2023 hinkten die sogenannten Small Caps den Standardwerten zwar noch deutlich hinterher, doch einige Strategen sehen gute Chancen für eine Aufholjagd. Allerdings gibt es auch mahnende Stimmen, die bei den Papieren, die oft mit geringer Liquidität an der Börse kämpfen, zur Vorsicht raten.

Für ein Aufleben sprechen die wahrscheinlich sinkenden Zinsen. In den kommenden Monaten rechnen Investoren fest mit Zinssenkungen der Zentralbanken in den USA und Europa, nachdem der Zinserhöhungszyklus die Kreditkosten auf den höchsten Stand seit Jahrzehnten angehoben hatte. Das wäre vor allem für Firmen mit geringerem Börsenwert eine frohe Botschaft, da sie in der Regel stärker auf kurzfristige Schulden angewiesen sind. «Der jüngste Rückgang der Anleihe-Renditen hat die Schlinge um viele Small-Cap-Unternehmen gelockert», sagt Jack Ablin, Investmentexperte bei Cresset Capital.

Entsprechend legten kleinere Werte im Gegensatz zum grössten Teils des Jahres bereits in den vergangenen Wochen deutlich zu. In den USA stieg der Small-Cap-Index Russell 2000 seit seinen Tiefstständen im Oktober um mehr als 13 Prozent, der MSCI Europe Small and Mid Cap Index legte seit Ende letzten Monats um zwölf Prozent zu.

Günstige Bewertungen sprechen für Small Caps

Seit Jahresbeginn steht für den europäischen Kleinwerte-Index allerdings nur ein Plus von rund sechs Prozent unter dem Strich, der breiter gefasste Aktienindex MSCI Europe kletterte dagegen um zwölf Prozent. Der deutsche Leitindex gewann im selben Zeitraum knapp 20 Prozent, während der Kleinwerte-Index SDax um rund elf Prozent anzog. Das lässt Small Caps im Vergleich zu ihren historischen Bewertungen günstiger erscheinen als ihre grossen Konkurrenten. Bei den europäischen Werten steht das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) mit 12,2 unter dem 15-Jahres-Durchschnitt von 15. Der MSCI Europe, der mehr als 400 grosse und mittlere Unternehmen aus 15 europäischen Industrieländern umfasst, hat im Vergleich ein leicht höheres KGV von 12,3. «Wir nähern uns einer relativen Underperformance von zweieinhalb Jahren, und wenn man sich die Bewertungsmultiplikatoren von Small Caps ansieht, sind sie sehr, sehr billig», sagt Rory Stokes, Portfoliomanager im europäischen Aktienteam von Janus Henderson.

Zudem werden auch die kleineren Aktiengesellschaften nach Meinung der Experten mit steigenden Gewinnen punkten können. Den Daten der LSEG zufolge werden die Gewinne der Russell 2000-Unternehmen im nächsten Jahr um etwa 30 Prozent steigen, nachdem sie 2023 um 11,5 Prozent gesunken waren. «Small Caps werden sich schnell erholen, und die Erholung wird in der Anfangsphase am stärksten sein», sagt Amisha Chohan, Leiterin der Small-Cap-Strategie bei Quilter Cheviot. «Es ist wichtig, ein gewisses Engagement in diesem Bereich des Marktes zu haben, insbesondere angesichts der aktuellen Bewertungen.»

Harte Landung könnte kleine Firmen am härtesten treffen

Doch es gibt nach wie vor Gründe für einen vorsichtigen Umgang mit kleineren Werten. Während die Hoffnung auf eine sogenannte weiche Landung der Wirtschaft die Aktienerholung gestützt hat, fürchten sich einige Anleger vor einer Rezession im Nachgang der Zinserhöhungen. Dies würde wahrscheinlich den Small Caps schaden, die in Abschwungphasen in der Regel überproportional leiden. Seit 1980 lag der Russell 2000 in den sechs Monaten nach dem Höhepunkt des Konjunkturzyklus, also vor einer Rezession, durchschnittlich vier Prozentpunkte hinter dem S&P 500 zurück, wie Daten der Analysefirma Strategas zeigen.

«Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Wirtschaft in den nächsten 12 bis 18 Monaten Probleme bekommen könnte», sagt Bryant VanCronkhite, Senior Portfolio Manager bei Allspring Global Investments. «Wenn das der Fall ist, werden die Bewertungen, die wir heute sehen, Small Caps wahrscheinlich nicht unterstützen.

Mabrouk Chetouane, Leiter der globalen Marktstrategie bei Natixis IM, ist sogar der Ansicht, dass ein ausgedünnter Jahresendhandel, Rezessionssorgen und das Beharren der Zentralbanken darauf, dass es zu früh sei, eine Zinssenkung in Erwägung zu ziehen, dafür sprechen, Small Caps zu meiden. »Wenn es zu einem negativen Schock kommt, wird die Volatilität in den Marktsegmenten, in denen die Liquidität schwach ist, höher sein«, sagt er. »Aus taktischer Sicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt, um Small Caps zu kaufen oder aufzustocken." 

(Reuters)