cash.ch: Die Schweizer Börse hatte ein sehr gutes Jahr. Geht es 2026 so weiter?

Patrick Hasler: Ich wäre erstaunt, wenn es erneut so positiv kommt. Bereits die sehr gute Performance in diesem Jahr war extrem überraschend nach all diesen Unsicherheiten. Insofern bin ich schon happy, wenn wir nächstes Jahr im langjährigen Schnitt durchkämen. Das Börsenumfeld ist extrem politisiert und risikobehaftet. Dabei reicht es, auf die einzelnen Sektoren hinzuweisen, die für die Schweizer Volkswirtschaft wichtig sind.

Was meinen Sie damit?

Drei Themen beschäftigen mich. Erstens schaue ich Big Pharma an und sehe ein Faustpfand gegenüber US-Präsident Donald Trump. Je nachdem, wie es wirtschaftlich oder politisch ausgeht, kann er die Zollkeule als Waffe gegen die Schweiz verwenden. Die politischen Risiken können da nicht ausgeblendet werden und es stellt sich die Frage, wie viel Aufschlag für die Schweizer Pharmafirmen gerechtfertigt ist. Zweitens haben wir die Problematik mit der UBS, die uns weiterhin beschäftigen wird. Die Frage ist, ob ein Kompromiss bei den Eigenkapitalregeln zustande kommt oder nicht. Ich hoffe es, aber wer weiss. Der dritte Punkt ist Deutschland und die Frage, ob unser Nachbarland im grossen Stil wirtschaftlich so zurückkommt, wie es an den Märkten erwartet wird. Stand heute muss ich da ein ganz grosses Fragezeichen dahinter setzen. 

Wie positioniert sich ein Fondsmanager in so einem Umfeld? 

Ich sehe weiterhin ein stark politisiertes Umfeld, sowohl am linken als auch am rechten Rand - sprich von Amerika bis China. Eine übergewichtete Positionierung in mittelgrossen Unternehmungen scheint mir deshalb angebracht. Die Firmen müssen dabei genug gross sein, um einen natürlichen Hedge - sprich Absicherung gegen Risiken - hinzukriegen. Geografisch nicht zu eng fokussiert, wie zum Beispiel Firmen, die stark in der Schweiz, Deutschland und Österreich tätig sind. Vielmehr sollten sie global exportieren, auch wenn dies schwieriger werden dürfte als in der Vergangenheit. Diese Firmen sollten ein bisschen unter dem Radar fliegen. Entsprechend bin ich tendenziell Mid-Cap-lastig bei starken Nischenplayer engagiert.

Wer sind Ihre Favoriten bei diesen mit Mid Caps?

Ich will nicht unbedingt KI-Topics, weil es in der Schweiz schlussendlich kaum Möglichkeiten gibt. Aber für die zweite Reihe bin ich durchaus optimistisch. Das macht Sinn, weil der technische Fortschritt momentan langsam in einer breiteren Masse ankommt. VAT hat da eine gute Zukunft. Inficon ist auch am richtigen Ort. Hinzu kommt Burckhardt Compression, die ich schon eine Zeit lang im Portfolio habe. Dies gilt umso mehr, da der Titel meiner Meinung nach jüngst zu Unrecht zurückgebunden wurde. Ich bin da weiterhin dabei und habe zugekauft.

Das tönt nach Fokus Wachstumsunternehmen?

Ich bin da etwas zurückhaltend. Beim Thema Wachstum fehlt der Groove, deshalb suche ich nach Qualität bei Schweizer Aktien. Das sind Firmen, die margenmässig etwas verteidigen können. Oder eine Aktie von einer soliden Firma, die an der Börse gelitten hat. Diesen Investitionsstil würde ich mal 'Qualität zu einem guten Preis' nennen. Ich positioniere mich also in Straumann, kaufe SIG Group hinzu, aber auch Amrize. Allen voran ist Alcon ein Titel, der dem idealen Profil entspricht und den ich im Depot haben will.

Wandelt sich Straumann vom Wachstums- zum Qualitätstitel?

Der unglaubliche Wachstumsschub, den Straumann in der Vergangenheit hatte, war stark vom Vorstoss in Bevölkerungsschichten im mittleren Einkommenssegment geprägt. Das hat geholfen, weil sie nun sowohl im mittleren wie im oberen Preissegment erfolgreich sind. Nach der Konsolidierungsphase an der Börse entspricht Straumann nun meiner Vorstellung von Qualität zu einem vernünftigen Preis. Der Medizintechniker gewinnt Marktanteile und agiert in China als auch in Amerika geschickt. Die lateinamerikanischen Märkte wachsen stark. Es ist schon einzigartig, wie die Firma das umsetzt. Daher ist die richtige Qualität das Kriterium und nicht unbedingt das Wachstum.

Alcon war seit der Abspaltung von Novartis 2019 keine Erfolgsstory.  

