Bernhard Heusler (geboren 1963 in Basel) war von 2012 bis 2017 Präsident des FC Basel. Die operative Leitung übernahm er bereits im Jahr 2009. Seither wurde der FCB achtmal hintereinander Schweizer Fussballmeister. Unter Heusler durchbrach erstmals auch ein Schweizer Klub die 100-Millionen-Franken-Marke beim Umsatz.
In diesem Jahr trat Heusler von seinem Präsidentenamt zurück und verkaufte seinen 44-Prozent-Anteil an der FC Basel Holding. Heusler begründete seinen Rücktritt damit, dass der FCB neue Reize und Akzente brauche. Der promovierte Jurist und Anwalt Heusler gründete im Oktober mit zwei Weggefährten aus FCB-Zeiten das Beratungsunternehmen HWH (Heusler Werthmüller Heitz).
cash: Herr Heusler, wie oft erinnern Sie sich noch an den 2. Juni?
Bernhard Heusler: (schmunzelt) Ich werde natürlich oft darauf angesprochen, und an die Tage damals erinnere ich mich sehr gerne. Es ist aber nicht so, dass ich mir die ganzen Szenen innerlich nochmals ablaufen lasse.
An jenem 2. Juni werden Sie im letzten Saisonspiel des FC Basel als langjähriger Präsident verabschiedet. Die harten Fans der Muttenzerkurve spazieren während der Partie plötzlich zu Hunderten auf das Feld und danken Ihnen. Danach sitzen Sie am Spielfeldrand und kämpfen mit den Tränen (zum SRF-Video). Was denken Sie heute, wenn Sie solche Bilder betrachten?
Das Interessante daran ist, dass man diese Szene heute als Person von aussen betrachtet. Als ob man sich in einem Film sähe. Damals kamen natürlich Emotionen hoch. Rührung. Auch Erinnerungen an Erlebtes mit Menschen, die auf dem Spielfeld standen und mit denen man jahrelang zu tun hatte. Das hat mich emotional sehr bewegt.
Wurden Sie auf ihre Emotionen angesprochen?
Nein. In diesem Moment kam es für die Leute nicht wahnsinnig überraschend, dass man Emotionen zeigt. Auf die Aktion der Fans wurde ich dagegen vor allem im Ausland häufig angesprochen.
Was haben Sie in den Wochen nach dem Rücktritt gemacht?
Im Juli, nach Übergabe meiner Amtsgeschäfte Ende Juni, ging ich ganz gezielt vier Wochen in die Ferien. Dermassen lange Ferien am Stück hatte ich seit meiner Schulzeit nicht mehr. Das war super, ich konnte Abstand nehmen. Meine Batterien waren ziemlich aufgeladen bei meiner Rückkehr.
Fielen Sie nie in ein Loch?
Eigentlich nicht. Aber Strelli (Marco Streller, ex-FCB-Spieler und heutiger Sportdirektor des Clubs, Anm. der Red.) hatte mir gesagt, dass die Wochenenden ohne Fussball schon speziell seien. Und ja, das fehlende Adrenalin habe ich schon gespürt…
..der fehlende Kick an den Wochenenden?
Genau. Ich stand jeweils 48 Stunden lang unter Strom und hatte an den Wochenenden privat keine Einladungen. Andererseits war es auch eine Befreiung und eine Öffnung des Horizontes: Dass es am Wochenende auch Sachen gibt, die wichtiger sind als Fussball. Ich hatte plötzlich Zeit, mit meinem Sohn Tennis zu spielen, ich hatte Zeit für Wanderungen.
Sie haben die Auftritte im Stadion und das Rampenlicht nicht gescheut. Fehlen Ihnen diese Auftritte nicht?
Das ist zum Teil eine völlige Fehlwahrnehmung meiner Rolle. Wir haben einen Club geführt mit 250 Mitarbeitenden, an den Heimspielen kommen 30‘000 Menschen ins Stadion, in der Schweiz identifizieren sich 600‘000 Leute mit dem FC Basel. Es war für mich klar: Wenn ich bei diesem Club Verantwortung übernehme, muss ich auch mein Gesicht zeigen. Meine Kollegen und ich haben überhaupt nie das Rampenlicht gesucht. Aber wir standen zur Verfügung, wenn man mit uns reden wollte. Das war ein Teil des Jobs. Ich vermisse die öffentlichen Auftritte und die vielen Telefonate nicht. Der Abschluss war schliesslich nicht aufgezwungen, sondern völlig frei gewählt. Dann musst Du Dich danach nicht beklagen, dass Du etwas vermisst. Im Gegenteil: Jeder Telefonanruf heute von Medienschaffenden, bei dem es um die aktuelle Lage des Clubs geht, bringt mich in eine unangenehme Situation.
