"Der Bundeskanzler hat den Zeitpunkt seiner Reise entschieden", sagte Aussenministerin Annalena Baerbock diese Woche in Usbekistan. Nun müsse er die richtigen Botschaften nach China bringen: fairer Wettbewerb, Menschenrechte und die Anerkennung internationaler Regeln. EU-Industriekommissar Thierry Breton empfahl im Reuters-Interview, China mit Vorsicht zu begegnen. BASF-Chef Martin Brudermüller forderte, vom China-Bashing wegzukommen. Der Chemiekonzern will sein Engagement in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt ausbauen.

Für Scholz, der mit einer Wirtschaftsdelegation im Flieger nach China reist, ist der Besuch daher ein Drahtseilakt. Die Ampel-Koalitionspartner Grüne und FDP machen keinen Hehl daraus, dass sie die Reise des Kanzlers für falsch halten. Baerbock (Grüne) erinnerte den Kanzler von Zentralasien aus an den Koalitionsvertrag, in dem eine veränderte China-Politik verabredet worden sei. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hält den Zeitpunkt der Reise für "äusserst unglücklich". Dahinter steckt auch der Groll, dass das Kanzleramt gegen Grüne und FDP dafür sorgte, dass der Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco mit 24,9 Prozent in eine Betreibergesellschaft an einem Terminal des Hamburger Hafens nicht scheiterte.

Zuspruch bekommt Scholz vor allem aus der SPD: "Natürlich ist es richtig, dass der Kanzler nach China fährt", sagt SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt zu Reuters. "In diesen Zeiten ist es nötig, auch mit schwierigen Ländern zu reden und die eigenen Standpunkte zu vertreten", fügt die stellvertretende Vorsitzende der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe dazu. Die Bundesregierung müsse am Ende Farbe bekennen, wie man mit einem schwierigen Land wie China umgehen wolle, das man unter anderem für die internationale Klimapolitik brauche.

Ein entscheidendes politische Signal an Peking hat Scholz bereits gesendet: Seine erste Asien-Reise hatte ihn zum G7-Partner Japan und eben nicht ins Reich der Mitte geführt. Die ersten Regierungskonsultationen in seiner Amtszeit fanden mit der asiatischen Milliarden-Demokratie Indien statt und eben nicht mit dem kommunistischen China. Und in der gleichen Woche, in der der Kanzler nach China reist, besucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Südkorea und Japan. Aussenministerin Annalena Baerbock ist in Zentralasien unterwegs. Das neue Schlagwort des auf Exporte und Globalisierung angewiesenen Deutschlands lautet deshalb "Diversifizierung".

Vielfältige Kritik

Die Kritik entzündet sich an mehreren Punkten: In Europa wird die Reise als deutscher Alleingang bemängelt. Insidern zufolge hatte Scholz ein Angebot von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron abgelehnt, zusammen mit ihm nach Peking zu reisen. EU-Kommissar Breton sagte ebenfalls mit Blick auf die Scholz-Reise, er befürworte einen gemeinschaftlicheren Ansatz. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wies die Kritik zurück: Die Partner, auch die USA, seien in die Planung eingebunden.

Kritisch wird auch gesehen, dass Scholz bei seinem wegen der strikten Corona-Politik Pekings verschobenen Antrittsbesuch von den Chefs von Konzernen wie VW, BASF, BMW, Hipp und Merck begleitet wird. Die prominente Delegation erweckt den Eindruck, dass der Weg zu der auch von den Wirtschaftsverbänden BDI und DIHK beschworenen Diversifizierung noch weit ist - zumal die deutschen Investitionen in China im ersten Halbjahr nach Angaben des IW-Instituts ein Rekordniveau erreichten. Anders als früher sei aber bei dem Besuch keine Unterzeichnungszeremonie von Abschlüssen geplant, heisst es dazu in Regierungskreisen. Es sei eben kein "business as usual".

Dolkun Isa, der Präsident der Welt-Kongresses der muslimischen Uiguren, wirft Scholz dennoch vor, mit dem Besuch "Xi Jinping zu huldigen und dabei das menschliche Leid von Millionen Menschen völlig ausser Acht zu lassen." Für Deutschland stehe Profit weiter über Menschenrechten. Der Regierungssprecher hatte dagegen darauf verwiesen, dass der Kanzler bei seinem Besuch auch alle kritischen Themen wie Menschenrechte ansprechen werde. Die Bundesregierung hat zudem bereits Investitionsgarantien für die Provinz Xinjiang gestoppt, in der China laut einem UN-Bericht Uiguren massiv unterdrückt. "Wir fordern, dass das Thema Menschenrechte mindestens so prominent auf dem Tisch gebracht wird wie wirtschaftliche Interessen", fordert Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch.

(Reuters)