Das Unternehmen wurde mit einer unglaublichen Schuldenlast in die Freiheit entlassen. Seither hat sich das Unternehmen heraus gekämpft, war zuerst aber nur mit sich selber beschäftigt. Jetzt ist der einst aufgebürdete Rucksack leichter, das Management hat einen guten Job gemacht. Ich bin bei Alcon zuversichtlich. Die Aktien an einem weltweit führenden Augenheilmittelkonzern will ich über die nächsten Jahre besitzen, zumal der Wert zu billig ist. 

Ist Burckhardt Compression ein KI-Titel aus der zweiten Reihe?

Die jüngste Kurskorrektur war übertrieben. Der Markt hatte einfach Angst, es würden zu viele Schiffe gebaut werden. Diese Angst gab es schon vor zwölf Jahren, aber Burckhardt ist nicht mehr die gleiche Firma wie damals. Der Serviceanteil ist massiv gestiegen. Auf der anderen Seite brauchen die Hyperscaler für die KI-Datenzentren enorme Mengen an Strom. Es ist dabei eine Illusion zu glauben, neue AKWs würden im Rekordtempo hochgezogen. Die Datenzentren brauchen vielmehr schnell billigen Strom. Gaskraftwerke können diesen liefern und Burckhardt wird davon profitieren. 

Ist die UBS-Aktie immer noch ein Kauf?

Ich bin übergewichtet, ganz klar - trotz der Risiken (lacht). Was sind die Risiken? Wenn die UBS aus der Schweiz gehen sollte, geht der Wert der UBS möglicherweise sogar nach oben. Ich hoffe nicht, dass sie geht, aber es ist nicht mein Job, das zu beurteilen. Mein Job ist vielmehr, die Risiken um die neuen Kapitalvorschriften zu beurteilen. Da gehe ich von einem Kompromiss aus. Die Diskussion wird offen ausgefochten, weil es um politische Karrieren und um viel Ego geht. Gibt es keinen Kompromiss, dann haben wir Anteile an einer der weltweit grössten Banken, die einfach nicht mehr aus der Schweiz geführt wird. Der Wert geht dadurch an sich ja nicht flöten.

Apropos Finanztitel - was halten Sie von den Schweizer Versicherern?

Ich war traditionell und seit langen Jahre übergewichtet in Swiss Life, obwohl sie mir mittlerweile etwas teuer erscheint. Ich bin weiterhin übergewichtet, habe die Position aber ein wenig abgebaut und umgeschichtet in Zurich Insurance, die einen fantastischen Job macht. Auf der anderen Seite überzeugt mich Swiss Re nur mässig. Der Rückversicherer muss erst beweisen, ob er es wirklich dermassen drauf hat, um langfristig erfolgreich zu bleiben.

Haben Sie auch Aktien verkauft oder Positionen reduziert, um die Anleger 2026 einen Bogen machen sollten?

Ich bin wie gesagt untergewichtet in Novartis und besitze keine einzige Swatch-Aktie - aus bekannten Gründen. Ich bin untergewichtet in SGS, weil dort die Verschuldung schlichtweg viel zu hoch ist. Das ist mir zu viel - insbesondere für eine Firma, die konstant über Akquisitionen wachsen muss. Zudem bin ich Belimo untergewichtet, weil die Aktie schlichtweg zu teuer ist. 

Gibt es auch Firmen, denen Sie einen erfolgreichen Turnaround in den nächsten Jahren zutrauen?

Als Erstes kommt mir SIG Group in den Sinn. Die Aktie ist momentan billig, aber sie muss sich aus dem Loch herausarbeiten. Viel schlimmer kann es eigentlich gar nicht mehr kommen. Bei Aryzta wiederum habe ich ebenfalls zugelangt, nach dem der Managementwechsel nicht so sang- und klanglos über die Bühne ging. Ich meinte, die Probleme beim Backwarenhersteller wären behebbar. Zudem sehe ich es nicht auf ewig gesetzt, dass man Kühne+Nagel zu den aktuellen Konditionen getradet werden. Auf mittlere Sicht ist die Aktie billig für eine Firma, die weiterhin ihr Geld verdient. Das ist eindeutig Qualität vorhanden, vor allem wenn man die solide Bilanz berücksichtigt. 

Patrick Hasler ist seit rund zwanzig Jahren bei der Migros Bank tätig, wo er die Schweizer Aktienfonds verantwortet. Er studierte Betriebswirtschaft in Innsbruck (Magisterabschluss) und absolvierte anschliessend den Master of Finance am University College Dublin. Ergänzt wurde seine Ausbildung durch das Diplom als Certified International Investment Analyst (AZEK/CIIA). Vor der Migros Bank durchlief Patrick Hasler Stationen bei der VP Bank in Vaduz und bei Lombard Odier.

Thomas Daniel Marti
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