Care-Arbeit gehört zu den grossen Selbstverständlichkeiten des Alltags. Die Versorgung und Erziehung der Kinder, die Pflege der betagten Eltern, die Führung des Haushalts oder gar die Betreuung der Haustiere. Unter Care-Arbeit zählen unbezahlte Sorge- und Betreuungsarbeit. Diese umfasst laut Bundesamt für Statistik mehr Stunden als die gesamte bezahlte Erwerbsarbeit in der Schweiz.
Dennoch gibt es in diesem Zusammenhang ein Paradoxon: Die Arbeit ist unentbehrlich für die Gesellschaft und legt den Grundstein für jede produktive Erwerbsarbeit. Aber: Während die Löhne auf dem Arbeitsmarkt mit Abgaben für die Altersvorsorge versehen sind und künftige Renten finanzieren, wird die Care-Arbeit weder entlöhnt noch abgesichert. Damit verzichtet die Person, welche die Care-Arbeit übernimmt, oft ganz oder teilweise auf finanzielle Entschädigung und Absicherung im Alter.
«Unbezahlte Care-Arbeit, die zulasten des Arbeitspensums geht, bedeutet weniger Lohnentschädigung und in der Folge weniger Gelder, die in die Vorsorge fliessen», erklärt Melanie Näf, Leiterin Fachzentrum Finanzplanung bei Raiffeisen Schweiz. Sie führt zudem auf, dass tiefe Arbeitspensen oftmals auch mit geringeren Karrierechancen einhergehen, weshalb Lohn und Vorsorgebeiträge in die AHV und Pensionskasse langfristig tief bleiben. Dies betrifft auch allfällige Beiträge in die Säule 3a, wonach dafür weniger Mittel zur Verfügung stehen. «Meist sind alle drei Säulen betroffen, die einen gegen Risiken wie Invalidität, Alter und Tod absichern sollten», so Näf.
Dabei verbringen Frauen viel mehr Stunden mit Care-Arbeit als Männer. Damit einher geht die Tatsache, dass Frauen häufiger Teilzeit arbeiten. Denn gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) verbringen Frauen durchschnittlich 61 Prozent ihrer Arbeitszeit mit unbezahlten Tätigkeiten, Männer nur 42 Prozent. Eine Studie der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten (SKG) von 2016 zeigt jedoch, dass ein Pensum von 70 Prozent beider Partner im Falle von Trennung, Tod oder im Rentenalter die geringsten finanziellen Risiken mit sich bringt. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung fast unrealistisch.
Dieses Ungleichgewicht könnte allenfalls durch entsprechende Massnahmen der Politik wie Elternurlaub oder Individualbesteuerung aus der Welt geschafft werden, jedoch beginnt dieser Schritt in der Partnerschaft selbst. Paare, die Care-Arbeit bewusst verteilen, sollten sich auch mit den finanziellen Folgen auseinandersetzen. Denn gesellschaftlich gesehen ist Care-Arbeit unbezahlbar, aber individuell bedeutet sie oft ein finanzielles Risiko. Ausserdem entsteht in der Partnerschaft eine wirtschaftliche Abhängigkeit, die im Falle einer Trennung oder Scheidung finanziell spürbar wird.
Mündliche und vertragliche Absicherung
Experten empfehlen zuerst offen über die Situation zu sprechen und die Aufteilung der Arbeit zu regeln. Oft werden solche Fragen aus Scheu vor Konflikten vertagt oder ganz ausgeblendet. Doch gerade, weil Care-Arbeit über Jahre hinweg die finanzielle Situation massiv beeinflusst, ist eine offene Aussprache unverzichtbar.
Es sollte geklärt werden, wie die finanzielle Situation aussieht, wer welche Beiträge an die Vorsorge leistet, wie Haushaltsfinanzen organisiert werden und was im Falle einer Trennung oder Scheidung gelten soll. Dies gilt umso mehr für unverheiratete Paare oder solche im Konkubinat, die nicht von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Pensionskassenaufteilung im Falle der Scheidung profitieren.
Dem stimmt Raiffeisen-Expertin Näf zu: «Ich empfehle, sich bereits vor dem ersten Kind gemeinsam mit dem Partner beziehungsweise der Partnerin über unterschiedliche Teilzeitmodelle und die entsprechenden Auswirkungen auf die persönliche Budgetsituation zu erstellen.» Dadurch würden die Auswirkungen der Teilzeitarbeit bewusst und die Wahl des Teilzeitmodells beeinflusst. Es mache immer Sinn, seine aktuelle Vorsorgesituation zu analysieren, um passende Optimierungsmassnahmen vornehmen zu können, betont die Expertin.
