cash: Herr Syfrig, Burkhalter war mit dem Joint Venture ABAG zwischen Burkhalter und Alpiq am Bau des Gotthard-Tunnels beteiligt. Das Gemeinschaftsunternehmen nahm die Verkabelung des Tunnels vor. Sind Sie an den Eröffnungsfeierlichkeiten am Mittwoch dabei?
 
Marco Syfrig: Nein, obwohl ich sogar eingeladen gewesen wäre. Die Eröffnung selber stufe ich nicht mehr als so wichtig ein wie die ganze Zeit, als wir den Auftrag in der Höhe von 500 Millionen Franken umgesetzt haben. Überdies sollen diejenigen Leute unseres Unternehmens an den Feierlichkeiten teilnehmen, die operativ immer vor Ort waren. 
 
Wieviele Burkhalter-Leute waren am Gotthard-Projekt beteiligt?
 
Das waren zwischen 20 und 30 Festangestellte. Die Hauptanzahl der Beschäftigten waren temporäre Mitarbeiter.
 
Etwa 6,7 Millionen Franken am Reingewinn 2015 ging auf den Gotthard-Auftrag zurück. Ich nehme an, dieser Beitrag ist nun nicht mehr wiederkehrend.
 
Doch, aber nur noch die nächsten zwei oder drei Jahre. Dann hoffen wir, dass wir diesen Betrag mit einem anderen Auftrag kompensieren können, was uns vielleicht nicht ganz gelingen wird. Aber für das Gesamtgeschäft sind wir zuversichtlich.
 
Burkhalter hat im letzten Jahr den Gewinn pro Aktie um 10,5 Prozent steigern können, und Sie haben anlässlich der Jahreszahlen im Frühling gesagt, dass diese Steigerung in diesem Jahr wohl nicht mehr so deutlich ausfalle. Hat sich an der Einschätzung etwas daran geändert?
 
Wir werden den Gewinn in diesem Jahr aus heutiger Sicht steigern können. Um wieviel das genau sein wird, werden wir sehen. Unser Ziel ist generell, dass wir den Gewinn pro Aktie jedes Jahr steigern können. Aber irgendwann wird dies kaum mehr möglich sein, denn ohne Akquisitionen haben wir kein Umsatzwachstum mehr. 
 
Burkhalter will ja keine Grossprojekte und ist auch sonst wählerisch bei der Annahme von Aufträgen. Haben Sie ein Luxusproblem?
 
Dieses Problem hat die ganze Branche. Unsere Konkurrenz arbeitet mit einer Marge von 2 bis 3 Prozent, die Generalunternehmen weisen eine Marge von 1 Prozent auf. Angesichts des grossen Nachfrageüberhangs müsste das eigentlich ganz anders sein. Wir selber müssen einfach Geduld haben und die besten Leute anstellen. Zu viele Elektriker hat es in der Schweiz ganz sicher nicht. Das liegt an den Einwanderungsbestimmungen der Schweiz, aber auch an der zunehmenden Abwanderung in akademische Berufe. Dazu kommt in unserer Branche wie gesagt die steigende Nachfrage. Derzeit ist alles überlastet. Wir suchten kürzlich für einen Auftrag in Bern 10 bis 20 Leute. Die waren kaum aufzutreiben unter den 3000 Angestellten, die wir schweizweit haben.
 
Burkhalter ist recht abhängig von der Baukonjunktur.
 
Jein. Wir sind ein KMU, das sich aus 43 Elektrotechnik-KMU zusammensetzt. In der Zentrale hier in Zürich sind wir eine reine Dienstleistungsorganisation. Wir sehen uns wie ein Hotelbetrieb, unser Finanzchef war früher ja auch Vize-Direktor eines Fünf-Sterne-Hotels. Wir sind also ein reiner Dienstleister, wir verkaufen Stunden. Das ergibt ein einfaches Geschäftsmodell. Stunden mal Anzahl Leute mal Produktivität mal Stundensatz ergibt den Umsatz. Pro Mitarbeiter ergibt das einen Gewinn von 12‘000 Franken. Wir brauchen wenig Produktivitätssteigerung, um diesen Wert auf 15‘000 oder 20‘000 Franken schrauben zu können. Gleichzeitig könnten wir höhere Löhne zahlen. Klar, sollte die Baukonjunktur um 10 bis 20 Prozent fallen, würde unser Aktienkurs massiv leiden, wie andere Kurse auch. Aber unser Geschäft wäre kaum betroffen, im Gegenteil. Ein Abschwung der Baukonjunktur hätte auch eine Marktbereinigung zur Folge.
 
Aber ein Zinsanstieg hätte Konsequenzen für Ihr Geschäft?
 
