Tech ist an einem gefährlichen Punkt einer hypersensiblen Fieberkurve angekommen. So etwa könnte man es sehen, nachdem man sich einige der zuletzt zum US-Aktienmarkt erstellten Analysen zu Gemüte geführt hat. Tech-Aktien sind das Thema des Sommers gewesen, weil sie einerseits der massgebliche Treiber hinter der Erholung des Marktes waren, andererseits, weil ihr Höhenflug die Gefahr eines bösen Absturzes vergrössert hat.

Die Korrektur, oder eher, etwas grössere Kursrücksetzer an der US-Techbörse Nasdaq haben warnende Stimmen (scheinbar) bestätigt. Wirklich empfindlich zurückgefallen ist der Markt aber auch nicht. Auch wenn es in den letzten Monaten und Wochen eindeutig Übertreibungen gegeben hat: Fundamental ist die Beliebtheit von Tech-Aktien nicht unbegründet. 

Das meiste, was an der Börse unter den Überbegriffen IT, Software, Cloud, Onlinehandel, Halbleiter oder Zukunftstechnologien läuft, wird von Veränderungen im Alltag profitieren. Auch die wichtigsten Schweizer Tech-Aktien sind Gewinner der Digitalisierung. Nicht bei allen ist die Ausgangslage heute gleich. Im Detail stellt es sich wie folgt dar:

Temenos - Etwas bremst den Bankenzulieferer

Um es gleich vorneweg zu nehmen: Eine Kursrakete wird Temenos in den nächsten Wochen und Monaten nicht werden. Der Bankensoftwarehersteller hat ein Kostenproblem, das dieser aus Sicht mancher Analysten auch nicht so schnell in den Griff bekommen wird. Es wird darüber hinaus debattiert, ob die Wachstumschwäche des Unternehmens mehr als nur mit der Coronaviruskrise zu tun habe. Fragezeichen gibt es wegen der Fähigkeit, soliden Cash-Flow zu erzeugen.

Vom Allzeithoch bei 183 vom Mai 2019 ist Temenos mit einem Kurs von jetzt 142 Franken weit weg. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 43 ist die Aktie trotzdem nicht billig. Zusammengefasst ist die weitverbreitete Kritik an Temenos daran abzulesen, dass Bloomberg derzeit mehr "Sells" als "Buys" zählt.

Wer an Temenos festhält, hat ein bisschen die Aura des "Contrarian". Mann muss also Grundlegendes suchen, um eine positive Kursprognose zu begründen. Nun, die Marktstellung von Temenos ist immer noch stark. Die wichtigsten Konkurrenten des Unternehmens sind die Softwareabteilungen der Banken selbst. Das Angebot ist breit, und mit offenen Schnittstellen bestehen wenig Hürden beim Einsatz der Software. Dennoch dürfte die Temenos-Aktie in nächster Zeit eher mit angezogener Handbremse laufen. 

Logitech - Auch bei hohen Kursen noch interessant

Nasdaq oder Logitech? Die Kursverläufe des Schweizer Parade-Techunternehmens und jener des Wall-Street-Techindex’ sind sich zum Verwechseln ähnlich: Jahrelanger Anstieg, ein Einbruch in der zweiten Jahreshälfte 2018, neuer Schub, ein erneuter Einbruch wegen der Coronakrise, dann ein Kurs, der heute deutlich höher steht als im Februar.

Der Kurs von Logitech (grün) verläuft ähnlich wie bei anderen Tech-Aktien, hier repräsentiert durch den Nasdaq (rot). (12-Monate-Chart, Quelle: cash.ch).

Und: Auch Logitech hat in den vergangenen Tagen (etwas) korrigiert, wie viele der grossen US-Techwerte. Anfang des Monats fiel der Kurs von 68,80 auf 62,70 Franken, hat sich aber schon wieder auf 66 Franken erholt.

