Die Angst vor einer Rezession präge weiterhin die Stimmung der Anleger. Dennoch seien die Gewinnerwartungen für 2022 und 2023 immer noch zu hoch, warnt Dirk Steffen, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank. "Mit der Berichtssaison zum zweiten Quartal könnten daher negative Gewinnrevisionen zunehmen und Aktien trotz ihrer nunmehr niedrigeren Bewertungen belasten."

"Die Geldpolitik bewegt sich von dem Covid-Notfallprogramm hin zu einem inflationshemmenden Rahmen", erläutert Chris Iggo, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Axa Investment Managers. "Dieser Übergang ist schmerzhaft. Die Bewertungen der Covid-Ära, die durch überschüssige Liquidität angekurbelt wurden, sind verschwunden, die höheren Anleiherenditen üben Druck auf die Aktienbewertungen aus und es besteht die Gefahr, dass sich der Gewinnzyklus bald abschwächt."

Kopfschmerzen bereitet Börsianern ausserdem ein möglicher Gas-Lieferstopp durch Russland. "Die Wirtschaft braucht Energie, und wenn deren Versorgung nicht mehr sichergestellt ist, geht es um Risikobegrenzung und nicht mehr um Wachstum und Expansion", sagt Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Die deutsche Wirtschaft ist gerade dabei, in eine Art Notfallmodus zu schalten."

Folgt auf rabenschwarzes Halbjahr die Erholung?

Wegen des Ukraine-Kriegs, der galoppierenden Inflation und der Furcht vor einer Rezession durch überzogene Zinserhöhungen der Notenbanken ist das abgelaufene Halbjahr mit einem Minus von 21 Prozent für den MSCI-Weltindex die schwärzeste erste Jahreshälfte seiner Geschichte. Der SMI erreichte auf Wochensicht ein Minus von 0,5 Prozent.

Wegen dieses Ausverkaufs tippen die Experten der Bank JPMorgan allerdings auf eine Erholung der Börsen in der zweiten Jahreshälfte. "Die Welt und ihre Volkswirtschaften sind zwar nicht gerade in einer guten Verfassung. Da der Durchschnittsinvestor aber ein konjunkturelles Desaster erwartet, könnten sich riskante Anlagen erholen, wenn dieses Szenario nicht eintritt."

US-Arbeitsmarktdaten mit Spannung erwartet

Wie üblich zum Monatswechsel wartet das Konjunkturdaten-Highlight am Freitag auf die Börsianer: Die US-Jobdaten, von denen sie sich Rückschlüsse auf das Tempo der erwarteten Zinserhöhungen der Notenbank Fed versprechen. Experten rechnen für Juni mit dem Aufbau von 295'000 Stellen ausserhalb der US-Landwirtschaft nach einem Plus von 390'000 im Vormonat. "Von einer Rezession kann aber (noch) keine Rede sein", gibt Commerzbank-Volkswirt Christoph Balz zu bedenken. "Allerdings handelt es sich wohl nur um eine Frage der Zeit, bis auch vom Arbeitsmarkt schlechte Zahlen kommen." Einen Vorgeschmack auf die offiziellen Daten geben die Zahlen der privaten US-Arbeitsagentur ADP, die wegen des Feiertags am Montag ausnahmsweise erst am Donnerstag veröffentlicht werden.

Diesseits des Atlantik waren Investoren unter anderem auf das Barometer für die Stimmung der deutschen Einkaufsmanager am Dienstag. Am Tag darauf folgen die europäischen Einzelhandelsumsätze.

(Reuters)