Ob Kursrallye, Rekordhoch oder Crash: Dem Bitcoin sind die Schlagzeilen in den Finanznachrichten gewiss. So auch am Montag, als die wertvollste Kryptowährung der Welt zwischenzeitlich ein neues Allzeithoch von 123’200 Dollar knackte. Seit Jahresbeginn hat der Wert damit um mehr als 30 Prozent zugelegt, in zehn Jahren sogar um 42’000 Prozent.
Seit dem neuen Hoch befindet sich der Bitcoin wieder auf dem Rückzug, eine Konsolidierungsphase zeichnet sich ab. Derzeit notiert der Kurs fast fünf Prozent tiefer als zum Schlusskurs vom Vortag, nämlich bei noch gut 116’600 Dollar.
Ist die Euphorie über weitere Kursgewinne also bereits wieder vorbei? Die Antwort ist vielschichtig. So eindrücklich der jüngste Anstieg auch ist - der Höhenflug des Bitcoins ist nicht ohne Risiken. Es gibt eine Reihe von Warnsignalen.
Politischer Rückenwind, «Whales» und Liquidationen
Ein zentrales Risiko bleibt die regulatorische Lage. Zwar gibt es aktuell politischen Rückenwind aus den USA: Die Regierung unter US-Präsident Donald Trump ist kryptofreundlich und hat die laufende Woche zur «Crypto Week» erklärt. In diesem Rahmen plant der Kongress die Verabschiedung von drei zentralen Gesetzen, die die Vereinigten Staaten unter Trump zur globalen Krypto-Hochburg machen sollen. Doch wie lange dieser Pro-Krypto-Kurs tatsächlich Bestand hat, bleibt ungewiss – insbesondere mit Blick auf die Zeit nach den anstehenden Zwischenwahlen im kommenden Jahr.
Die Kapitalzuflüsse in Bitcoin-ETFs sind deutlich angestiegen. Laut Adrian Fritz, Research-Leiter bei 21shares, verzeichneten Bitcoin-ETFs vergangene Woche «einen der besten Zuflüsse ihrer Geschichte». Parallel dazu kann die älteste Kryptowährung der Welt ihr Vertrauen am Markt weiter festigen.
Laut 21shares bauen Unternehmen ihre Bilanzpositionen auf Bitcoins kontinuierlich aus. So positiv die Entwicklung grundsätzlich sei, nicht alle Firmen würden über dieselbe Kapitalstärke, Strategie oder Governance verfügen. «Sollte der Bitcoin-Preis stark fallen oder in eine längere Konsolidierungsphase eintreten, könnten einige dieser Unternehmen unter Druck geraten, ihre Positionen zu liquidieren – was im Extremfall eine Abwärtsspirale auslösen könnte», sagt Fritz.
Auch international könnten neue Regulierungen, etwa strengere Vorgaben für Krypto-Börsen, steuerliche Einschränkungen oder Handelsverbote in Ländern wie China, Indien oder der Türkei, den Bitcoin ausbremsen. Schon kleinere Eingriffe von Regierungen können das Vertrauen institutioneller Investoren empfindlich treffen.
Hinzu kommen klassische Marktrisiken: Nach derart steilen Kursanstiegen sind technische Korrekturen nicht ungewöhnlich. Viele Investoren dürften Kursgewinne realisieren wollen – was zu Abverkäufen und erhöhter Volatilität führen kann. Ebenso könnten Anleger erneut versucht sein, mit Short-Positionen ihr Glück auf sinkenden Bitcoin-Kurse zu versuchen.
Auch ein plötzliches Umschwenken der Geldpolitik, etwa eine Zinswende oder ein Liquiditätsengpass an den Märkten, könnte die Risikobereitschaft, in Bitcoins zu investieren, drücken. Zusätzlich sorgt die hohe Marktkonzentration für Unsicherheit: Grosse Bitcoin-Inhaber, sogenannte «Whales», halten einen beträchtlichen Teil aller verfügbaren Coins. Wenn einzelne dieser Akteure sich entscheiden, ihre Positionen ganz oder teilweise aufzulösen, kann das starke Kursbewegungen nach unten auslösen.
Ein weiteres strukturelles Risiko bleibt die ausgeprägte Volatilität. Kaum ein anderes Asset dieser Grössenordnung schwankt im Kurs so stark wie der Bitcoin - Tagesbewegungen von mehreren Prozentpunkten sind keine Seltenheit. Für spekulative Anleger mag das attraktiv sein, für viele institutionelle Investoren aber stellt diese Unberechenbarkeit ein Hindernis dar. In Phasen starker Kursschwankungen können gehebelte Positionen liquidiert werden, was automatische Abverkäufe auslöst und die Abwärtsdynamik zusätzlich verstärkt.
Trotz Risiken: Experten bleiben zuversichtlich
Trotz der genannten Risiken überwiegt am Markt derzeit die Zuversicht, dass der Bitcoinkurs weiter steigt. Vor allem die anhaltend starke Nachfrage institutioneller Investoren, die zunehmende politische Offenheit gegenüber Kryptowährungen sowie die strukturelle Angebotsknappheit gelten als wesentliche Treiber.
«Es lässt sich nur schwer einschätzen, denn nach über sechs Monaten Seitwärtsbewegung oberhalb der 100’000-Dollar-Marke hat der Bitcoin endlich den Ausbruch nach oben geschafft», sagt Adrian Fritz von 21shares. «Wir befinden uns nun in unkartiertem Terrain. Bitcoin ist aktuell in der sogenannten Price Discovery Phase – der Markt sucht nach einem neuen Gleichgewichtspreis. Wo sich dieser etablieren wird, bleibt abzuwarten.»
Fritz hält dennoch an einer positiven Einschätzung fest: «Unser Haus-Preisziel für Bitcoin liegt bei 138’500 US-Dollar – diese Prognose haben wir zu Jahresbeginn veröffentlicht. Angesichts der aktuellen Marktdynamik halten wir aber auch deutlich höhere Preise für möglich. Das Interesse institutioneller Anleger, die weiterhin massiv über ETFs und ETPs investieren, bleibt hoch – und das trotz des noch restriktiven Zinsumfelds.»
Auch Leon Curti, Research-Chef der Asset-Management- und Beratungsgesellschaft Digital Asset Solutions, bleibt optimistisch. «Viele der zu Jahresbeginn erwarteten Entwicklungen spiegeln sich inzwischen im Markt wider. Wir halten an unserer Einschätzung fest: Die Gesamtmarktkapitalisierung des Kryptosektors dürfte in den kommenden sechs bis acht Monaten zehn Billionen US-Dollar erreichen.»
Für Anleger bleibt Bitcoin damit ein volatiles Anlageinstrument – mit entsprechend hohen Chancen und Risiken. Wer investiert, sollte neben der langfristigen Vision auch die kurzfristige Volatilität und politische Unsicherheiten im Blick behalten.