Anfang August setzte US-Präsident Donald Trump eine Episode im internationalen Handelskonflikt fort: Zölle in Höhe von 39 Prozent auf Waren aus der Schweiz wurden Tatsache, nachdem die Handelshemmnisse schon seit Monaten im Raum standen, in ihrem Ausmass aber noch nicht konkretisiert worden waren. 

Die Diskussion dreht sich nun oft um die Folgen der hochgezogenen Handelsschranken für Schweizer Unternehmen und die Konjunktur. Weniger Aufmerksamkeit erhält der Immobiliensektor. Doch die Zölle wirken sich auch auf den Häusermarkt aus. Laut den Experten von Wüest Partner (WP) sind etwa «bremsende Effekte auf Wohnimmobilienpreise» nicht ausgeschlossen.

Den auf den ersten Blick nicht offensichtlichen Brückenschlag zwischen den internationalen Handelsschranken und dem hiesigen Immobilienmarkt schlagen die WP-Spezialisten über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Ein konjunktureller Dämpfer schwächt die Beschäftigung und hemmt so die Zuwanderung. Zudem sinkt die Kaufkraft und damit die Zahlungsbereitschaft auf dem Wohnungsmarkt. Im Endeffekt verringert sich die Nachfrage nach Wohnraum, und «dies bremst den aktuellen Anstieg der Mieten und der Preise für Wohneigentum», heisst es in einem kürzlich veröffentlichten WP-Artikel.

Indes ist es kaum möglich, den Effekt ganz genau zu beziffern. Allein schon zu den Konsequenzen für die Gesamtwirtschaft liegen unterschiedliche Schätzungen vor.

Von Bloomberg befragte Ökonomen gehen von einem um 0,1 Prozentpunkte tieferen Wachstum in den Jahren 2025 und 2026 aus, womit sie nun einen Anstieg der Wirtschaftsleistung (BIP, Bruttoinlandsprodukt) um 1,4 Prozent in diesem und um 1,1 Prozent im kommenden Jahr prognostizieren. Laut BAK Economics dürfte sich ein rund 0,3 Prozentpunkte tieferes BIP-Wachstum ergeben.

«Rund 12'500 Stellen stehen über die nächsten Jahre auf dem Spiel», heisst es in der BAK-Econmics-Einschätzung, die kurz nach dem US-Zollhammer erschien. Gemäss weiteren Schätzungen dürfte das BIP-Wachstum zollbedingt um 0,3 bis 0,7 Prozentpunkte zurückgehen, wie Thomas Rühl, Anlagechef der Schwyzer Kantonalbank, in einer aktuellen Publikation des Innerschweizer Geldinstituts schreibt.

Rückgang des Wirtschaftswachstums senkt Preiswachstum bei Einfamilienhäusern und bei Eigentumswohnungen

Aus einer Wüest-Partner-Analyse von Anfang Jahr geht zudem hervor: Ein Rückgang des Wirtschaftswachstums um 1 Prozentpunkt senkt das Preiswachstum bei Einfamilienhäusern um 0,69 Prozentpunkte und jenes bei Eigentumswohnungen um 0,45 Prozentpunkte. Dabei steigen die Immobilienpreise mit Raten von rund 3 bis 5 Prozent pro Jahr.

Folglich wird die Preisdynamik von Wohneigentum aufgrund des Zolleinflusses gedämpft; sie versiegt aber nicht komplett, wenn die Wirtschaftsentwicklung um einige Zehntelprozentpunkte zurückgeht.

Zu einem ähnlichen Schluss gelangt ist Claudio Saputelli, Immobilien- und Hypothekarexperte der UBS. Er geht davon aus, dass - die Pharmaindustrie ausgenommen - direkt und indirekt rund 70'000 Stellen von Exporten in die USA abhängig sind, davon 50'000 in der Industrie. «15'000 bis 20'000 Stellen dürften wegfallen, wenn die Zölle eine Industrierezession auslösen.»

Zwei Faktoren dämpfen laut Saputelli zumindest kurzfristig einen starken Jobabbau aber: Die Kurzarbeit und die Tatsache, dass Grenzgänger erfahrungsgemäss eher gekündigt werden als in der Schweiz wohnende Arbeitnehmer.

