Geht die Rally weiter? Getraut haben Anlegerinnen und Anleger dem Börsenaufschwung, der vor drei Monaten angefangen hat, nie so recht. Darum haben so viele Börsianer den Zeitpunkt nicht erwischt, an dem man hätte einsteigen müssen. 

Jetzt aber erhöht sich nun die Unsicherheit fast täglich, ob es so weitergehen kann. Das Stichwort "zweite Welle" macht die Runde. Berichte über neue Coronavirus-Fälle in China und Südkorea verdunkeln den Anlegerhorizont, während sich in Europa Spitäler auf wiederansteigende Infektionszahlen vorbereiten. 

Am liebsten wären Anlegern Aktien, die völlig losgelöst von der Krise laufen. Bei einigen, die in den letzten Tagen grosse Kursveränderungen gezeigt haben, ist dies wohl auch der Fall. Aber immer noch hängt das Schicksal vieler Kursverläufe vom der Krise ab. 

In den vergangenen fünf Handelstagen besonders aufgefallen sind folgende Titel: 

Meyer Burger (+63 Prozent)

Die Aktie des Solartechnikers war seit dem letzten Mehrjahreshöchst im Januar 2018 mindestens für längerfristig orientierte Anleger nichts: Der Kurs ging fast nur runter. Seit vergangener Woche zeigt der Chart aber fast senkrecht nach oben.

Denn nun ist definitiv: Der Solarzulieferer will auch in die Solarproduktion einsteigen. Dies kostet mindestens eine Kapitalerhöhung, über die am 10. Juli abgestimmt wird. Der Kurs dürfte zunächst noch etwas steigen. Anleger können dabei darauf spekulieren, dass der Befreiungsschlag bei Meyer Burger glückt; Mehr nicht.

Die Aktionäre müssen ihre Anteile erneut verwässern lassen. Die Kapitalerhöhung und die Finanzierung der Industriegruppe insgesamt sind ein heikles Thema. Die angestrebte Neuausrichtung von Meyer Burger hingegen ergibt durchaus Sinn. 

Der Kursverlauf der Meyer-Burger-Aktie in den vergangenen zwölf Monaten (Charts und Grafiken: Bloomberg).

Swissquote (+19,5 Prozent)

Auch bei der Online-Bank geht der Kurs steil nach oben. Seit Anfang Juni sind es plus 20 Prozent. Der Kursverlauf bügelte schon im April die Corona-Delle aus und liegt jetzt fast ein Drittel jetzt höher als Mitte Februar. Die Aktie war noch nie so viel wert wie heute.

Bei Banken wie Swissquote haben die Kunden wegen der grossen Kursverwerfungen der Krise mehr mit Wertpapieren gehandelt. Der Ertrag dürfte im Halbjahr um 40 Prozent ansteigen, wie Swissquote letzte Woche mitteilte. Davor waren 10 Prozent mehr Ertrag angepeilt gewesen.

Swissquote ist eine der attraktivsten Schweizer Finanzaktien. Dank des erfolgreichen Geschäftsmodells kann der Kurs weiter ansteigen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27 (Bloomberg) ist akzeptabel.

SMI-Aktien in den vergangenen fünf Handelstagen (Stand Grafiken: 23. Juni, Vormittag)

Kühne + Nagel (+12,5 Prozent)

Vor genau einem Monat sagte Firmenpatriarch Michael Kühne der deutschen Zeitung "Die Welt", der Logistikkonzern könnte als Folge der Coronaviruskrise bis zu einem Viertel der Mitarbeiter fortschicken. Zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft wird Kühne+Nagel von den Folgen der Pandemie belastet. Und das überall auf der Welt.

Was aber immer auch passiert, Analysten sehen das Schicksal des Transportimperiums weniger dramatisch. Die Bank Bernstein hat vor kurzem das Kursziel erhöht, mit deutlicher Wirkung auf den Kurs. Innerhalb weniger Tage hat die Kühne+Nagel-Aktie einen Sprung von 140 auf 156 Franken genommen.

Analysten loben auch die Digitalisierung bei Kühne+Nagel, die Vorteile gegenüber der Konkurrenz und Marktanteilsgewinne mit sich bringen könnte. Wegen den weiter unsicheren Wirtschaftsprognosen ist auch die Aktie allerdings noch immer eine unsichere Wette.

Swiss Re (-2,5 Prozent)

Die Kurshalbierung der Swiss-Re-Aktie zwischen Mitte Februar und Mitte März übte einen gehörigen Schrecken auf die Börsianer aus. Die Coronakrise erschütterte das Vertrauen in die Versicherer ganz allgemein. Nicht nur dürften neue Schadensummen auf sie zukommen – auch die Anlagen könnten mit einer Krise im Anleihenmarkt schwer leiden, und die beliebten Dividenden könnten gestrichen werden. So jedenfall redete man vor drei Monaten.

Fast wären Versicherer "Contrarian"-Investments geworden – also Aktien für Anleger, die gegen den Strom zu schwimmen bereit sind. Nun aber ist das Zutrauen in die Branche wieder gestiegen. Bei Schweizer Versicherern werden gerade reihenweise die Kursziele und Ratingeinstufungen erhöht.

Der Rückversicherer Swiss Re sei besser durch die Krise gekommen als erwartet, heisst es in den Börsenkommentaren. Die Dividende gilt nicht mehr als so gefährdet wie vor einem Vierteljahr. Beim gegenwärtigen Kurs wäre die Rendite 8,1 Prozent. Wie sich gerade gezeigt hat, leidet auch die Swiss-re-Aktie unter kurzfristigen Rücksetzern. Die Chancen, dass der Kurs weiter steigt, sind allerdings gut.

Top Ten und Flop Ten im SPI in den vergangenen fünf Handelstagen.

Dufry (-8 Prozent)

Nicht nur eine vermeintliche, sondern eine veritable Contrarian-Aktie ist Dufry – so wie derzeit die meisten Aktien, die etwas mit dem Reisegeschäft zu tun haben. Dass der Kurs in den vergangenen Tagen deutlich zurückgegangen ist, ist vor allem ein Zeichen für die starke Unsicherheit, die solche Aktien umgibt.

Einfach wird es für Dufry nicht: Die Ratingagentur Moody’s, die kürzlich die Bonitätsstufe für die Dufry-Anleihen auf "B1" gesenkt hat, erwartet Vor-Corona-Levels in der Luftfahrt erst wieder 2023. Anfang Jahr war die Aktie 96 Franken wert, durch die Coronakrise fiel sie auf bis zu 19 Franken. Knapp 32 Franken wie jetzt sind immerhin eine sichtbare Steigerung.

Dass wieder mehr gereist und geflogen wird – und dies zeichnet sich mit der Sommerpause und nach der Rücknahme von vielen Reisebeschränkungen ja auch ab – dürfte dem Aktienkurs von Dufry kurzfristig nützen. Mutige und etwas konträr eingestellte Anleger sollten Dufry im Auge behalten.

Der Kurs der Dufry-Aktie in den vergangenen zwölf Monaten.