cash: Fidelity rief europäische Banken dazu auf, 'pragmatische Dividendenstundungen umzusetzen'. In der Schweiz haben UBS und Credit Suisse nun entschieden, die Dividende zur Hälfte aufzuschieben. Pragmatisch genug?

Matthew Jennings: Wir wollen nicht einzelne Banken beurteilen, die weiterhin Dividenden zahlen. Jede Bank hat andere Geschäftsmodelle, andere Bilanzen oder Kreditportfolios, jede Bank arbeitet unter völlig anderen Bedingungen. Deshalb kann es natürlich für einige Banken gerechtfertigter sein, Dividenden zu zahlen als für andere. Aber dazu wollen wir uns nicht einzeln äussern.

Finanziell sind die Banken in der heutigen Krise doch viel besser aufgestellt als 2008. Rechtfertigt das nicht Dividendenausschüttungen?

Das ist schwer zu generalisieren. Wir haben in Europa unterschiedlich starke Bankensektoren. Es ist kein Geheimnis, dass der italienische Bankensektor seine Probleme hat, während Banken in Nordeuropa robuster aufgestellt sind. Trotzdem: Wir zeigen auf keine einzelnen Banken, sondern mahnen allgemein zur Vorsicht. Die Banken müssen sich ihrer wichtigen Rolle im Finanzsystem bewusst sein. Die Dividenden aufzuschieben, bis die Dauer dieser Krise und deren Konsequenzen klarer werden, könnte für einige Banken jetzt der richtige Weg sein.

Was ist mit Unternehmen aus anderen Geschäftsfeldern?

Unser Aufruf, Dividendenzahlungen auszusetzen, ging spezifisch an die Banken. Andere Unternehmen sollten noch gut in der Lage, Dividenden zu zahlen – und sollten das auch tun.

Und zwar?

Auch hier sollte man nicht verallgemeinern. Betrachtet man jedoch unser Portfolio, so erwarten wir, dass die meisten unserer Unternehmen im Bereich der Basiskonsumgüter eine Dividende zahlen werden. Unilever beispielsweise ist der weltgrösste Seifenhersteller, Kimberly Clark stellt unter anderem Toilettenpapierrollen her und Colgate-Palmolive liefert Zahnpasta, Seife und andere Körperpflegeprodukte. Diese Kategorien dürften sich alle als relativ widerstandsfähig erweisen. Auf der anderen Seite ist Diageo, das einen grossen Teil des Umsatzes mit Bars und Restaurants erzielt, möglicherweise einem höheren Risiko ausgesetzt.

Und wer sollte sich zurückhalten?

Offenkundig schwer wird es für Unternehmen mit einem hohen Anteil an diskretionären Einnahmen, wie zum Beispiel Teile der Einzelhandelsbranche. Für einige Unternehmen könnte der Umsatz nahe Null liegen. Selbst der Onlineverkauf ändert bei vielen Unternehmen nichts am schwierigen Umfeld. Zudem werden die Airlines offenkundig keine Dividenden zahlen können, zumal sie vielerorts Hilfen vom Staat erhalten.

Durch die Corona-Krise kamen die Märkte ordentlich unter die Räder. Wie stark traf es Ihren 'Fidelity Global Dividend Fund'?

Uns kommt zugute, dass wir unsere Fonds nach sehr defensiven Kriterien ausrichten. Wir bevorzugen stabile, wenig konjunktursensitive Unternehmen. Zudem achten wir auf eine gute Bilanzqualität. Durch diesen Ansatz konnten wir die Verluste bisher eingrenzen und uns von der allgemeinen Marktentwicklung abheben. Aber natürlich konnten auch wir uns den fallenden Märkten nicht völlig entziehen.

Wie viele Unternehmen in Ihrem Fonds haben Ihre Dividenden ausgesetzt?

Momentan haben nur zwei der 48 Unternehmen in unserem Fonds angekündigt, die Dividende aufzuschieben, nämlich Sandvik und RSA. Wir erwarten allerdings weitere Ankündigungen. Einige Unternehmen in unserem Portfolio sind zweifellos von der Krise betroffen und werden Dividenden aussetzen müssen, obwohl sie eigentlich defensiv ausgerichtet sind. Nach der Krise erwarten wir aber eine schnelle Erholung dieser Unternehmen.

Das klingt nach künftigen Einstiegsgelegenheiten. Nennen Sie uns Beispiele.  

Ein Beispiel wäre Informa, ein Event- und Messebetreiber. Eigentlich ein sehr defensiver Sektor, aber in Zeiten von Coronavirus wo Menschenansammlungen verboten sind, brechen die Umsätze weg. Ein anderes Unternehmen wäre Ferrovial, ein Spezialist für Verkehrsinfrastruktur aus Spanien, der viele Assets in der weltweiten Verkehrsinfrastruktur besitzt – unter anderem Anteile am Heathrow Airport in London. Auch hier handelt es sich um ein eigentlich stabiles und defensiv ausgerichtetes Unternehmen, welches jetzt unter der Coronavirus-Krise leidet.

Bei welchen Dividendentiteln haben sie in der Krise aufgestockt?

In der Schweiz haben wir bei Roche unsere Position vergrössert. Natürlich überzeugt uns ohnehin die attraktive Pipeline an neuen Medikamenten. Doch durch das Covid-19-Virus erhält das Unternehmen als führender Anbieter von Coronavirus- Testkits noch zusätzlichen Schub. Regierungen weltweit setzen hier auf Roche. Wir haben den Kursabfall, dem sich selbst Roche nicht widersetzen konnte, für Nachkäufe genutzt.

Wo noch?

Zudem haben wir beim Cisco Systems nachgekauft. Das US-Unternehmen liefert viele technische Komponenten, die essentiell für die Telekommunikation sind. Unter anderen bieten sie Lösungen für Videokonferenzen an. Ein Bereich der gerade jetzt immer wichtiger wird. Auch hier haben wir die Kurskorrekturen für Zukäufe genutzt.

Generell gefragt: Was sind wichtige Kriterien bei der Auswahl von Dividenden-Titeln auch in Zeiten von Corona?

Wichtige Punkte sind für uns etwa die Free-Cashflow-Rendite oder ein stabiles, zukunftsträchtiges Geschäftsmodell. Aber besonders ein Punkt wird jetzt noch wichtiger als ohnehin schon: Solide Bilanzen mit wenig Schulden. Gerade jetzt kann man gut beobachten, dass sich verschuldete Unternehmen in der Krise schwer tun.

Zeigen die Aussetzungen der Dividenden in der Corona-Krise eigentlich, dass Dividendentitel eben doch keine echte Alternative zu Fixed-Income-Anlagen sind?

Die Wahrheit ist, es gibt Gemeinsamkeiten, aber auch wichtige Unterschiede zwischen Fixed-Income-Anlagen und Dividendenaktien. Die Corona-Krise hat viele daran erinnert, dass in der Anlageklasse Aktien selbst Dividenden-Titel keine Rendite garantieren können. Trotzdem gibt es auf lange Sicht immer noch gute Argumente für Aktien.

Matthew Jennings ist Investment Director bei Fidelity. Er arbeitet unter anderem für den 'Fidelity Special Values Trust', der vor allem in gelistete Unternehmen in Grossbritannien investiert sowie für den 'Fidelity Global Dividend Fund'. Dieser Fonds fokussiert sich auf solide Dividenden-Titel weltweit.