Die niederländische Hauptstadt Amsterdam zieht vor allem Fintechs und Handelshäuser an und hat derzeit bei Börsengängen und den heiss begehrten Börsenvehikeln SPACs die Nase vorn. Die globalen Investoren schätzen die vergleichsweise laxe Regulierung, die eher denen der USA als dem im Rest Europas ähnelt, und das weit verbreitete Englisch.

Auf die Börse mit ihrem Stammsitz am Beursplein 5 entfällt inzwischen rund ein Fünftel des täglichen Aktien-Handelsvolumens in Europa von 40 Milliarden Euro, wie jüngste Daten zeigen. Das ist etwa doppelt so viel wie vor dem Brexit. Auch beim Derivatehandel mit Euro-Papieren hat Amsterdam London überholt. Die Niederländer konkurrieren mit der Deutschen Börse, die in dem Bereich ebenfalls einen Teil vom Kuchen abhaben will.

Handelskultur in Amsterdam

"Es gibt in Amsterdam eine ganze Handelskultur und dieser nahe zu sein, ist für uns sehr positiv", sagt Robert Barnes, Geschäftsführer der zur London Stock Exchange (LSE) gehörenden Handelsplattform Turquoise, die nach dem Brexit Amsterdam statt Paris als neuen Stammsitz gewählt hat. "Man findet hier grosse institutionelle Banken, spezialisierte Brokerhäuser, eine dynamische Handelsgemeinschaft und man ist darüber hinaus im Herzen Europas."

Die neue Blüte der Stadt mit ihren weit verzweigten Grachten erinnert an die Zeit vor 400 Jahren, als Amsterdam das Zentrum für Warenhandel in Europa war. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die Amsterdamer Wertpapierbörse gegründet. Im Jahr 2000 fusionierte sie mit der Brüsseler Börse und der Pariser Börse zur Euronext.

David Howson, Chef der Derivatebörse Cboe Europe, sieht klare Vorteile in Amsterdam. In den kommenden Wochen verlegt die bislang in London ansässige Europa-Tochter des US-Konzerns ihren Stammsitz dort hin. Die Menschen in Amsterdam sprächen häufiger Englisch als in Städten wie Paris oder Frankfurt, sagte er. Ausserdem seien die regulatorischen Vorgaben nicht ganz so streng wie an den anderen Finanzstandorten. Das zieht auch viele Unternehmen an, die einen Börsengang planen.

Der polnischen InPost gelang in Amsterdam der bislang grösste europäische Börsengang in diesem Jahr mit einem Volumen von 2,8 Milliarden Euro. Der französische Milliardär Bernard Arnault und der frühere Commerzbank-Chef Martin Blessing wollen dort ihre SPACs auflegen. Im Laufe des Jahres verlegt auch die Rohstoffbörse Intercontinental Exchange (ICE) ihren Europa-Sitz von Grossbritannien in die Niederlande.

Weniger Bonus für Investmentbanker

Viele neue Jobs in der Finanzbranche entstehen in Amsterdam jedoch nicht. Studien zufolge sind gerade einmal rund 1000 neue Stellen dazugekommen. Das ist nur ein Bruchteil der knapp 10.000 Arbeitplätze, die schätzungsweise seit dem Brexit-Votum aus der Londoner City in andere Städte Kontinentaleuropas verlegt worden sind. Grund dafür ist, dass sich vor allem Spezialanbieter im Handelsbereich für Amsterdam entscheiden.

Grosse Investmentbanken wie Morgan Stanley, JPMorgan oder Citigroup wählten eher Paris oder Frankfurt als neuen Europa-Standort und verlagern ganze Abteilungen mit vielen Mitarbeitern, erläutert Michiel Bakhuizen von der niederländischen Industrie- und Handelskammer.

Das wiederum hat einen ganz trivialen Grund. "Wir haben hier ein Gesetz, das die Bonuszahlungen für Banker limitiert", ergänzt Bakhuizen. Seit 2015 dürfen Banken in den Niederlanden maximal 20 Prozent des Grundgehalts als Bonus auszahlen. Bei den Banken schürt das die Soge, dass ihnen dann viele hochbezahlte Investmentbanker davon rennen würden.

(Reuters)