"Das weisse Papier steht für alles, was wir sagen wollen, aber nicht sagen können", sagte Johnny, 26, am letzten Sonntag bei einer der vielen Protestveranstaltung entlang der 3. Ringstrasse der chinesischen Hauptstadt in der Nähe des Liangma-Flusses. "Wir wollen wieder ein normales Leben führen. Wir wollen Würde haben." Bilder und Videos, die am Wochenende in sozialen Medien veröffentlicht wurden, zeigten Studenten an verschiedenen Elite-Universitäten von Nanjing bis Peking, die in stillem Protest weisse Blätter ohne Beschriftung hochhielten - um sich einer Zensur oder Verhaftung wegen verbotener Parolen zu entziehen.

Auslöser für die Proteste war ein Feuer in einem Hochhaus in Urumqi. Es war am Donnerstagabend ausgebrochen, zehn Menschen kamen dabei ums Leben. In sozialen Netzwerken verbreitete sich die Ansicht, dass das Gebäude wegen der Corona-Beschränkungen teilweise verschlossen war und es viele Bewohner deshalb nicht rechtzeitig heraus schafften. Vertreter der Stadt erklärten, dass die Massnahmen Entkommen und Rettung nicht behindert hätten.

Seltene Proteste

Öffentliche Proteste sind in China selten. Unter Präsident Xi Jinping wurden abweichende Meinungen fast vollständig untersagt. Die Bürger bedienen sich daher meist der sozialen Medien, um ihrem Ärger Luft zu machen. Oft ist es ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden bis zur Entdeckung und Zensur. Mehrere Internetnutzer zeigten sich mit den Aktionen an den Universitäten solidarisch, indem sie weisse Quadrate oder Fotos von sich selbst mit leeren Blättern auf WeChat oder Weibo posteten. Seit Sonntagmorgen ist der Hashtag "white paper exercise" auf Weibo blockiert.

Auch in Hongkong hielten Aktivisten im Jahr 2020 aus Protest weisse Papierbögen hoch, um Slogans zu vermeiden, die nach dem neuen Gesetz zur nationalen Sicherheit verboten sind. Auch in Moskau haben Demonstranten in diesem Jahr damit gegen den Krieg Russlands mit der Ukraine protestiert.

(Reuters)