Sie führt weiter auf: «Es ist immer wichtig, auch darüber zu sprechen, wie hoch die Kosten wären, wenn die Care-Arbeit leistende Person aufgrund von Invalidität oder sogar Todesfall dies nicht mehr ausführen könnte.» Beispielsweise gelte es zu beachten, wie hoch der Lohnausfall wäre, wenn der Partner sein Pensum reduzieren müsste oder wie hoch allfällige externe Betreuungskosten sind. Dieser Betrag müsste ebenfalls abgesichert werden.
Ein Partnerschaftsvertrag kann in den meisten Fällen helfen. Damit wird die mündliche Vereinbarung schriftlich festgehalten und somit abgesichert. Ein solcher Vertrag könnte ergänzend regeln, dass gewisse finanzielle Entschädigung geleistet wird oder im Falle einer Scheidung oder Trennung zusätzliche Kompensationen vorgesehen sind.
Entlöhnung des Partners
Immer wieder wird die Idee diskutiert, Care-Arbeit wie eine Anstellung innerhalb der Partnerschaft zu behandeln. Der erwerbstätige Partner zahlt der Care-Arbeit leistenden Person einen Lohn – mit Sozialabgaben, AHV-Beiträgen und allem, was dazugehört.
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass diese Lösung nicht einfach umzusetzen ist. Ein solches Arbeitsverhältnis muss sauber ausgestaltet sein, mit Lohnabrechnungen, Abgaben und gegebenenfalls Steuerfolgen. Der administrative Aufwand ist beträchtlich, und steuerlich ergibt sich selten ein Vorteil, da das Einkommen lediglich von einem Partner auf den anderen verschoben wird.
Laut Melanie Näf würde eine Entlöhnung im Konkubinat theoretisch Sinn machen, da kein Vermögensausgleich stattfindet. «Jedoch wäre dies steuerrechtlich betrachtet eine Schenkung unter Nichtverwandten und somit – aus finanzieller Sicht – oftmals uninteressant», führt sie aus.
Bei verheirateten Personen sieht die Lage ähnlich aus: Ohne ehevertragliche Regelung gilt in Ehen die Errungenschaftsbeteiligung, wonach eine gegenseitige Bezahlung wenig Sinn macht. «Ein hin und her buchen des Lohns zwischen den Partnern hat keinen Einfluss auf die Absicherung bei Scheidung oder Tod des Ehepartners», erklärt Näf. «Der Partner mit dem höheren Einkommen könnte mit seinem Mehrverdienst in eine freiwillige Vorsorge für den anderen Ehepartner einzahlen, was beim Konkubinat ebenfalls als Schenkung betrachtet werden würde.»
Bei der freiwilligen Vorsorge für den Partner gibt es die Möglichkeit, sich im Konkubinat sogenannte Erziehungsgutschriften vollständig statt nur zur Hälfte anrechnen zu lassen. Diese dienen dazu, die Lücke im Erwerbseinkommen während der Kindererziehungsjahre auszugleichen. Damit wird die individuelle Vorsorgeleistung aus der 1. Säule erhöht.
Private Vorsorge stärken
Der vermutlich einfachste Schritt ist es, die private Vorsorge zu stärken. «Freiwillige Absicherungs- und Sparmöglichkeiten im Rahmen der 3. Säule sind eine wichtige Massnahme für alle», meint Näf. Dies kann einerseits anhand der Säule 3a erfolgen, oder anhand der Säule 3b. Bei ersterer muss beachtet werden, dass das Geld nicht frei verfügbar ist. So kann beispielsweise im Falle einer Auswanderung, einer Firmengründung oder dem Kauf einer Immobilie darauf zugegriffen werden. Andernfalls liegt das Geld bis zur Pensionierung unzugänglich auf dem Konto.
Ein Investment in die Säule 3b kann über verschiedene Anlageprodukte erfolgen. Immobilien, Edelmetalle, Anleihen oder Aktien. Mithilfe einer solchen Investition kann zusätzliches Kapital geschaffen werden, das üblicherweise frei zugänglich ist. Bereits kleine Beiträge schaffen einen Unterschied.
So ergibt sich bei einer regelmässigen Anlage in Aktien von 100 Franken pro Monat, bei einer Rendite von 5 Prozent nach 25 Jahren ein Mehrertrag von über 28'000 Franken. Die Höhe des Betrages spielt dabei weniger einer Rolle, als frühzeitig anzufangen und regelmässig zu investieren.
Gerade für Personen, die über ein tiefes Einkommen verfügen aufgrund Teilzeitarbeit, lohnt es sich, das Risiko weitestgehend zu minimieren. Daher sind ETFs oder Fondssparpläne eine Überlegung wert. Ein ETF ist ein börsengehandelter Indexfonds, der einen Korb von Einzelaktien abbildet. Mit einem ETF- oder Fondssparplan reduziert sich das Risiko noch weiter. Dabei sind ETFs aufgrund des passiven Managements in der Regel günstiger als aktive Fonds.