Nun schwingt sich die Volksrepublik auf, sich nicht nur als Weltmacht in einer veränderten Ordnung zu etablieren, sondern auch als Friedensstifter im Ukraine-Konflikt. Mit Spannung wird daher eine "Friedensrede" des chinesischen Präsidenten Xi Jinping erwartet. Halten soll er sie am Freitag, dem Jahrestag der russischen Invasion, wie der italienische Aussenminister ankündigte. Ein Richtungswechsel - weg von Russland - geht Experten zufolge damit aber nicht einher.

"Die Friedensbemühungen Chinas bleiben erst mal rhetorisch", sagt Li Mingjiang, Professor für Internationale Beziehungen an der S. Rajaratnam School of International Studies in Singapur. Mit echten Taten sei zunächst nicht zu rechnen. "Das wird eine kleine Anpassung, keine substanzielle Änderung von Chinas Politik bezüglich des Krieges." Wenn es hart auf hart käme, sind sich Diplomaten und China-Kenner einig, stünde China zu Russland. "Der grösste Beitrag, den China leisten könnte, wäre Russland die Unterstützung zu entziehen, Russland aufzurufen, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen und die Ukraine finanziell zu unterstützen", sagt ein europäischer Diplomat. "Das ist wenig realistisch."

Diese Einschätzung wird gestützt durch den Besuch des chinesischen Top-Diplomaten Wang Yi am Mittwoch in Moskau. Er und Putin kündigten bei ihrem Treffen an, die Partnerschaft ihrer beider Länder zu vertiefen. Das sino-russische Verhältnis richte sich nicht gegen Dritte und werde auch nicht dem Druck Dritter nachgeben, sagt Wang. Kurz vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine vor fast einem Jahr hatten Putin und Präsident Xi bereits eine umfassende Partnerschaft verabredet. Im vergangenen Jahr sprach Xi regelmässig mit Putin, aber nicht ein Mal mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

China importiert mehr aus Russland

Auch wirtschaftlich gibt es Folgen: 2022 stiegen Chinas Einfuhren russischer Waren sprunghaft an, während der Handel mit der Ukraine zurückging. Öl konnte China preiswerter einkaufen und damit gleichzeitig die Mengen erhöhen. Damit wird Russland immer abhängiger von dem grossen Nachbarn in Asien und macht sich eher zum Juniorpartner. "China macht das aus purem Eigeninteresse", sagt Alexander Gabuev von der Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden. Mit Waffenlieferungen an Russland rechnen Diplomaten und Experten vorerst nicht.

"Sollte die militärische Unterstützung für die Ukraine aber eine Niederlage Russlands wahrscheinlicher werden lassen, dann sollte sich die internationale Gemeinschaft darauf einstellen, dass China das verhindern will", sagt Tong Zhao, Atomexperte bei der Carnegie Stiftung. Die Regierung in Peking versuche sowohl die Beziehung zu den USA zu stabilisieren als auch eine Niederlage Russland zu vermeiden.

Auch wenn China grundsätzlich für Frieden sei, hat es Analysten und Diplomaten zufolge kein Interesse an einem Ende des Kriegs in der Ukraine. Das könnte sowohl Putin als auch seine Regierung gefährden und in dem Riesenland für Unsicherheit sorgen. "Für Peking ist die Schlüsselfrage nicht, ob der Krieg enden soll, sondern wie", sagt Benjamin Herscovitch, Wissenschaftler an der Australian National University. "Für China ist Russland immer noch zentral, um Macht und Einfluss der USA zu schwächen und eine multipolare Welt aufzubauen."

(Reuters)