Die AHV reicht kaum zum Leben, selbst mit der Maximalrente von 2520 Franken wird man nur sehr schwer für Wohnen, Versicherungen, Essen und Telekommunikation aufkommen können. Auch die Summe aus AHV- und Pensionskassenrente erlaubt keine grosse Sprünge, es sei denn, man hat ein Leben lang gut verdient. Doch wer - beispielsweise aufgrund von Erwerbspausen - Vorsorgelücken hat, wird sich fragen: Was tun?
Ein Weg ist der AHV-Rentenaufschub. Dabei verzichtet man während einem bis maximal fünf Jahren auf die Altersrente - und erhält danach einen Zuschlag, der umso höher ist, je länger man den Rentenbezug hinauszögert. Für das folgende Beispiel wurde eine Person angenommen, die Anspruch auf die Maximalrente von 2520 pro Monat beziehungsweise 30'240 Franken im Jahr hat. Für tiefere als die höchstmögliche Rente sind die Zuschläge in Prozent gleich, in Franken sind sie freilich niedriger.
Aufschub | Zuschlag in % | Rente in CHF pro Jahr | Zuschlag in CHF pro Jahr |
---|---|---|---|
0 Jahre | 0 | 30'240 | 0 |
1 Jahr | 5,2 | 31'812 | 1572 |
2 Jahre | 10,8 | 33'506 | 3266 |
3 Jahre | 17,1 | 35'411 | 5171 |
4 Jahre | 24,0 | 37'498 | 7258 |
5 Jahre | 31,5 | 39'766 | 9526 |
Zuschläge zur AHV nach Dauer des Rentenbezugs.
Ein Aufschub um ein Jahr ergibt einen Zuschlag von 5,2 Prozent, das heisst von 1572 Franken pro Jahr respektive 131 Franken pro Monat. Wer die Rente um die maximal möglichen fünf Jahre hinauszögert, bekommt 31,5 Prozent mehr. Die Rente steigt dann von 30'240 auf 39'766 pro Jahr beziehungsweise von 2520 Franken auf 3314 Franken pro Monat.
Die Leistungen der ersten Säule können auch monatlich abgerufen werden, sodass man sich zum Beispiel für einen Aufschub um zwei Jahre und fünf Monate entscheiden kann. In diesem Fall liegt der Satz für den Zuschlag bei 12,3 Prozent, die Jahresrente steigt also von 30'240 auf 33'960 Franken. Pro Monat werden einem 310 Franken zusätzlich ausbezahlt. Und das ab dem Bezug ein Leben lang.
Die Chance auf eine besseren Rente wirkt lukrativ, zumindest auf den ersten Blick. Besonders die Aussicht auf eine um über 30 Prozent höhere Einkunft aus der ersten Säule klingt verlockend, besonders wenn Lücken in der persönlichen Vorsorge bestehen.
Bei genauerem Hinschauen kristallisieren sich jedoch einige Punkte heraus, die es vor dem Entscheid für oder gegen eine Rentenaufschub abzuwägen gilt - und die das zunächst positive Bild umkippen können. Naheliegend: Man muss sich den ein- bis fünfjährigen Verzicht leisten können. Das geht, wenn andere Geldquellen sprudeln, sei es Erspartes, sei es ein Erwerbseinkommen. Dann ist wiederum fraglich, ob das Aufschieben aus finanziellen Gründen sinnvoll und überhaupt notwendig ist.
Ein anderer Punkt: Die Lebenserwartung. Wer ein oder mehrere Jahre auf Einkünfte der ersten Säule verzichtet, will die erhöhte Rente dann wohl auskosten. Zwar weiss niemand genau, wie lange er oder sie lebt. Experten zufolge kann man aber wissen, ab welcher Lebensdauer sich ein Rentenaufschub lohnt. Es sind 85 Jahre. Wer so alt oder älter wird, erhält durch den Aufschub insgesamt mehr Geld als ohne.
Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht. Sie geht von einer Person aus, welche Anspruch auf die AHV-Maximalrente hat, und zeigt die Summe aller Renten bis zu den Altersjahren 83, 84, 85, 86 und 87.