Logitech wird als Qualitätstitel weiter Geld anziehen, weil die strukturellen Trends stimmen. Als grosse Treiber werden im Moment das Home Office und der Fernunterricht der Schulen gesehen, aber auch die schnell wachsende Freizeitbeschäftigung E-Sports. Ein Einbruch der Nachfrage nach Webcams, Peripheriegeräten für Tablets und Desktops, Zubehör für Gaming-Computer oder Videokonferenzeinrichtungen ist schlicht nicht auszumachen. Nicht zu vergessen ist, dass Logitech Produkte herstellt, die relativ schnell ersetzt werden.

 

 

SoftwareOne - Ein gut durchdachtes Geschäftsmodell

SoftwareOne hat seit dem Initial Public Offering (IPO) im vergangenen Oktober einen guten Lauf. Der Ausgabepreis hatte bei 18 Franken gelegen, danach gewann die Aktie schnell Vertrauen am Markt. Zwar stürzte der Kurs dann im Corona-März auf bis zu 13 Franken ab, ist danach aber auf bis zu 28,65 Franken angestiegen. Das ist etwas mehr als beim Beginn der Krise. Und tech-typisch ist der Kurs auch nach Anfang September etwas zurückgefallen. Der Kurs kann aber sehr wohl nicht nur den Vor-Krisen-Stand übertreffen, sondern weiter noch gut ansteigen.  

Der SIX-Neuzugang vom vergangenen Jahr vertreibt Software- und Cloud-Systemen und assistiert Unternemen bei der Verwaltung von Softwarelizenzen und Verträgen. Etwa die Hälfte des Umsatzes holt SoftwareOne mit Microsoft-Produkten herein. Daneben besteht ein Softwareberatungsgeschäft für Firmenkunden.

SoftwareOne steigert sich im ersten Halbjahr - Ausblick bleibt positiv

Die am (gestrigen) Mittwoch vorgestellten Halbjahreszahlen brachten der Aktie einen merklichen Kursrücksetzer. Die Zahlen fielen ansprechend aus, machten aber auch deutlich, dass viele kleine und mittelgrosse Kunden ihre Investitionen wegen der Krise aufschieben. Mittelfristig ist SoftwareOne in einer guten Position: Die grössten Stärken sind das flexible Geschäftsmodell, eine breite Kundenbasis und die Eigenschaft, eindrücklich Cash-Flows zu steigern. Zudem hat SoftwareOne die so genannte "End-to-End-Fähigkeit", kann also die ganze Anwendungskette anbieten.

AMS - Mal wieder eine Chance geben?

Der Mehrjahres-Chart von AMS ist etwas von ernüchterndsten, was die Schweizer Börse zu bieten hat. Ernüchternd auch deswegen, weil der österreichischen Sensorspezialisten so viel Zukunftsträchtigkeit zugetraut worden war. Im März 2018 hatte die Aktie fast 82 Franken gekostet. Zwei Jahre später waren es, auf dem Tiefpunkt der Märke wegen der Pandemie, 7,80 Franken. Seitdem hat sich der Kurs immerhin auf 18 Franken etwas mehr als verdoppelt.

Es scheint, als hätten die Märkte ihre Sorgen wegen der teuren und potentiell konfliktträchtigen Integration von Osram etwas zur Seite gelegt. Für optische Sensoren, die AMS integriert anbieten kann, ergibt die Osram-Übernahme Sinn. Für AMS ein potenziell gutes Geschäft ist der immer noch stärkere Einbau von Sensoren in Smartphones, die neuen Produkte von Grosskunde Apple oder die wieder anziehende Produktion von Autos. Auch diese sind ein dankbares und wachsendes Einsatzgebiet für High-Tech-"Fühler", wie AMS sie entwickelt.

Analysten empfehlen die Aktie fast durchs Band hindurch zum Kauf. Die Bewertung ist relativ günstig, vor allem dann, wenn man von positiven Synergien der Osram-Übernahme ausgeht. AMS-Aktionäre haben in den vergangenen Jahren mit der volatilen Aktie und der zum Teil turbulenten Firmenpolitik viel mitgemacht. Dennoch ist es eine gute Zeit, AMS einmal wieder eine Chance zu geben.