cash.ch: Der Verlust der Migros als grösster Kundin im Kreditkartengeschäft hat Cembra an der Börse hart zugesetzt. Der Aktienkurs hat sich auch mehr als eineinhalb Jahre später nicht erholt. Wie ordnen Sie die Situation ein?

Holger Laubenthal: Uns liegt natürlich daran, den Wert des Unternehmens nachhaltig und langfristig zu steigern. Aber die Schwankungen des Aktienkurses hängen kurz- und mittelfristig auch von ganz vielen anderen Faktoren wie Bankenkrise oder Zinsschwankungen ab. 

Das Kursminus beträgt 12 Prozent seit Jahresbeginn. Wann wird die Situation für die Aktionärinnen und Aktionäre wieder erträglicher?

Wir haben eine klare Strategie und quantitative Ziele klar kommuniziert. Wir gehen davon aus, dass sich diese mit der Umsetzung im Unternehmenswert am Markt widerspiegeln. Man darf auch nicht vergessen: Wir haben in den letzten anderthalb Jahren über 220 Millionen Franken an Dividenden ausbezahlt. 

War die Migros ein zu grosses Klumpenrisiko?

Ein grosser Anteil des Kreditkartenportfolios kam aus der Partnerschaft mit der Migros. Das zeigt, wie erfolgreich diese Partnerschaft war. Man sieht aber auch, dass wir nach Beendigung einen guten Anteil der Kundschaft mit unseren Produkten behalten können. Stand Februar haben wir 50 Prozent der Karten auf unser neues Produkt Certo! migriert. Das zeigt, dass wir über die Migros-Partnerschaft hinaus der Kundschaft einen Mehrwert bieten.

Profitieren Sie hier nicht auch von der Trägheit der Kunden?

Wir machen diese Migration für unsere Kunden bewusst sehr, sehr einfach. Es gibt einen unkomplizierten Übergang von einem Produkt auf das andere. Die Nummer und der Pin sind dieselben, das Update in den Wallets erfolgt automatisch und wir haben den Kundenservice gestärkt. Das Produkt Certo! ist von den Konditionen her zudem attraktiv und kommt auch bei den Neukunden sehr gut an.

War die Marktreaktion mit dem Kurseinbruch von über 30 Prozent im August 2021 übertrieben?

Die Tatsache, dass wir 50 Prozent der Karten per Ende Februar migriert haben, spricht für sich. Es beweist, dass wir eine gute Arbeit machen und nah an den Kunden dran sind mit guten Produkten.

Warum sind Sie so zuversichtlich, dass das Kapitel 'Migros' zügig abgeschlossen werden kann?

Wir haben es abgehakt. Es nützt nichts, wenn man nach hinten schaut. Wir schauen nach vorne. Wir konnten im letzten Jahr in allen Geschäftsbereichen organisch wachsen. Wir sind auf gutem Weg, dass wir uns über alle Geschäftsbereiche hinweg positiv entwickeln.

Für das Jahr 2023 erwarten Sie eine stabile Geschäftsentwicklung, ein Wachstum des Nettoertrags mindestens in der Grössenordnung des Wachstums der Schweizer Wirtschaft sowie eine anhaltend solide Verlustquote. Sind Sie auf gutem Weg, diese Ziele zu erreichen?

Ja, diese Erwartungen haben sich nicht geändert. 

Ist Cembra für Anlegerinnen und Anleger schlussendlich auch eine Wette auf die Schweizer Wirtschaft?

Wenn man die Aktie der Cembra kauft, investiert man in ein robustes, solides und transparentes Geschäftsmodell. Aber das Thema Finanzierungslösung ist natürlich an die Wirtschaft gekoppelt. Die Schweizer Wirtschaft steht im internationalen Vergleich robust da. Insofern sind wir sehr zuversichtlich, was unsere Prognosen und Ziele angeht.

Also eine Wette auf die Schweizer Wirtschaft…

Ja, diese Verknüpfung gibt es natürlich. Ganz einfach gesagt: Wenn ich einen Autokauf finanziere, dann kommt dadurch Geld in Umlauf. Dieses geht in Löhne und Gehälter und sorgt für Wirtschaftswachstum. Dies zeigt die Bedeutung der Kreditvergabe für die Schweizer Wirtschaft und die Kopplung, die zwischen beiden besteht.

