cash.ch: Sie plädieren dafür, dass Small Caps in einem Umfeld hoher, aber rückläufiger Inflation übergewichtet werden sollen. Warum?
Fiona Harris: Im Vergleich zum S&P 500 Index sind viele Unternehmen, welche im Russell 2000 Index (Der Russell 2000 ist der führende US-Aktienindex für kleine Unternehmen, Anm. der Redaktion) enthalten sind, günstig bewertet. Die Augen der Anleger sind meistens auf Firmen wie Amazon gerichtet, die die Schlagzeilen beherrschen. Unser Fokus liegt auf kleinen Firmen, welche langfristig erfolgreich unterwegs sind. Das sind Firmen, die 20, 30 oder gar 40 Jahre ein solides Gewinnwachstum hingelegt haben. Da flammt bei uns Begeisterung auf.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen Sie Malibu Boats. Die Firma stellt keine Superyachten her, sondern kleinere Boote, welche in den USA auf jedem See zu finden sind. Allen unseren Investments ist gemeinsam, dass diese Firmen attraktive Margen und einen überdurchschnittlichen Cashflow erzielen. Douglas Dynamics, die Schneepflüge herstellen, ist ein weiteres Beispiel einer Firma, die jeden Tag einen hervorragenden Job macht und den Aktionären Freude bereitet.
Der Cashflow ist ein wichtiges Kriterium bei Ihrer Selektion. Welche anderen Kriterien sind wichtig?
Viele vergessen es zu schnell, aber 'Cash is king' hat nichts an Bedeutung verloren. Die Qualität des Managementteams ist ein wichtiger Faktor ebenso wie die gute Umsetzung einer erfolgreichen Unternehmensstrategie. Besonders wichtig ist, dass die Firmen diszipliniert investieren - egal ob diese Unternehmenskäufe, Dividenden oder Aktienrückkäufe tätigen. Dabei setzen wir sehr stark auf die Konsistenz bei den Erträgen.
Die Zyklen ändern sich ständig, die Schwankungen betreffen nicht nur die Aktienkurse, sondern auch die Gewinne. Dürfte das nicht schwierig sein?
Es ist tatsächlich so, dass viele Unternehmen stark den Zyklen ausgesetzt sind und die Gewinne der Firmen kurzfristig steigen oder fallen können. Das wollen wir bei unserer Auswahl vermeiden und nur Firmen in unsere Portfolios aufnehmen, wo dieses Risikoprofil nicht vorhanden ist. Das sind Firmen, welche zum Beispiel ein erhöhtes Ausfallrisiko wegen hoher Schulden haben. Denn eines wissen wir sicher: Ein Portfolio mit erfolgreichen, soliden kleineren Firmen ist in der Lage, mittel- bis langfristig eine attraktive Rendite zu erzielen. Aufgrund der erwähnten Überbewertung des S&P bin ich durchaus der Meinung, dass unser JPMorgan Funds SICAV US Smaller Companies Fund eine bessere Performance erzielen sollte als bei einem Investment in den S&P Index.
Als Anleger ist es schwierig, die richtige Firma in diesem Sektor zu finden.
Das ist auf jeden Fall so. Dem ganzen Bereich wird auch von den Investmentbanken zu wenig Beachtung geschenkt. Andererseits ist es genau das, was ich so spannend finde und es uns ermöglicht, einen Mehrwert schaffen zu können - mit gutem Research und vor allem viel Disziplin.
Kommen die Gewinnmargen der kleineren Firmen jetzt nicht schneller unter Druck, nachdem die Zinsen wie jüngst stark steigen?
Kleinere Firmen sind tatsächlich eher kurzfristiger finanziert als grosse Firmen. Deshalb ist es so wichtig, dass eine Firma genügend liquide Mittel hat, um einer allfälligen Rezession zu trotzen. Das sind eben diese 40-jährigen Firmen, die in der Vergangenheit schon Geschäftszyklen wie eine Rezession erfolgreich gemeistert haben.
Ist eine Rezession in den Aktienkursen schon eingepreist?
Bei den Small Caps ist sicherlich zum Teil schon eine US-Rezession eingepreist. Der S&P 500 ist gut ins Jahr gestartet, der Russell 2000 hat dagegen deutlich verloren. Die Bewertungen des Russell 2000 waren Ende Jahr attraktiv und sind nun noch attraktiver geworden. Historisch betrachtet haben Small Caps in dieser Marktphase in der Vergangenheit immer schlechter abgeschlossen. Auf einen Anlagehorizont von 10 Jahren sehen diese Bewertungen aber sehr attraktiv aus.