«Aufgrund der tieferen Zuwanderung könnte das Bevölkerungswachstum auf gegen 0,8 Prozent von derzeit 1 Prozent zurückgehen. Der Preisdruck auf Wohneigentum wird grundsätzlich anhalten, aber leicht gedämpft werden», erklärt der Immobilienexperte und führt aus, die Preissteigerungsraten dürften dann für 2026 eher bei 2 bis 2,5 Prozent als bei 3 Prozent liegen.

Fragezeichen hinter dem Pharmasektor

Zolleffekte werden den Langzeittrend hin zu höheren Preisen auf dem Immobilienmarkt voraussichtlich also abflachen, nicht aber brechen. Ferner ist nicht erkennbar, dass ein weiterer Treiber des Häusermarktes wegfallen wird: Die tiefen Zinsen. Von Bloomberg befragte Ökonomen erwarten für die nächsten Quartalen weder Zinssteigerungen noch Zinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Im Schnitt sehen sie die Zinsen bis weit ins Jahr 2027 hinein bei Werten zwischen minus 0,09 und plus 0,08 Prozent - und damit näher beim aktuellen Niveau von 0 Prozent als bei Sätzen von minus beziehungsweise plus 0,25 Prozent.

Ein Teil der Ökonomen geht jedoch von einer Zinssenkung auf minus 0,25 Prozent aus. So beispielsweise die Experten von Nomura. Zwar werde es einige Zeit dauern, bis sich die Auswirkungen der Zölle auf das Bruttoinlandsprodukt bemerkbar machen, schreiben sie. Ein Wachstumsrückgang wegen der US-Zölle würde aber weiteren Deflationsdruck verursachen und einen Zinsschritt nach unten wahrscheinlicher machen. Konkret: Die SNB setzt erneut Negativzinsen ein, wovon der Immobiliensektor wiederum angekurbelt würde.

Allerdings: Damit sich die Auswirkungen des internationalen Handelskonflikts auf den hiesigen Wohnungsmarkt in Grenzen halten, sei vorausgesetzt, dass «das Schweizer Life-Science-Cluster nicht in Schieflage gerät», stellen die Spezialisten von Wüest Partner fest.

Ein Fragezeichen steht dabei nach wie vor hinter dem Pharmasektor. Dessen Produkte sind Stand heute zwar von den Zöllen der Vereinigten Staaten auf Schweizer Güter ausgenommen. Daher ist ein für den die Schweizer Wirtschaft wichtiger Pfeiler vorerst nicht zusätzlich belastet - was für die Konjunktur und die Beschäftigung grundsätzlich positiv ist.

Druck auf die Pharmaunternehmen kommt hingegen von Anstrengungen der US-Regierung, die Medikamentenpreise zu senken. Der amerikanische Präsident hat Ende Juni verschiedenen Konzernen, darunter Novartis, einen Brief geschickt. Die Forderung: Die Arzneimittelpreise in den USA sollen fallen und an die tiefsten Preise in anderen Industrieländern angepasst werden. Die Drohung an Hersteller, die sich widersetzen: Der Einsatz aller verfügbaren Mittel, um Amerikanerinnen und Amerikaner vor den nach Ansicht der US-Regierung missbräuchlichen Preispraktiken bei Medikamenten zu schützen.

Die Verlautbarungen aus Washington haben den Stresslevel in der Branche offensichtlich steigen lassen. «Die Unternehmen werden gezwungen sein, sich auf jene Märkte zu konzentrieren, in welchen sie die grössten Umsätze erzielen. Die Schweiz mit einem Weltmarktanteil von 0,5 Prozent wird dabei das Nachsehen haben», schrieb Interpharma, der Verband der forschenden pharmazeutischen Unternehmen der Schweiz.

Schon im April, kurz nach der damals erfolgten US-Zollankündigung, informierten Roche und Novartis über Milliardeninvestitionen in den USA. Roche will 50 Milliarden Dollar in den kommenden fünf Jahren investieren, Novartis stellte 23 Milliarden Dollar im gleichen Zeitraum in Aussicht. Ziel sei es, 100 Prozent der wichtigsten US-Produkte vollständig in den USA herzustellen, sagte Novartis-CEO Vasant Narasimhan, an einer Analystenkonferenz. Und man sei auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

Reto Zanettin
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