Inwiefern sorgen die steigenden Zinsen auch hierzulande dafür, dass die Konsumenten weniger ausgegeben und weniger Kredite aufnehmen?

Die steigenden Zinsen dämpfen ein Stück weit das Wirtschaftswachstum. Dies ist auch der Zweck hinter dem Unterfangen. Wir sind aber in der Schweiz diesbezüglich im internationalen Vergleich in einem weniger aufgeregten Umfeld. Auch im letzten Jahr konnten wir trotz steigender Zinsen in allen Geschäftsbereichen organisch wachsen.

Ist der Schweizer Konsument noch in einer guten Verfassung?

Das ist insgesamt so. Wir sind diesbezüglich zuversichtlich. 

Banken profitieren grundsätzlich davon, wenn die Zinsen steigen. Ist dies bei Cembra auch so?

Steigende Zinsen bedeuten für uns in erster Linie steigende Refinanzierungskosten. Deswegen haben wir im Sommer begonnen, Zinserhöhungen am Markt konsequent weiterzugeben. Dass das Geld etwas kostet, ist ja grundsätzlich gesund in einer Volkswirtschaft. Die lang anhaltende Niedrigzinsphase war doch eher eine Ausnahmeerscheinung. Und der Zyklus, den wir jetzt erleben, ist per se nichts Neues, und wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir damit umgehen können.

Cembra kann aber steigende Zinsen von Gesetzes wegen nicht unbeschränkt weitergeben…

Es ist eine Anpassung auf den Maximalzinssatz vorgenommen worden. Sie müssen auch sehen, dass wir, was die Kundensegmente angeht, sehr breit aufgestellt sind. Die Einkommensquelle ist auch nicht nur der Zins, es stehen uns sehr viele Hebel zur Verfügung.

Wie beeinflusst die für die Schweiz hohe Teuerung den Geschäftsverlauf?

Dies spielt weniger eine Rolle. Wir sind in der Schweiz in einer relativ guten Situation. Auf Jahresbasis liegt diese wieder unter 3 Prozent, damit wären viele andere Länder sehr zufrieden. 

Sie haben mit den Jahreszahlen das Ziel einer Eigenkapitalrendite von 13 bis 14 Prozent für das Jahr 2023, sowie die mittelfristigen Ziele bestätigt. Hat sich an dieser Ausgangslage etwas geändert?

Daran hat sich nichts verändert.

Cembra gilt gemeinhin als sogenannte Dividendenperle. Die Ausschüttungen wurden zuletzt um 10 Rappen auf 3,95 Franken je Aktie erhöht. Können Anlegerinnen und Anleger auch zukünftig mit steigenden Dividenden rechnen?

Ja. Wir haben seit dem IPO durchgängig Dividenden bezahlt und konnten diese in den letzten Jahren jeweils steigern. Wir wissen aus Gesprächen, wie wichtig dies unserem Aktionariat ist. Und grundsätzlich verfolgen wir eine nachhaltige und langfristige Dividendenpolitik. Wir wollen stabile oder steigende Dividenden auszahlen.

Wird auch im Jahr 2024 die Dividende wieder erhöht?

Über die Dividende wird der Verwaltungsrat zur gegebenen Zeit entscheiden.

Wie spüren Sie die aufkommende Konkurrenz durch Neobanken?

Konkurrenz belebt das Geschäft, sage ich immer. Es spornt an, uns weiterzuentwickeln. Man kann auch von der Konkurrenz etwas lernen. Mir ist es sehr wichtig, das Umfeld zu beobachten. Noch wichtiger ist mir aber: Man gewinnt im Wettbewerb nicht dadurch, dass man die Konkurrenz schlägt, sondern durch die Entwicklung von werthaltigen Produkten und Services für die Kunden. Wir wollen die besten und intuitivsten Finanzierungslösungen im Schweizer Markt anbieten.

Auch die Neobanken wollen 'die besten und intuitivsten Finanzierungslösungen im Schweizer Markt anbieten'...