Aufschub | Summe mit 83 (CHF) | Summe mit 84 (CHF) | Summe mit 85 (CHF) | Summe mit 86 (CHF) | Summe mit 87 (CHF) |
---|---|---|---|---|---|
0 Jahre | 574'560 | 604'800 | 635'040 | 665'280 | 695'520 |
1 Jahr | 572'616 | 604'428 | 636'240 | 668'052 | 699'864 |
2 Jahre | 569'602 | 603'108 | 636'614 | 670'120 | 703'626 |
3 Jahre | 566'576 | 601'987 | 637'398 | 672'809 | 708'220 |
4 Jahre | 562'470 | 599'968 | 637'466 | 674'964 | 712'462 |
5 Jahre | 556'724 | 596'490 | 636'256 | 676'022 | 715'788 |
Tabelle: Berechnung der Rentensummen, ohne Steuereffekte. Quelle: Pensexpert.
Die Schwelle, ab der die Summe der Renten nach einem Aufschub die Summe der Renten ohne Aufschub übersteigt, wird mit dem Alter 85 erreicht - und zwar unabhängig davon, um wie viele Jahre man die Bezüge hinauszögert. Die Einbussen wegen des vorübergehenden Verzichts werden durch die daraufhin erhöhte Rente stets im gleichen Alter aufgefangen. Es entspricht in etwa der Lebenserwartung, die das Bundesamt für Statistik für Frauen und Männer in der Schweiz angibt.
Auf einen Nenner gebracht: Für Personen, die davon ausgehen, dass sie 85 oder älter werden, ergibt der Aufschub Sinn. Liegt die persönliche Lebenserwartung tiefer, wird der Verzicht kaum sinnvoll sein. «Erfahrungsgemäss verzichten viele Leute genau aus diesem Grund auf einen Aufschub, frei nach dem Motto ‹Was man hat, das hat man›», sagt Andreas Lichtensteiger, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Vermögenspartner.
Die Spezialisten von Pensexpert empfehlen in den meisten Fällen den Aufschub der AHV-Rente «höchstens für den Zeitraum, in welchem die Erwerbstätigkeit fortgeführt wird», sagt Pius Baumgartner, Steuerexperte der in Luzern beheimateten Vorsorgeberatung. Ansonsten rate er vom Aufschub tendenziell ab. «Dies vor allen aus dem Grund, da nicht abgeschätzt werden kann, wie lange die Lebenserwartung ist.»
Steuern: Das Rechnen mit der Progression
Ob die Einkünfte aus der ersten Säule vertagt werden sollen oder nicht, hängt auch von den Steuern ab. Gerade wer nach dem ordentlichen Rentenalter weiterarbeitet und zusätzlich andere Einnahmen hat, gerät in die Progression des Steuersystems. Das ist ungünstig und kann durch den AHV-Aufschub gedämpft werden. Er ist also prüfenswert, wenn jemand über das Referenzalter hinaus einer Erwerbsarbeit nachgeht.
Allerdings: «Die Annahme, dass nach der Erwerbsaufgabe die Steuerprogression sinkt ist oftmals trügerisch», sagt Lichtensteiger. Zwar reduziere sich das Einkommen, dagegen fallen auch Abzüge weg, die man machen konnte, als man noch im Erwerbsleben war. «Die Unterschiede sind oftmals nicht sehr gross was die Attraktivität eines Aufschubs schmälert.»
Der Experte gibt ein Beispiel. Es geht von einem Grenzsteuersatz von 30 Prozent während des Aufschubs und von 20 Prozent nach dem Aufschub aus. Angenommen wird zudem die Maximalrente (2520 Franken) und ein Aufschub um vier Jahre, der einen jährlichen Zuschlag von 7258 Franken ergibt.
Während des Aufschubs | Beträge in CHF |
Summe aufgeschobene Renten | 120'960 |
Steuereffekte (Satz: 30 %) | 36'288 |
Verzicht nach Steuern | 84'672 |
Nach dem Aufschub | |
Zuschlag pro Jahr | 7258 |
Steuereffekt (Satz: 20 %) | 1452 |
Zuschlag pro Jahr nach Steuern | 5806 |
Tabelle: Steuereffekte eines Rentenaufschubs. Quelle: Vermögenspartner.
Durch die Steuern verringert sich einerseits der Einkommensverzicht, den man bei einem Aufschub in Kauf nimmt. Andererseits sind auch die Zuschläge, die man aufgrund des Verzichts erhält, steuerbereinigt tiefer.
Man kann nun fragen: Wie alt muss man werden, damit sich ein Aufschub um vier Jahre unter Einrechnung der Steuern lohnt? Gemäss Lichtensteiger: Mindestens 84 Jahre. Bis dann hat man während 15 Jahren einen Zuschlag von 5806 Franken erhalten, was im Total mehr ist als die 84'672 Franken, auf die man während vier Jahren verzichtet hat.
