Während Ökonomen und Zentralbanker die Vor- und Nachteile für die Volkswirtschaft abwägen, stehen Derivate-Händler vor einem ganz fundamentalen Problem bei der täglichen Arbeit: Wie preist man angesichts negativer Zinsen die Risiken ein, die das Billionen Dollar schwere Universum von Zins-Swaps und anderen Finanzderivaten birgt?

Mit Zinsen unter Null haben die verschiedenen Varianten des Black-Scholes-Modells nach vier Jahrzehnten ausgedient. Stattdessen kommt nun eine Vielzahl von Annäherungen und Problemumgehungen zum Einsatz, darunter eine aus dem 19. Jahrhundert.

“Ich war ziemlich überrascht, dass US-Kunden auf mich zu kamen mit der Frage: Was bewirken Negativzinsen? Wie lässt sich das rechnen?”, sagte Sphia Salim, eine in London ansässige Zinsstrategin bei der Bank of America.

Am offensichtlichsten sind die Probleme am Markt für Zinsswaps. Hier wurden bislang hauptsächlich das Modell Black 76 und seine Varianten genutzt, die allesamt auf der Berechnung von Logarithmen basieren. Logarithmen negativer Zahlen sind jedoch nicht definiert oder bedeutungslos.

«Theorie der Spekulation» als Alternative

Eine der Alternativen, die nun vermehrt eingesetzt werden, ist ein Modell des französischen Mathematikers Louis Bachelier. Seine im Jahr 1900 vorgestellte “Theorie der Spekulation” liefert ein Rechenmodell, das mathematisch nicht nur die Brownsche Molekularbewegung beschreiben kann - sondern auch Preisschwankungen am Finanzmarkt.

Der Vorteil des Modells liegt auf der Hand: Es funktioniert mit negativen Zahlen, wie Simone Ligato von Banco Di Credito P. Azzoaglio SpA ausführt. Genaue Wertvergleiche werden damit allerdings erschwert, was Gespräche mit Kunden nicht leichter macht.

“Wenn die Marktpreis-Bewertung sinkt, müssen wir das den Kunden mitteilen”, erklärte Ligato. “Man kann sich die Reaktion vorstellen, wenn man ihnen erklärt, es liege nur am Modell.”

(Bloomberg)