Weshalb?
Ich finde, ein Ehemaliger sollte sich nicht zum aktuellen Geschehen äussern. Ich muss mich dann am Telefon jeweils herumdrucksen und sagen: 'Verstehen Sie bitte, dass ich nichts sagen will dazu.' Man ist dann ein wenig der Spielverderber.
Wie viele Male waren Sie an FCB- Heimspielen seit Ihrem Abtritt?
Vier bis fünf Spiele in der Meisterschaft und die drei Heimspiele in der Champions League.
Die Erwartungshaltung und der Druck im FCB-Umfeld sind immer hoch. War für Sie der Rücktritt auch eine Art Erleichterung, dass dieser Druck weg ist?
Das sicher. Je stärker man sich über die Jahre mit dem Ganzen identifiziert und je mehr man damit zum Teil ungerechtfertigt identifiziert wird, desto mehr verliert man die Freiheit, sich selber sein zu können. Man muss bei allen Schritten, bei allen Aussagen enorm aufpassen. Denn alles wird dem FCB eins-zu-eins zugerechnet. Man verliert also die Freiheit als Individuum. Ich sage dies, weil es einen persönlichen Hintergrund hat: Ich war ein wenig der Typ, der das Gefühl gehabt hat, er dürfe die Leute nicht enttäuschen.
Konnten Sie etwas Wichtiges lernen aus Ihrer Zeit als Präsident, den Sie als Tipp an Führungspersonen weitergeben können?
Wenn man im Team handelt und sich nicht komplett abkapselt, hat man viel mehr den Mut und die Kraft, Entscheide zu fällen, die nicht einen Vollzug der Erwartungshaltung darstellen. Das habe ich bei Personalentscheiden erfahren oder beim Entscheid meines Rücktrittes.
Viele sagten, Sie tauchten bald wieder im Fusballbusiness auf. Sie wurden zwischenzeitlich auch als neuer Geschäftsführer von Bayer Leverkusen gehandelt.
Wir haben in unserer neuen Firma HWH den Bereich Sport, den wir klar weiterentwickeln möchten. Wir wollen da weiter im Fussball aktiv sein. Ab Januar werden wir die neuen Büroräumlichkeiten beziehen. Dann wollen wir weitersehen.
Aber können Sie sich vorstellen, als Einzelperson wieder eine Führungsrolle in einem Profiverein einzunehmen?
(überlegt) Wir möchten uns auf der Basis von HWH im Sport betätigen. Ich schliesse eher aus, dass wir uns aus diesem Gefäss heraus anstellen lassen.
Sie sind Verwaltungsrat bei diversen Firmen, so beim börsenkotierten Einzelhandelsunternehmen Valora. Welches Ereignis oder welcher Trend hat Sie im 2017 am Schweizer Wirtschaftsgeschehen am meisten gefreut?
Erfreulich ist nach wie vor das Unternehmertum in der Schweiz. Dies auch in einer Zeit, in der sich extrem viel ändert, in der auch viele negative Aspekte gesehen werden. Ob Familienunternehmen oder Startups: Das Schweizer Unternehmertum lebt auf allen Stufen. Ich bin nicht jemand, der um den Wirtschaftsstandort Schweiz wahnsinnig besorgt ist, auch wenn sich das Banken- und Finanzwesen verändert hat. Wir haben in der Schweiz sehr viele fähige Leute. Das sollten wir uns erhalten.
Was hat sie am meisten geärgert?
Ich bin kein totaler Freund von übertriebener Amerikanisierung in Sachen Corporate Governance. Es braucht meiner Meinung nach immer noch eine gewisse unternehmerische Freiheit. Aber vielleicht ist das auch ein gesellschaftlicher Trend: Wir kontrollieren uns gegenseitig. Ich finde, wir sollten immer von einer gewissen Liberalität und Freiheit leben können.
Wie verbringen Sie die Festtage?
Weihnachten bis zu meinem Geburtstag am 27. Dezember verbringen wir immer zu Hause in Basel. Dann gehen wir in einer Gruppe von etwa 15 Personen nach Zermatt und feiern dort den Jahreswechsel.
Bisher erschienen in der cash-Interviewserie "Rücktritte 2017":