Hier wohl ebenfalls eher beim Aktienkurs als beim Operativen. Ich habe wenig Bedenken wegen einer Überhitzung im Immobilienbereich. Schauen Sie, es wird immer Wohnbedarf geben in der Schweiz, es ist genügend Geld aus den Pensionskassen vorhanden. Wir haben auch sonst grosse Auftragsvolumen. Es gibt hunderttausende von so genannt 'dreckigen' Gebäuden in der Schweiz. So sind wir zum Beispiel mit der Renovation von vielen Schulhäusern beschäftigt. Wie gesagt, wir können kein Wachstumsversprechen abgeben. Aber wir könnten auch bei einem 'Worst-Case' noch immer mindestens vier Franken Dividende zahlen (2015: 5,25 Franken, Anm. der Red.).
 
Burkhalter wächst fast nur noch durch Übernahmen. Seit dem Börsengang im Juni 2008 hat das Unternehmen 16 Akquisitionen getätigt in einem Markt, in dem es noch rund 3500 Elektrotechnik-Betriebe gibt. Wie laufen solche Übernahmen ab?
 
Wir erhalten Anfragen oder wir gehen auf die Unternehmen zu. Letzteres passiert vor allem in Regionen der Schweiz, in denen wir noch untervertreten sind. Aber wir müssen Geduld haben. Wir haben derzeit 10 Prozent Marktanteil, und wir könnten theoretisch jetzt nochmals 10 Prozent dazukaufen. Aber das machen wir nicht, wir wollen ja kein Geld verlieren. 
 
Aber Sie sehen sich schon als stärksten Player in der Schweiz in ihrer Branche?
 
Ja, sicher. Alpiq mit dem Haustechnik-Bereich folgt dahinter, dann Etavis. Wir sind das einzige Unternehmen in unserer Branche, das schweizweit in maximal einer halben Stunde beim Kunden ist. 
 
Sie haben in diesem Frühjahr eine genehmigte Kapitalerhöhung vorgenommen, welche den Gewinn nicht verwässert. Weshalb?
 
Wir machten dies für den Fall, dass sich ein grösserer Betrieb mit etwa 800 Mitarbeitern uns anschliessen sollte. Ein solcher Betrieb hat etwa 130 Millionen Franken Umsatz und würde im Fall einer Übernahme nicht bloss Cash, sondern auch Aktien wollen. Das heisst, er würde sich an der Burkhalter Gruppe beteiligen. 
 
Sie planen also nicht eine Grossübernahme, sondern halten sich die Türe offen für den Fall, dass sich eine Gelegenheit ergeben sollte.
 
Doch, wir planen eine solche Grossübernahme. Wir sind laufend in Diskussionen mit vier bis fünf grösseren Betrieben. Doch das sind Privatbetriebe, und wir wissen nicht, ob sie jemals auch verkaufen wollen. 
 
Die Aktie von Burkhalter hat ja eine eindrückliche Entwicklung hinter sich. Ein Jahr nach dem Börsengang fiel sie auf 13 Franken, im Frühling 2016 stieg sie auf fast 130 Franken. Burkhalter hat eine grosszügige Dividende. Ist der Grund für den Kursanstieg vor allem bei der Ausschüttungspolitik der Firma zu suchen?
 
Wir gingen damals an die Börse mit dem klaren Versprechen von Kontinuität und steigender Rentabilität. Das hat die Aktionäre offenbar überzeugt. Die Aktie ist zuverlässig, die Risiken im Verhältnis zu den Chancen sind relativ klein. Sicher haben wir auch vom allgemeinen Anstieg der Börsen in den letzten Jahren profitiert.
 
Haben Sie auch das Interesse von ausländischen Investoren geweckt?
 
Wir haben laufend Anfragen von ausländischen Investoren, die mehr wissen wollen von uns. Wir haben auch einige grössere ausländische Aktionäre, vor allem Institutionelle Investoren wie Versicherer. 
 
Einer der grösseren Aktionäre von Burkhalter hat kürzlich sein Aktienpaket von 5,3 Prozent verkauft. Wohin gingen die Aktien?
 
Die Aktien wurden sehr breit gestreut. 
 
Wie man hört, zahlt Burkhalter hohe Löhne…
 
Wie zahlen Löhne, die weit über dem Marktdurchschnitt liegen. Und bei uns war die '1:12-Initiative' schon Realität, bevor sie an der Urne zur Abstimmung kam. Bei Burkhalter ist der höchste Lohn also maximal um das zwölffache höher als der tiefste. Wir wollen zufriedene, motivierte Mitarbeiter und wir wollen sie auch entsprechend am Gewinn beteiligen. Ich persönlich lehnte die '1:12-Initiative' aber ab, da diese Regelung keine Staatsaufgabe ist.
 
Im Video-Interview äussert sich Marco Syfrig auch zum Fachkräftemangel in der Schweiz. 
 
Marco Syfrig ist seit 2008 CEO und Delegierter des Verwaltungsrates der Burkhalter Gruppe, deren Fahrzeugflotte durch die gelbe Farbe auffällt. Die Firma vereint 43 Elektrotechnikbetriebe unter einem Dach. Der Jurist und ausgebildete Anwalt Syfrig war vor seinem Engagement bei Burkhalter zehn Jahre Berater und Partner bei Ernst & Young in Zürich. Er war Mitgründer der Firma Taxpartners, Finanzchef und CEO von Highlight Communications sowie Finanzchef von Fumapharm.