«Das gehört zum unveränderlichen Wesenskern unserer Beziehungen. Das gilt für heute. Das gilt für morgen und das gilt für immer», sagte Merz am Sonntag bei einer Pressekonferenz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und verwies auf die deutsche Verantwortung für den Holocaust.

Allerdings zeigten sich zwischen Merz und Netanjahu fundamentale Differenzen im Umgang mit den Palästinensern. Netanjahu lehnte einen eigenen palästinensischen Staat strikt ab und betonte, dass Israel die politische und militärische Kontrolle zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer auch weiter beanspruche.

Merz hatte zum Auftakt seiner ersten Nahost-Reise am Samstag zunächst den jordanischen König Abdullah II. besucht. «Wir müssen den Weg zu einer palästinensischen Staatlichkeit offenhalten», sagte er in Akaba. «Deshalb darf es keine Annexionsschritte im Westjordanland geben, keine formellen, aber auch keine politischen, baulichen, faktischen oder sonstigen Massnahmen, die auf eine Annexion hinauslaufen.» Diese Aufforderung wiederholte er in Jerusalem.

Allerdings hielt Netanjahu bei dem gemeinsamen Auftritt energisch dagegen: Zum einen hätten die Palästinenser ihre Chance auf einen eigenen Staat im Gazastreifen verspielt. Zum anderen warf er der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland vor, dass sie gar nicht an einem Frieden interessiert sei.

Sie wolle keinen palästinensischen Staat neben Israel, sondern einen palästinensischen Staat anstelle von Israel. Er bezweifle, dass sich dies ändere. Der Frage von israelischen Annexionen im Westjordanland, die Teile seines mit Rechtsextremen besetzten Kabinetts fordern, wich er aus. «Es wird eine Frage sein, die wir irgendwann stellen werden, aber nicht sofort.»

Merz sagte, dass er am Samstag mit Palästinenserpräsident Abbas gesprochen habe. Sein Eindruck sei, dass dieser sehr wohl zu Reformen bereit sei. Netanjahu bezweifelte dies. Die PA müsse aufhören, die palästinensischen Kinder zum Mord an Israel zu erziehen, für Mord zu zahlen und öffentliche Plätze nach Massenmördern zu benennen. Er verwies darauf, dass einige arabische Staaten Israel auch ohne die Bildung eines Palästinenserstaates anerkannt hätten.

Das israelische Kabinett stehe klar hinter seiner Position. Die internationale Gemeinschaft hält die Besatzung des Westjordanlandes dagegen für völkerrechtswidrig. Ausserdem wird die israelische Regierung kritisiert, weil radikale jüdische Siedler dort ohne Eingreifen der Armee gegen christliche und muslimische Palästinenser vorgehen.

Merz ruderte nach Netanjahus Einlassungen bei der Forderung nach einer Zweistaatenlösung zurück. Jetzt sei der Fortschritt in Gaza vordringlich. «Dann müssen sich die Palästinenser selbst eines Tages entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Deswegen aus heutiger Sicht, es ist zu früh, darüber eine endgültige Entscheidung zu treffen», sagte er mit Blick auf die Entstehung eines Palästinenserstaats, den Deutschland ohnehin erst am Ende eines Friedensprozesses anerkennen werde. «Es ist eine Hoffnung, die sich vielleicht erfüllt, vielleicht aber auch nicht.»

Hoffnung auf Fortschritte in Gaza

Beide Politiker äusserten die Hoffnung, dass der Friedensplan für den Gazastreifen bald in seine zweite Phase treten kann. Allerdings bleiben Fragen wie etwa die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe und die Entwaffnung der Hamas weiter unklar.

«Es kann in Gaza keine Rolle für die Hamas geben», betonte Merz nur mit Blick auf die radikal-islamische Miliz. Deren Überraschungsangriff im Jahr 2023 hatte zu einer Invasion Israels im Gazastreifen geführt. Bei den folgenden Kämpfen kamen mehr als 60.000 Menschen ums Leben.

Der Kanzler betonte, dass die Bundesregierung die wegen eines als zu hart kritisierten Vorgehens der Armee in Gaza verhängte teilweise Einschränkung der Waffenexporte an Israel im November wieder aufgehoben hatte. Netanjahu verwies darauf, dass längst nicht mehr nur Israel Waffen aus Deutschland kaufen wolle, sondern umgekehrt die israelische Rüstungsindustrie auch der Bundesrepublik helfe.

Erst vor wenigen Tagen hatte in Deutschland das israelische Arrow-3-Luftabwehrsystem den Betrieb aufgenommen. Der Kanzler sagte auf die Frage, ob sich Deutschland an einer Gaza-Friedenstruppe beteiligen würde, dass es für eine Antwort noch zu früh sei.

Merz traf sich nach der Pressekonferenz zunächst mit überlebenden israelischen Geiseln. Anschliessend kam er mit den Oppositionsführern Jair Lapid und Benny Gantz zusammen. Im kommenden Jahr wird in Israel gewählt. Deshalb stelle sich derzeit auch nicht die Frage einer Einladung Netanjahus nach Deutschland, sagte er auf eine entsprechende Frage. Eine Einladung gilt als politisch heikel, weil der Internationale Strafgerichtshof einen internationalen Haftbefehl gegen Netanjahu ausgesprochen hat und er deshalb bei einem Besuch verhaftet werden müsste.

(Reuters)