Das Alter, ab dem sich ein Aufschub finanziell lohnt, kann sich nach vorne verschieben, wie Beispiel der Vorsorgeberatung Pensexpert zeigt. Es geht von einem Mann aus, der alleinstehend und konfessionslos ist sowie in der Stadt Zürich lebt.
Mit 65 arbeitet er weiter, bezieht aber schon eine Rente aus der Pensionskasse, da diese eine Senkung des Umwandlungssatzes in Aussicht gestellt hat. Das Erwerbseinkommen von 80'000 Franken und die Einkünfte aus der zweiten Säule (40'000 Franken) ergeben ein steuerbares Einkommen von 120'000 Franken. Nach aktuellem Tarif bezahlt der Mann 21'900 Franken Steuern.
Bezieht er nun zusätzlich die AHV-Maximalrente, steigt sein steuerbares Einkommen auf 150'240 Franken. Die Steuerlast wächst um 9600 auf 31'500 Franken. Rund ein Drittel der AHV-Rente werde als Steuerabgabe sofort weggehen, erklärt Pius Baumgartner. Von der AHV-Maximalrente bleiben unter dem Strich also noch 20'640 Franken übrig.
Die Rechnung verändert sich, wenn der Mann den AHV-Rentenbezug vertagt. Tritt er mit 68 aus dem Erwerbsleben, so hat er ein Einkommen von 75'411 Franken - 40'000 Franken aus der Pensionskasse plus 35'411 Franken als um den Zuschlag erhöhte Leistung der AHV. Die Steuerlast fällt auf 9'800 Franken. Lediglich rund 13 Prozent der AHV-Rente gehen laut Pensexpert als Steuerabgabe sofort weg - von der AHV bleiben unter dem Strich 30'811 Franken.
Zusammengenommen ergibt sich das Folgende:
Aufschub | Summe mit 79 (CHF) | Summe mit 80 (CHF) | Summe mit 81 (CHF) | Summe mit 82 (CHF) | Summe mit 83 (CHF) | Summe mit 84 (CHF) |
---|---|---|---|---|---|---|
0 Jahre / AHV nach Steuern: 20'640 Franken | 379'200 | 405'640 | 432'080 | 458'520 | 484'960 | 511'400 |
3 Jahr / AHV nach Steuern: 30'811 Franken | 369'732 | 400'543 | 431'354 | 462'165 | 492'976 | 523'787 |
Tabelle: Steuereffekte eines Rentenaufschubs. Quelle: Pensexpert.
Die Schwelle, ab der das - steuerbereinigte - Rententotal nach einem Aufschub das Rententotal ohne Aufschub übersteigt, verschiebt sich nach vorne - auf das Alter 82.
Entsprechend könne sich ein Aufschub lohnen, sofern nach Erreichen des Referenzalters weitergearbeitet und bereits eine Pensionskassenrente bezogen werde, sagt Baumgartner. «Aber Herr X muss immer noch mindestens 82-jährig werden, dass sich der Aufschub für ihn lohnt.»
Andere Renten werden auch verschoben
Neben den Überlegungen zur Lebenserwartung und zu den Steuern, greifen bei einem AHV-Aufschub Regeln zu anderen Renten. Aufgeschoben werden auch die Kinderrenten. Zudem werden während der Vertagung keine Witwen-, Witwer- oder Invalidenrenten ausgerichtet.
Für Verheiratete gilt: Wenn ein Ehepartner die Altersrente verschiebt und der andere Partner ebenfalls in den Ruhestand tritt, muss mit einer Neuberechnung und Plafonierung der Leistungen gerechnet werden.
Auf die Bezüge aus der zweiten und dritten Säule hat der Aufschub der AHV-Rente hingegen keine Auswirkungen.
4 Kommentare
Wirklich interessanter Artikel...
Zusätzlich spielt auch die Teuerung eine Rolle, da die AHV teuerungsangepasst wird (plus 13. AHV-Rente), die Rente aus der Pensionskasse jedoch nicht.
Mathematisch lässt sich alles so schön berechnen. Nicht aber die persönliche Lebenserwartung.
Habe gerade die 1. Rente nach 5 Jahren Aufschub erhalten. Jedoch, die berechnung ist ziemlich schlaumeierisch, aber am ende des Tages nachvollziehbar. Begonnen hat es im 2019 mit der maximalen Rente. Heute, nach dem bescheid sind es nur noch 3’299.—denn, wird ab beginn und dann noch jedes Jahr gerechnet. So kommt man auf diese Zahl. Schöne Grüsse