Die Bundesregierung hat auch auf der Kabinettsklausurtagung in Meseberg die Entscheidung über die Einführung eines subventionierten Industriestrompreis vertagt. Das liegt daran, dass in der Debatte die Fronten quer durch viele Parteien und auch die Wirtschaft verlaufen. Nur Grüne und FDP haben sich festgelegt - allerdings in entgegengesetzte Richtungen. Kernargument für eine staatliche Deckelung ist die Angst vor einer Abwanderung von Unternehmen wegen hoher Strompreise. Nur so könne die Investitionsbremse bei Firmen gelöst werden, heisst es bei Befürwortern. Kernargumente dagegen sind vor allem die Kosten und die Frage, wer profitieren würde - und wer nicht. Zudem wird darauf verwiesen, dass die EU-Kommission hinter den Kulissen bereits angedeutet habe, einer solchen weiteren Subvention nicht zustimmen zu wollen.

Das sagt der Kanzler

Kanzler Olaf Scholz hat sich mehrfach gegen einen staatlich subventionierten Industriestrompreis ausgesprochen - und vor allem eine «dauerhafte» Subventionierung ausgeschlossen. Dies würde nur ein «schuldenfinanziertes Strohfeuer» auslösen, hatte er argumentiert. «Das wäre ökonomisch falsch, fiskalisch unsolide und würde falsche Anreize setzen.» Zudem nutze ein Industriestrompreis eher grossen Konzernen und nicht dem Mittelstand. Der SPD-Politiker verweist stets darauf, dass doch lieber die Ökostromproduktion und die Leitungsnetze schnell ausgebaut werden sollten. Dann würden die Preise durch billigeren Ökostrom stark sinken.

Allerdings hatte Scholz selbst 2021 im Bundestagswahlkampf versprochen: «Mein Ziel ist ein Industriestrompreis von vier Cent.» Dies galt ohne Subventionierung schon damals als unrealistisch.

Das sagt die SPD

Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich zwar einstimmig für einen Industriepreis ausgesprochen. Aber Einstimmigkeit gab es nur, weil etwa Scholz nicht anwesend war. Auch Innenministerin Nancy Faeser sieht das Vorhaben kritisch. Damit nimmt die SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl eine andere Position ein als der bayrische SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn. Dieser ist für einen Industriestrompreis.

Die Besonderheit des SPD-Fraktionsmodells: Sie will «vorerst» für fünf Jahre einen garantierten Strompreis von fünf Cent - aber nur für energieintensive Unternehmen, die zugleich im Bereich der Transformation arbeiten, also etwa Wärmepumpen, Solarpanele oder Windräder bauen oder ihre Produktion klimafreundlich umbauen. Diese Unternehmen sollen die Differenz zu dem höheren Marktpreis erstattet bekommen.

Das sagt die Wirtschaft

Auch die Wirtschaft ist keineswegs einer Meinung. Gefordert wird sie vor allem von den Branchen, die davon profitieren würden und die sich stark im internationalen Wettbewerb sehen - etwa der Chemieindustrie. Auch die Regierungen der «Chemie-Bundesländer» Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt fordern, dass der Bund in die Subventionierung einsteigt. Das Instrument wird meist «Brückenstrompreis» genannt, um eine zeitlich Befristung zu unterstreichen.

Handwerk und Mittelstand sind indes dagegen, weil sie fürchten, ihrerseits weiter auf hohen Stromkosten sitzen zu bleiben. Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall lehnt einen subventionierten Preis nur für wenige Grossunternehmen ab. Stattdessen wird - wie von der Union - eine Senkung oder sogar die komplette Abschaffung der Stromsteuer gefordert, wodurch alle Unternehmen entlastet würden. Die hohen Energiekosten seien auch für weniger energieintensive Unternehmen eine Belastung. Ähnlich argumentiert der DIHK.

Das sagt die Union

Unterschiedliche Meinungen gibt es auch in der Union. Die CDU-Spitze will lieber eine Senkung der Stromsteuer. Aber NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU) und der niedersächsische CDU-Landeschef Sebastian Lechner haben sich öffentlich für einen Industriestrompreis ausgesprochen.

(Reuters)