Die Angst vor einem Wirtschaftsabschwung ist allgegenwärtig. Das lässt sich auch an der Aktienkursentwicklung von Clariant ablesen. Noch immer trennen die Aktie gut 16 Prozent von den Jahreshöchstkursen vom April bei 22,45 Franken. Im Jahresvergleich errechnet sich sogar ein Minus von über 30 Prozent.

Das überrascht nicht, verdient der Baselbieter Spezialitätenchemiehersteller sein Geld unter anderem doch mit Pigmenten oder Polymeren und beliefert unter anderem die Automobilindustrie. Damit ist das Unternehmen dem Wirtschaftszyklus voll ausgesetzt.

Allerdings hinterliess in den letzten Monaten nicht nur die Angst vor einem Wirtschaftsabschwung Spuren in der Kursentwicklung. Ende Juli wurde bekannt, dass Clariant und der saudische Ankeraktionär Sabic ihre Pläne für die Schaffung eines gemeinsamen Geschäftsbereichs überraschend auf Eis legen (cash berichtete). Hinzu kamen geradezu erschreckend schwache Halbjahreszahlen. Alleine an jenem Tag ging die Clariant-Aktie um fast 10 Prozent tiefer aus dem Handel.

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Die britische Barclays sieht darin nun eine günstige Kaufgelegenheit. In einer Unternehmensstudie stuft die Grossbank die Aktie von "Equal Weight" auf "Overweight" herauf, was einer Kaufempfehlung gleichkommt. Das Kursziel lautet wie bis anhin 24 Franken.

Der Kurs der Clariant-Aktie hat sich in den letzten 12 Monaten fast halbiert (Quelle: www.cash.ch)

Die Rechnung scheint denkbar einfach: Zu aktuellen Kursen bewertet die Börse den Spezialitätenchemiehersteller aus Muttenz, als würde die seit Sommer zum Verkauf stehende Sparte Plastics & Coatings gar nicht existieren. Findet Clariant einen Käufer für den Geschäftsbereich, und davon ist auszugehen, könnte der geschätzte Verkaufserlös von 1,75 Milliarden Franken über eine Sonderdividende oder ein Aktienrückkaufprogramm an die Aktionäre zurückgeführt werden. Das entspräche fast 30 Prozent des momentanen Börsenwerts.

Genau aus diesem Grund trägt die Kaufempfehlung auch den zugegebenermassen etwas reisserischen Titel "Kaufe drei Sparten, erhalte eine gratis".

Grossbank verschweigt jedoch einschneidende Schätzungsreduktionen

Nicht weniger interessant als diese Berechnungen zum Wert der Summe der vier Geschäftsbereiche sind die Aussagen der Grossbank in Bezug auf die Absichten des Ankeraktionärs Sabic. Nachdem Barclays den Führungsverantwortlichen bei Sabic auf den Zahn gefühlt haben, glauben sie nämlich nicht, dass die Verschmelzung eigener Geschäftsbereiche mit ähnlich gelagerten Aktivitäten von Clariant vom Tisch ist. Die Grossbank sieht in diesem Zusammenhang denn auch zusätzliches Überraschungspotenzial.

Was Barclays jedoch verschweigt: Nach einer einschneidenden Reduktion der bankeigenen Gewinnschätzungen um fast 50 Prozent errechnet sich für das kommende Jahr ein eher stolzes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von fast 18 für die Aktie. Und auch die Dividendenrendite von 2,9 Prozent scheint nicht übertrieben attraktiv.