölförderanlagen hätten nur eine sehr kurze Lebensdauer, so schreiben sie in der Studie.

Hier kommen die für die Commerzbank tätigen Berufskollegen ins Spiel. Sie machen nämlich die amerikanische Ölindustrie dafür verantwortlich, dass der Ölpreis der Sorte Brent Crude seit Mitte Juni mehr als 36 Prozent auf zuletzt 70,96 Dollar je Fass eingebrochen ist. Alleine nach dem Entscheid der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) vom Donnerstag, an der bisherigen Fördermenge festzuhalten, sind die Preise knapp 10 Prozent gefallen.

Für die Experten der deutschen Grossbank ist klar, dass die rasant steigende Ölproduktion in den USA auf den Ölpreis drückt. Denn diese habe auf Basis vorläufiger Zahlen der US-Energiebehörde EIA erstmals seit den Siebzigerjahren wieder den Stand von 9 Millionen Fass pro Tag erreicht. Obschon die Behörde ihre Prognosen für die nächstjährige Tagesproduktion leicht auf 9,42 Millionen Fass zurückgenommen habe, liege sie noch immer höher als in diesem Jahr.

Marktbeobachter sehen im Nullentscheid der OPEC auch einen gezielten Nadelstich, wenn nicht gar einen Angriff, gegen die amerikanische Ölindustrie, liegen ihre Produktionskosten aufgrund unkonventioneller Fördermethoden doch deutlich höher.