Blue-Chip-Unternehmen nehmen wieder vermehrt Fremdkapital auf, während die Zentralbanken die Volkswirtschaften weltweit mit Geld fluten. Die Verbindlichkeiten haben im Verhältnis zum Einkommen den höchsten Stand seit 2009 erreicht, ergab eine von Morgan Stanley durchgeführte Analyse der Daten für das zweite Quartal. Die Zahl der Unternehmen, die im September bis Donnerstag letzter Woche Anleihen mit Investment-Grade-Rating an den Markt gebracht haben, ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 63 Prozent gestiegen.

So sollte es eigentlich nicht sein. Letztes Jahr und Anfang 2019 hatten Unternehmen von Verizon Communications bis Tupperware Brands einen Abbau ihrer Schulden angekündigt. Unternehmen standen sowohl von Aktien- als auch von Anleihe-Investoren unter Druck, die sich Sorgen um die Verbindlichkeiten der Schuldner machten. Rund 40 Prozent der Investment-Grade-Unternehmen haben laut Morgan Stanley nun Verbindlichkeiten, die eher einem Junk-Rating entsprechen.

Bei vielen Unternehmen steigen die Schuldenniveaus allmählich an, entweder freiwillig oder unfreiwillig. Die Umsätze stehen unter Druck, und Geld ist leicht zu beschaffen. Das verleitet Unternehmen dazu, Kapital aufzunehmen, um Aktienrückkäufe und andere Massnahmen zu finanzieren, die die Ertragskennzahlen verbessern können.

Schuldenlast könnte zum Problem werden

Die daraus resultierenden höhere Schuldenlast könnten es den Unternehmen erschweren, sich auf einen möglichen Abschwung einzustellen. Sie haben möglicherweise weniger Bargeld, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen, und die Refinanzierung fällig werdender Anleihen könnte schwieriger und teurer sein.

“Man würde erwarten, dass die Unternehmen bei Anzeichen einer Konjunkturabkühlung beginnen, sich auf die voraussichtlichen Auswirkungen auf ihre Umsätze einzustellen”, sagte Jim Schaeffer, stellvertretender Chief Investment Officer bei Aegon Asset Management in Chicago. “Stattdessen schauen sie sich die unglaublich günstigen Fremdkapitalkosten an und nutzen diese, um die Erträge für die Aktionäre zu steigern.”

Noch bevor die Federal Reserve im Juli mit der Senkung der Leitzinsen begann, wuchsen die Schuldenstände. Das Verhältnis einer wichtigen Einkommensgrösse zum Nettoverschuldungsniveau stieg nach Angaben von Morgan Stanley zum Ende des zweiten Quartals auf das 1,9-fache, ein Rekordhoch. Im gleichen Quartal des vergangenen Jahres lag der Wert näher an 1,76. Auf diese Quote drückten sinkende Gewinne und steigende Schuldenlasten sowie niedrigere Liquiditätsniveaus, schrieben Strategen von Morgan Stanley um Vishwas Patkar in der vergangenen Woche.

Tieferes Rating 

Die sinkenden Werte für das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, eine wichitge Einkommensgrösse, beeinträchtigen auch die Fähigkeit der Unternehmen, Zinsen auf ihre Ausleihungen zu zahlen. Das Verhältnis von Ebitda zum Zinsaufwand der Unternehmen, die so genannte Debt-Service-Coverage-Ratio, ist laut Morgan Stanley auf das 10,14-fache gesunken, den niedrigsten Stand seit 2010.

Das zunehmende Fremdkapitalniveau zeigt sich in den Ergebnissen der einzelnen Unternehmen. Die Gesamtverschuldung von Tupperware stieg von 889 Millionen Dollar Ende 2018 auf über 1 Milliarde Dollar, während Umsatz und Gewinn sanken. Diese Veränderung reichte für S&P Global Ratings aus, um die Bonitätsnote für das Unternehmen im August von “BBB-”, dem niedrigsten Investment-Grade-Rating, auf Junk zu senken.

Tupperwares mangelndes Umsatzwachstum und eine Finanzentwicklung, die die Erwartungen der Führungskräfte nicht erfüllt, verlangsamen das Tempo, mit dem das Unternehmen sein Ziel für die Verschuldung zum Ebitda erreichen wird, sagte Jane Garrard, Vizepräsidentin für Investor Relations bei dem in Orlando, Florida, ansässigen Unternehmen.

Gewisse Erfolge

Einige Unternehmen haben es geschafft, ihre Schuldenlast zu senken. Verizon verzeichnete zum Ende des zweiten Quartals eine Gesamtverschuldung von 134,8 Milliarden Dollar, nach 135,6 Milliarden Dollar im ersten Quartal. Die Verbindlichkeiten sind in diesem Zeitraum auch gegenüber dem Ebitda gesunken, wie aus von Bloomberg zusammengestellten Daten hervorgeht. Kraft Heinz Co. hat die Gesamtverschuldung per Ende Juni auf 31,8 Milliarden Dollar gesenkt, verglichen mit 34,2 Milliarden Dollar im entsprechenden Vorjahreszeitraum.

Die Renditejagd der Anleger ermöglicht Investment-Grade-Unternehmen, so viele Anleihen zu begeben. Der September war einer der geschäftigsten Monate, in denen Unternehmen für mehr als 150 Milliarden Dollar bonitätsstarke Anleihen an den Markt gebracht haben. Für mit Junk eingestufte Unternehmen sieht es in vielen Fällen anders aus, da die riskantesten der Riskanten bei der Fremdkapitalbeschaffung Mühe haben.

Jahrzehnt der Verschuldung

Insgesamt hat die Verschuldung der Blue-Chip-Unternehmen in den letzten zehn Jahren grösstenteils zugenommen, da sie Akquisitionen finanzieren, Aktien zurückgekauft und andere Massnahmen ergriffen haben, um das Ergebnis je Aktie zu steigern. Der Gesamtwert von US-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating liegt bei rund 5,8 Billionen Dollar, ein Rekord und mehr als das Dreifache des Niveaus vom Oktober 2008. Die Unternehmen hoffen, dass sie einen Teil dieser Schulden zurückzahlen können, wenn die Gewinne hereinströmen.

Die Verschuldungsniveaus der Unternehmen dürften kein grosses Problem für Unternehmensanleihen sein, sagte Dominique Toublan, Leiter US-Kreditstrategie bei BNP Paribas. Die Emittenten am unteren Ende des Investment-Grade-Spektrums, die im “BBB”-Bereich eingestuft sind, haben nicht viel Spielraum, Kapital aufzunehmen, so dass die Verschuldung nur in dem Masse steigen kann.

„Wir haben nicht das Gefühl, dass es grossen Gegenwind für den Markt gibt. Es ist eher so, als würde der Rückenwind nachlassen und das ist okay “, sagte Toublan.

(Bloomberg)