Der Benchmark Index Russell 2000 hat in den letzten Wochen sehr schlecht abgeschnitten. Ist es wirklich der richtige Zeitpunkt, um in diesen Sektor einzusteigen?
Auf jeden Fall. Es gibt aber zu bedenken, dass 40 Prozent der Firmen, welche im Index enthalten sind, derzeit keinen Profit abwerfen. Als Konsequenz kann nicht nur der Index gekauft werden, es braucht aktives Management. Die Profitabilität ist dabei nur ein Faktor. Ebenso wichtig ist, dass wir nicht in Firmen investieren, wo wir meinen, dass das Management keinen guten Job macht.
Dass der Russell 2000 so schwach war, kam doch eher überraschend?
Sie dürfen nicht vergessen, dass neben dem Haufen unprofitabler Unternehmen der Index im Vergleich zum S&P 500 eine verhältnismässig hohe Gewichtung an Regionalbankenaktien hat - also jener Finanzinstitute, deren Titel jüngst stark unter die Räder gekommen sind.
Wie geht es weiter bei diesen Bankaktien?
Wir bilden unser Portfolio aufgrund der Fundamentalanalyse auf, weshalb wir nicht einen Sektor kaufen, sondern einzelne Unternehmen. Bei den Aktien von kleinen Banken ist es im Moment fundamental schwierig. In der Vergangenheit haben Bankaktien meist schlecht abgeschnitten, wenn Änderungen bei der Regulation eingetreten sind. Das betrifft im Moment die Regionalbanken und wir können hier die Auswirkungen noch nicht auf unsere Bewertungsmodelle abschätzen. Diese Banken werden wohl keine einfache Zeit in der nahen Zukunft haben. Wir sind dagegen positiv für kleine Versicherer eingestellt.
Was spricht für Versicherer?
Kinsale Capital Group ist zum Beispiel eine Firma im Versicherungsbereich, die sehr interessant ist. Es ist ein kleiner Player, fokussiert auf eine profitable Nische mit sehr attraktiven Prämieneinnahmen. Für den Moment dürfte es deshalb dabei bleiben - Selektiv im Finanzsektor ohne Retailbankaktien investieren.
Wie geht es bei den Techaktien weiter?
Techaktien sind ein spannender Bereich, auch herausfordernd bei der Auswahl der Unternehmen. Es braucht viel Fingerspitzengefühl, weil wir unter dem Gesichtspunkt des Chancen-/Risikoverhältnis anlegen. Es gibt auch günstige Aktien im Tech-Sektor, aber die entscheidende Frage ist, zu welchem Preis ich in ein Unternehmen investieren kann. Vielfach ist es hier so, dass ich relativ teuer eine langfristige Gewinnmöglichkeit kaufen muss. Deshalb haben wir einen anderen Ansatz, indem wir stärker diversifizieren und mehrere kleinere Positionen an Unternehmen halten. Diese Unternehmen haben einen Cashflow, deshalb schlafen wir damit sicher ruhiger.
Ist der Tiefpunkt beim Russell 2000 erreicht?
Garantieren kann ich das nicht (lacht). Es ist einfach wichtig, die Zeitmessung richtig einzustellen. Meine jungen Kinder haben eine Aufmerksamkeitsspanne von 1 Stunde. Bei unserer Strategie beträgt dieser 10 oder mehr Jahre.
Soll ich jetzt kaufen oder in einem Jahr?
Alle warten darauf, dass es morgen eine bessere Kaufmöglichkeit gibt. Allerdings kann ich dann auch Pech haben, wenn ich in den Ferien bin oder im Flugzeug sitze und die Gelegenheit verpasse. Langfristig betrachtet ist investiert sein immer besser als an der Seitenlinie stehen. Vor allem auf einen Zeithorizont von 10 Jahren, denn da bin ich überzeugt, werden Small Caps generell sowie unser JP Morgan Funds - US Smaller Companies Fund sehr gut abschneiden. Eine Möglichkeit ist, um dem entgegen zu wirken, gestaffelt über ein Jahr in Tranchen einzusteigen.
Fiona Harris ist bei JP Morgan Asset Management (JPMAM) Anlagespezialistin für amerikanische Aktien. Sie ist seit 1997 bei JPMAM verantwortlich für die Kommunikation von Anlagestrategien, Portfolioinformationen und Ergebnissen an nicht in den USA ansässige Kunden. Zuvor war Harris als Kundenportfoliomanagerin tätig, wo sie die Mid-Cap-Value-Strategie unterstützte. Sie trat der Firma als Marketingmitarbeiterin bei und konzentrierte sich auf die Erfüllung der Bedürfnisse von Kunden in Grossbritannien und Kontinentaleuropa.