Die Welt des Anlegens steht an einem schwierigen Punkt. Mit dem Krieg in der Ukraine ist im Februar für die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft ein neues Risiko entstanden. Zugleich ist es ein Risiko, das bestehende Sorgen der Anlegerinnen und Anlegern auf verschiedene Weise verstärkt.
Bereits seit längerem beschäftigen sich die Börsen mit der hohen Inflation und steigenden Zinsen. Nun steigen auch als Folge des Krieges die Rohstoffpreise weiter an. Die Gefahr eines Wachstumseinbruchs, einer Rezession oder Stagflation ist real. Weiter stellt sich die Frage, ob die Gewinne der Unternehmen so stark bleiben wie 2021. Und klar ist auch, dass sich einiges an China entscheiden wird: Wirtschaftlich, politisch und möglicherweise militärisch.
Die Dauer dieser Krisen und das Ausmass der Risiken beeinflussen den weiteren Verlauf an den Aktienmärkten. Aber bei den Analysen, Datenauswertungen und Prognosen streiten sich Ökonomen und Spezialisten. Die Frage nun an die Leserinnen und Leser von cash.ch: Wenn Sie eines der aktuellen Risiken am stärksten gewichten wollen, welches ist dies?
Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine am 24. Februar hat die Weltordnung erschüttert. In der Ukraine sind Tod, Zerstörung und Flucht die Folgen des zynischen Grossmachtdenkens des russischen Staatschefs Wladimir Putin. Russland selbst ist zum meistsanktionierten Land der Welt geworden und steuert in Richtung Wirtschaftskollaps und Staatsbankrott. Der Krieg hat die Volatilität an den Aktienmärkten erhöht, setzt die Bondmärkte unter Druck und verteuert Rohstoffe. Ein hoher Ölpreis und gestiegene Metall- und Lebensmittelpreise beeinflussen die gesamte Weltwirtschaft. Leidtragende könnte auch die Chip-Industrie sein. Die Dauer des Krieges kann derzeit nicht abgeschätzt werden, während weltweit Bemühungen laufen, um ein Ende des Blutvergiessens zu erreichen.
Zinsen und Inflation
Seit Mitte 2021 steigen die Inflationsraten. Der Preisauftrieb in den USA war im Februar mit 7,9 Prozent so hoch wie zuletzt 1982. In der Eurozone erreichte die Rate mit 5,9 Prozent den höchsten Stand seit Einführung der Einheitswährung 1999. Die US-Notenbank Federal Reserve hat angesichts der Teuerung den Zinserhöhungs-Zug in Fahrt gesetzt, während die Europäische Zentralbank (EZB) noch zögert, aber Zinsschritte andeutet. Über Ausmass und Dauer gibt es unterschiedliche Prognosen und die Zinsszenarien für die nächsten zwei Jahre unterscheiden sich. Im Hintergrund steht die Erkenntnis, dass die Notenbanken, welche die Inflation lange kleinredeten, mehr reagieren als agieren. Dies hat an den Aktienmärkten zu Unsicherheit geführt, die zuletzt durch den Ukraine-Krieg noch verstärkt worden ist.
Gefahr einer Rezession
Tiefere Wachstumsaussichten und höhere Kosten für Firmen und private Haushalte wegen teurerer Rohstoffe sind praktisch unausweichlich geworden. Ein Prozentpunkt weniger Wachstum, dafür ein Prozentpunkt mehr Inflation: Etwa so sehen die jüngst revidierten Prognosen aus. Wie dramatisch sich dieser Mix auswirken wird, darüber gibt es Diskussionen. Unter Ökonomen wird debattiert, ob die hohen Ölpreise wie in den 1970er Jahren Vorboten für eine Rezession sein könnten. Rezessionen, also zwei Quartale in Folge mit Minus-Wachstum, sind möglich, aber nicht sicher. Bereits die Omikron-Welle Ende 2021 und Anfang 2022 drückte mancherorts das Wachstum ins Minus. Nun kommen die Folgen des Ukraine-Konflikts dazu. Je nach Ausmass können sich tieferes oder negatives Wachstum massiv auf die Aktienmärkte oder zumindest einige Börsensegmente auswirken.
Bewertungen und Gewinne
Die Ankündigung der US-Notenbank Federal Reserve Anfang Januar, die Zinsen im Lauf der nächsten Jahre anzuheben, hat die Bewertungen am Aktienmarkt wieder ins Zentrum gerückt. Hoch bewertete Wachstumsaktien sind in den vergangenen zweieinhalb Monaten deutlich gefallen, zum Teil um über 50 Prozent vom 52-Wochen-Hoch aus gesehen. Um erhöhte Bewertungen zu rechtfertigen, müssen die Gewinne solide sein. Zahlreiche Unternehmen aus allen Segmenten, am Schweizer Aktienmarkt genauso wie international, haben mit ihren 2021er Zahlen die Erwartungen übertroffen. Aber die Aussichten verdüstern sich angesichts neuer Herausforderungen wie steigenden Kosten und geopolitischer Disruptionen und stellen die weiteren Gewinnentwicklungen in Frage.
Wirtschaftliche und politische Rolle Chinas
Die jüngsten Coronavirus-Ausbrüche in China schrecken die Märkte auf. Das Land versucht weiterhin, die Fallzahlen mittels einer "Zero-Covid-Strategie" tief zu halten, was angesichts der sehr ansteckenden Omikron-Variante und möglicherweise nicht sehr wirksamen chinesischen Impfstoffen schwieriger geworden ist. Regionale Lockdowns gefährden nun die Konjunktur. Dazu ist Chinas Rolle im Ukraine-Konflikt unklar: Würden die autoritären Regierungen in Peking und Moskau enger zusammenarbeiten, könnte es zum Konflikt des Westens mit der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt, China, kommen - bis hin zu Sanktionen. Ein Extremszenario ist auch ein chinesischer Angriff auf Taiwan. Dazu kommt, dass eine repressivere Wirtschaftspolitik seit 2021 die chinesischen Aktienmärkte belastet.