Während der Swiss Performance Index (SPI) seit Jahresbeginn 7 Prozent im Minus ist, liegen die Aktienkurse der grossen Schweizer Versicherungen zwischen 22 und 39 Prozent tiefer. Als defensive Bollwerke hätten die Versicherer dem Börsensturm besser standhalten sollen - so könnte man meinen. 

Denn die Corona-Epidemie gilt nicht als physisches Ereignis. Unterbrüche in den Lieferketten und abgesagte Veranstaltungen sind oftmals nicht versichert. Und auch das Lebensversicherungsgeschäft ist nicht stark betroffen. Einzig für das Kreditversicherungsgeschäft sind Schadenzahlungen zu einem späteren Zeitpunkt zu erwarten. Schwerer wiegen die Folgen der erneuten Zinsenkungen sowie in der Nichtlebensversicherung die Rezession.

Der entscheidende Grund für den Kurseinbruch liegt allerdings im Anlagebereich. Bei den für Versicherer wichtigen Anleihen hat der Riskozuschlag im März zugenommen - und die Bewertung der Obligationen fiel damit. Dazu schätzt Morgan Stanley, dass allein US-Anleihen im Wert von 500 Milliarden bis zu einer Billion Dollar unter ein anlagewürdiges Rating fallen könnten: Für die Versicherer ist dies ein ernstzunehmendes Problem. 

Im einzelnen sehen Situation und die Aussichten der Versicherer wie folgt aus: 

Swiss Re - Es ist wieder der Wurm drin

Der Kurs der Swiss Re hat sich in der Coronakrise von 117 Franken Mitte Februar auf 52,70 Franken Mitte März mehr als halbiert. Die Erholung auf heute 66 Franken ist nur moderat ausgefallen, auch wenn hier der April-Dividendenknick der guten Dividendenzahlerin noch eine Rolle spielt.

Im europäischen Versicherungsindex von Bloomberg belegt die Swiss-Re-Aktie bei der Jahresperformance den fünftletzten Platz (siehe Grafik unten). Ein vertrauter Ort: Bis zum Aktienboom 2019 hatte die Swiss Re Branchennachbarn an der Börse häufig hinterhergehinkt.

Die Swiss Re ist stark gegenüber Grossschäden exponiert und wird beispielsweise für gewisse Kosten der Verschiebung der Olympiade in Tokio aufkommen müssen. Ihr hohes Engagement im amerikanischen und britischen Anleihenmarkt ist in der jetzigen Krise ein Risiko. Ein Aktienrückkaufprogamm ist verschoben worden, die üppige Dividende (derzeitige Rendite: 9 Prozent) könnte in Gefahr kommen. Der Kursverlauf der Swiss Re ist klar gebremst. 

Zurich - Dividendenbefürchtungen könnten übertrieben sein

Auch Zurich hat den Börsenwert im Coronacrash fast halbiert: Von 440 Franken brach der Kurs auf 249 Franken ein. Derzeit beläuft sich der Kurs auf knapp 300 Franken. Der grösste Schweizer Versicherungskonzern ist am stärksten im umkämpften Schaden- als im Lebensversicherungsgeschäft tätig. Befürchtet wird, dass dieses auf die eine oder andere Weise mit der Konjunkturentwicklung korrelieren wird, zumal die Zurich über die Farmers-Genossenschaft im US-Markt exponiert ist.

Auch die Aussicht auf eine noch länger anhaltende Tiefzinsphase belastet die Zurich. Dennoch hat sich der Konzern in den vergangenen Jahren als widerstandfähig erwiesen. Befürchtungen in Sachen Dividendenkürzung (heutige Rendite: 6,9 Prozent) sind zwar berechtigt – das Management hat aber früher schon gezeigt, dass es eine hohe Ausschüttung als zentral erachtet. Im direkten Vergleich zu Swiss Re ist Zurich das erfolgversprechendere Investment.

Bâloise - Solide, aber es fehlt ein erkennbarer Kurstreiber

Im Bloomberg-Branchenindex belegt die Bâloise Group bei der Jahresperformance Platz 8 von 31 europäischen Versicherern und Rückversicherern. Vom Kurssturz im März hat sich die Aktie immerhin um etwa die Hälfte erholt. Dies bringt aber den Verdacht mit sich, dass einiges an positiven Aspekten der Bâloise schon eingepreist sind.

Die Gruppe ist vor allem in gesättigten, europäischen Märkten tätig. Dies ist durchaus solide, was bedeutet, dass die Bâloise einen starken Stabilitätsanker besitzt. Andererseits fehlt ein klar erkennbarer Kurstreiber. Starke Kurssteigerungen werden wohl noch eine Weile auf sich warten lassen.

In den Top Ten des europäischen Bloomberg-Versicherungsindex' in diesem Jahr rangiert die Bâloise, in den Flop Ten die Swiss Re (Grafik: Bloomberg).

Swiss Life - Qualität fällt nicht so schnell zurück

Nach 2012 stieg der Kurs der Lebensversicherers und Vorsorgedienstleisters von einem Niveau bei 100 Franken auf über 500 Franken im vergangenen Februar an. Getrieben wurde der Kurs durch die Ausrichtung des Geschäfts auf profitablere Leben-Produkte, eine Verschlankung des Konzerns und zuletzt auch eine steigende Dividende. Diese positiven Faktoren prägen Swiss Life weiter.

Nach der März-Kurshalbierung hat sich die Aktie dennoch nur moderat erholt. Befürchtet werden wegen der Rezession Einbussen im Pensionskassengeschäft. Für die grösste Immobilienbesitzerin im Land lauern noch andere Risken: Falls die politischen Forderungen nach Mietreduktionen durchkommen, drohen tiefere Einnahmen. Eine anhaltend schlechte Wirtschaftslage kann zu Bewertungsverlusten bei den Immobilien führen.

Insgesamt bleibt die Aktie aber ein interessantes Investment. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9 ist die Aktie günstig bewertet, ausserdem dürften Lebensversicherungen die Krise insgesamt besser überstehen als das Sachgeschäft.

Helvetia - Südeuropa ist ein Klotz am Bein

Die Erholung nach dem Coronaabsturz bei der Helvetia hat sich bisher als schwach erweiesen. Von 148 Franken rauschte der Kurs innert vier Handelswochen auf 66 Franken. Bei jetzt 84 Franken hat der Kurs noch nicht mal ein Drittel des Verlustes wieder wettgemacht.

Der europäisch ausgerichtete Konzern zieht wegen seiner grossen Engagements in Spanien und Italien das Misstrauen der Anleger auf sich: Das sind nicht nur zwei der mit am schwersten vom Coronavirus ins Elend gezogenen Länder: In den zwei Mittelmeernationen dürfte auch die Wirtschaftskrise noch grosse Schäden anrichten. Der Abschluss neuer Versicherungsverträge wegen Corona ist in Spanien offenbar fast zum Stillstand gekommen.

Dies hängt der Helvetia-Versicherung und ihrer Aktie gegenüber anderen Schweizer Versicherern bis auf weiteres einen Nachteil an. Sollte sich die Krise als weniger dramatisch erweisen, könnte die Aktie aber eine ansehnliche und rasche Kurssteigerung erfahren. 

ManuelBoeck
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