Cassiopea verfügt ausser einem wohltönenden Namen über eine nicht ganz alltägliche Führungsperson. Diana Harbort, die das Biotech-Unternehmen seit 2015 führt, widmet sich nebenbei dem Fitnesskult. Eine kurze Suche bei Google oder auf Twitter bringt reihenweise Fotos zum Vorschein, auf denen die ertüchtigungsbegeisterte Amerikanerin stolz ihren gestählten Körper präsentiert.

Harbort ist Bikini Competitor und nimmt an so genannten Muscle Contests teil. Die Freude am Kraftrainining entdeckte die heute 51-jährige zweifache Mutter nach eigenen Angaben vor zehn Jahren, als sie frisch geschieden war. Sie hat an vielen Wettkämpfen teilgenommen und in den Klassements auch schon weit vorne liegende Plätze erreicht.

Sie hält aber auch einen Master of Business Administration der Kellogg Graduate School und einen Bachelor of Business Administration der Universität von Wisconsin. Die kraftstrotzende Managerin übernahm die Führung des Dermatologieunternehmens Cassiopea, nachdem die Muttergesellschaft Cosmo dieses 2015 an die Börse gebracht hat. Das norditalienische, in der Schweiz kotierte Unternehmen Cosmo selber forscht bei Magen-Darm-Erkrankungen und lagerte die Hautmittelforschung unter dem Namen Cassiopea aus. Cosmo hält aber noch 53 Prozent am Spin-Off.

 

 

Das etwas abgedroschene Wort "Powerfrau" kommt bei einer CEO wie Diana Harbord natürlich in den Sinn. Interessant ist hingegen vor allem die Frage, ob die sich in Topform befindete Diana Harbort auch das Unternehmen zum Hochleistungsträger umformen kann. Körperpflege und kosmetisch eingesetzte Wirkstoffe passen insoferm zum Image der sportiven Firmenchefin.

Eine wachsende Zahl von Analysten, Fondsmanagern und Anlegern zeigt sich angetan vom Akne-Mittel Winlevi, das sich in der Zulassungsphase befindet und das Cassiopea sprudelnde Einnahmen bescheren soll. Der jüngste, enorme Kurssprung der Aktie vergangenen Monat erklärt sich mit diesem Mittel.

Im Juli legte Cassiopea zwei positive Phase-III-Studienergebnisse zu Winlevi vor, was das Image der Aktie stark verbessert hat. Vom Börsengang bis dahin hatte sich der Kurs nie über 43 Franken bewegt und war kurz vor den Winlevi-Nachrichten auf ein Mehrmonatstief bei 30 Franken gefallen. Aktuell kostet die Aktie 50,60 Franken, mit einem jüngst passierten Höchststand bei knapp 60 Franken. 

Der Kurs der Cassiopea-Aktie seit dem Börsengang Mitte 2015 (Chart: cash.ch)

Winlevi ist ein Antiandrogen, also eine hormonell wirkende Substanz, die direkt auf die Haut aufgetragen wird. Es wirkt einer zu starken Talgproduktion entgegen und weist anders als durch den Mund eingenommene Mittel stark limitierte hormonelle Nebenwirkungen auf. Damit könnte Cassiopea gegenüber der Konkurrenz im Vorteil sein. In den USA, wo 70 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren gegen Akne behandelt werden, winkt ein bedeutender Markt für dieses neuartige Produkt.

Cassiopea hat im Moment noch keine Medikamente oder Mittel auf dem Markt. Die übrigen drei Entwicklungen des Unternehmens gehören wie Winlevi in die Klasse der New Chemical Entities (NCE). Per defintionem sind dies Präparate mit Molekularteilen, die von der amerikanischen Zulassungsstelle FDA bisher in keiner anderen Anwendung bewilligt worden sind.

In der Pipeline befindet sich auch das Haarausfall-Mittel Breezula, das in der ersten Hälfte 2019 in die für die Zulassung wichtige Phase-III des Entwicklungssprozesses kommen soll. Dazu forscht Cassiopea an einem Antibiotikum gegen Akne (CB-06-01) und einem Wirkstoff gegen Genitalwarzen (CB-06-02). Diese beiden Mittel dürften eher gegen Ende 2019 wichtige Entwicklungsschritte nehmen.

Risikobereinigte Umsatzprognosen der Credit Suisse für Cassiopea (Grafik: Credit Suisse).

Aktuell richten sich die Hoffnungen klar auf Winlevi, das allein der Cassiopea-Aktie weitere Kurssteigerungen geben soll und wo die Credit Suisse, die Cassiopea zum Kauf empfiehlt, schon im Juni eine Durchsetzungschance von 60 Prozent sah. Das CS-Szenario sieht für Cassiopea bis 2030 laufend steigende Einnahmen mit den vier Wirkstoffen vor, wobei Winlevi aus heutiger Sicht den Löwenteil der Umsätze ausmachen wird. Das Aknemittel verleihe dem Unternehmen ein vorteilhaftes Risiko-Ertragsprofil.

Laut CS sind die Zulassungsrisiken für Akne-Mittel etwas geringer, weil solche Wirkstoffe von den Behörden eher auf den Markt gelassen werden als andere Biopharmaentwicklungen. Ein wichtiges Thema ist auch die Finanzierung. Um Winlevi erfolgreich zu etablieren und die übrigen drei Wirkstoffe in die entscheidende Phase III zu bringen, wird Cassiopea bis 2020 wohl weiteres frisches Kapital benötigen. Laut der CS sind 80 Millionen Euro notwendig, um Cassiopea zur Profitabilität zu bringen.

Lukrativer Massenmarkt

Die Muttergesellschaft Cosmo, die für mindestens einen Teil der Finanzierung aufkommen muss, verdient selber noch kein Geld und wird frühestens nächstes Jahr einen Gewinn ausweisen. Cassiopea-Aktionäre müssen mit Überraschungen rechnen, nicht nur bei der Finanzierung des Unternehmens, sondern auch bei den Zulassungen. Der Massenmarkt Kosmetik und Hautpflege bringt allerdings ein Vorteil.

Dazu kommt, dass die Entwicklungen der Cosmo-Tochter eine vergleichsweise hohe Zulassungschance haben. Das gibt der Cassiopea-Aktie die Aussicht auf steigende Cash-Flows und damit einen gefühlten Vorsprung auf andere Biotech-Titel wie Santhera oder auch jenen der Muttergesellschaft Cosmo. Anleger können also, im vollen Bewusstsein, dass Biotech immer besonders riskant und spekulativ ist, einen Kauf wagen und gar ein Langfrist-Investment ins Auge fassen.

Die Chance, dass die an Fitnessgeräten gestählte Diana Harbort Erfolgsprodukte ins Geschäft bringt - sie selbst hat Marketing-Erfahrung im Pharmageschäft - stehen jedenfalls relativ gut.