Der mexikanische Detailhandelsgigant Femsa bietet für die Übernahme von Valora 260 Franken pro Aktie. Das entspricht einer Prämie von über 57 Prozent gegenüber dem volumengewichteten Durchschnittspreis der letzten 60 Handelstage und einem Aufpreis von 52 Prozent auf den Schlusskurs der Valora-Aktie vom Montag.

Das sieht auf den ersten Blick sehr grosszügig aus. Und viele Aktionärinnen und Aktionäre von Valora werden im Übernahmeprozess kaum auf die Barrikaden gehen und ein höheres Angebot verlangen. 

Allerdings wird nur ein Teil des Valora-Aktionariates wirklich happy sein. Nämlich derjenige, der die Valora-Aktien zu einem Preis von unter 260 Franken gekauft hat und nun bald Gewinne realisieren darf. Denn ein Blick auf den Valora-Chart zeigt, dass Notierungen von unterhalb der 260-Franken-Marke über längere Zeit nur kurz Ende der Nuller-Jahre zu verzeichnen waren, dann von 2011 bis 2016 und schliesslich seit Ausbruch der Corona-Krise im Frühjahr 2020 bis heute. Wer die Valora-Aktie ausserhalb dieser Zeiträume kaufte, steht heute mit einem Verlust da. Vor allem diejenigen Alt-Aktionäre, welche den Valora-Titel vor 22 Jahren noch zu einem Preis von 513 Franken gekauft hatten. Sie können nun fast die Hälfte des Investments abschreiben.

Die Übernahme von Valora zeigt daher einmal mehr die Risiken von Aktien-Investments, speziell bei Firmen, die eine wechselvolle Geschichte mit vielen operativen Schwierigkeiten und strategischen Neuausrichtungen hinter sich haben. Gerade Valora mit dem äusserst volatilen Kursverlauf ist keine Nestlé, deren Aktienkurs sich in den letzten 20 Jahren fast konstant nach oben entwickelt hat und quasi eine "sichere Bank" war. Anders gesagt: Wer im falschen Zeitpunkt eine Risiko-Aktie kauft, muss bei einer plötzlichen Übernahme womöglich happige Abschreiber realisieren. Ein jahreslanges Aussitzen von Buchverlusten und ein Hoffen auf eine Trendwende ist dann nicht mehr möglich.

Dieses "Learning" mussten schon viele Investoren machen, und das Muster wird sich auch immer wiederholen. Vielleicht auch beim "ewigen" Übernahmekandidaten Temenos, dem Bankensoftwarehersteller aus Genf. Jüngst ist der Titel auf knapp 69 Franken gefallen, dem tiefsten Stand seit fünf Jahren. Wer den Titel in der Zeit um Juli 2019 bei einem Preis von 185 Franken gekauft hat, wird sich dereinst möglicherweise über den falschen Einstiegszeitpunkt ärgern.

Insofern ist der breite Kursrückgang an den Börsen in diesem Jahr auch eine gefährliche Zeit für diejenigen Investoren, die während der Hausse, die bis Ende 2021 dauerte, an der Börse zu hohen Preisen dazugekauft haben. Denn auf dem Markt sind nach den drastischen Marktrücksetzern nun viele Unternehmen mit attraktiven Bewertungen, welche zahlungskräftige Konzerne anlocken können. Je länger die Börsen-Baisse dauert und je tiefer die Kurse fallen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass ein Übernahmeangebot einen (hohen) Einstiegskurs erreicht.