Wir sind seit vielen Jahrzehnten im Markt. Das ist ein Vorteil, mit dem wir arbeiten. Wir kennen die Kundinnen und Kunden seit langem. Wir sind im Markt vertreten auf verschiedenen Kanälen. Wir kennen das regulatorische und aufsichtsrechtliche Umfeld sehr gut und fühlen uns da wohl als Schweizer Bank. Wir sind in jeder Hinsicht mitten im Markt.

Können Sie Ihre Strategie ein bisschen präzisieren?

Zur Umsetzung unserer Strategie haben wir vier Programme definiert, die einer noch stärkeren Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen und der langfristigen Stärkung unseres Geschäftsmodelles dienen: Operational Excellence, wo es um Technologie, Systeme, Vereinfachungen und Effizienzen geht. Dann das Wachstum in unseren Kerngeschäftsbereichen wie dem Privatkredit, dem Leasing und bei den Kreditkarten. Der dritte Teil der Strategie ist neuen Wachstumsbereichen wie Embedded Finance und Buy Now Pay Later gewidmet. Der vierte Teil beinhaltet das kulturelle Veränderungsprogramm, in dem es darum geht, noch kundenorientierter und agiler zu werden und bereichsübergreifend noch besser zusammenzuarbeiten.

Wohin wird die Entwicklung für Cembra gehen?

Ein Beispiel dafür ist unsere neue Geschäftseinheit CembraPay, in der wir Swissbilling und Byjuno zusammenführen. Wir sehen, dass die Kundschaft, aber auch die Geschäftspartner vermehrt Flexibilität bei der Nutzung verschiedener Finanzierungslösungen nachfragen. Es geht um die maximale Möglichkeit, flexibel Produkte und Zahlungsmöglichkeiten zu wählen - und das natürlich vermehrt digital. Da sehen wir eine grosse Nachfrage und das ist für uns ein wichtiges Feld, um zu wachsen.

Sie wollen mit ihrem neuen Geschäftsbereich CembraPay im Bereich des Kaufs auf Rechnung stark expandieren. Warum versprechen Sie sich hier in den nächsten Jahren gleich zweistellige Wachstumsraten?

Ja, das erwarten wir. Dabei steht die Frage im Zentrum, wie sich das Thema Retail weiterentwickelt und wie die Durchdringung unserer Produkte dort aussieht. Man darf auch nicht vergessen, dass das Thema Kauf auf Rechnung in der Schweiz seit langem sehr populär ist. Wir bauen darauf auf und bieten den Kunden und Geschäftspartnern einfach noch mehr Flexibilität.

Das Wachstum in diesem Bereich wird prioritär behandelt?

Dieser Bereich ist ein wichtiger Teil unserer Wachstumsstrategie und wir wollen ihn stark ausbauen.

Stösst man mit dem alleinigen Fokus auf den Schweizer Markt nicht an Wachstumsgrenzen?

Wir sehen im Markt weitere Wachstumschancen. Wir haben ja auch gesagt, dass wir uns mindestens im Rahmen des Wirtschaftswachstums weiterentwickeln werden. Gerade der Bereich Embedded Finance und Buy Now Pay Later, wo wir gut und über dem Marktdurchschnitt wachsen, aber auch unsere Möglichkeit und Fähigkeit, Cross-Selling zu betreiben und die Produkte miteinander zu kombinieren, zeigt, dass wir durchaus noch Möglichkeiten zur Entfaltung haben. 

Das nahe Ausland ist für Cembra kein Thema?

Nein. Wir fokussieren uns auf die Schweiz.

Holger Laubenthal (geb. 1972, deutsche Staatsangehörigkeit) ist seit März 2021 CEO der Cembra Money Bank. Er hat einen MBA-Abschluss der Harvard Business School (2002) und ist Diplom-Ingenieur (entspricht einem Master of Science) im Wirtschaftsingenieurwesen. Holger Laubenthal ist auch Präsident des Verwaltungsrats folgender Konzerngesellschaften von Cembra: Swissbilling SA, Byjuno AG, Byjuno Finance AG und Fastcap AG.

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