cash.ch: Herr Haferl, Comet bezeichnet sich als technologisch führend in der Halbleiterzulieferbranche. Was bedeutet das konkret?

Stephan Haferl: Konkret heisst das, dass wir Produkte anbieten, die bezüglich technischer Performance, Qualität und Zuverlässigkeit die sogenannten «High-Value-Probleme» unserer Kunden lösen. Hier befinden wir uns in einem «Sweet Spot» und haben eine hervorragende Positionierung. Denn wir liefern die strategisch zentralen Komponenten und Systeme, die für die Chipproduktion erforderlich sind.

Welche Marktanteile machen Sie führend, wie Sie sagen?

Genaue Marktanteile sind relativ schwierig zu erheben. Wir schätzen jedoch, dass wir weit über 50 Prozent Marktanteil haben - sei es bei den Vakuum-Kondensatoren oder bei den Röntgenröhren. Bei den Matchboxes, ein Modul aus dem Plattenkontrollbereich haben wir auf jeden Fall eine führende Position - dort sind wir Weltnummer 1. 

Je nach Jahr investieren Sie zwischen 5 bis 15 Prozent des Umsatzes, um diesen Vorsprung beizubehalten. Gewisse Konkurrenten geben zwischen 4 bis 6 Prozent aus.

Derzeit investieren wir tatsächlich etwas mehr als im langjährigen Durchschnitt. Das kommt daher, dass wir in Malaysia einen eigenen Produktionsstandort aufbauen. Vielleicht etwas salopp gesagt, soll dieser unser «Hauptsitz im Osten» werden. Die Halbleiterindustrie ist für Comet ein enorm wichtiger Wirtschaftszweig. Mehr als 70 Prozent unseres Umsatzes erzielen wir dort, den Grossteil davon in Asien. In dieser Industrie müssen wir nah am Kunden sein, sei es mit Entwicklungs-Designleistung, der Produktion und zunehmend auch weiteren Dienstleistungen. Penang in Malaysia, das ist so etwas wie ein Epizentrum für den gesamte Halbleitersektor, also es gibt keinen Namen, den Sie kennen oder vielleicht auch nicht kennen, der dort nicht vertreten ist. Deshalb bauen wir dort nun massiv aus.

Was erhoffen Sie sich durch diese geografische Diversifikation?

Aktuell haben wir ein Klumpenrisiko mit unserem in Flamatt. Zwei strategisch zentrale Komponenten für die gesamte Industrie fertigen wir hier, nämlich Vakuumkondensatoren und Röntgenröhren. Mit diesem Schritt kommen wir der Forderung einiger unserer Kunden nach, dieses Lieferketten- und Standortrisiko zu reduzieren. Gleichzeitig gibt es mehrere zusätzliche «Knock-on-Effekte»: Bisher wurden wir als kleines Schweizer Technologieunternehmen mit sehr, sehr starkem Fokus auf die Schweiz wahrgenommen. Nun werden wir sichtbarer. Durch die Risikominimierung und zusätzliche Visibilität erwarten wir zusätzliche Neukunden.

Trotz der hohen Capex-Ausgaben wünschen sich gewisse Analysten noch mehr. Sie meinen, weil diese zu tief sind, dürfte der operative Hebel für eine Margensteigerung künftig ausbleiben. Was ist Ihre Einschätzung dazu?

Damit der operative Hebel überhaupt wirkt, muss ja erstmal die Erholung kommen (lacht). Das ist wahrscheinlich der wichtigste Punkt. Einen ansehnlichen operativen Hebel haben wir jedoch bereits in Flamatt. Relativ flexibel können wir hier bis auf vier Schichten hochfahren. Davon sind wir im Moment ein gutes Stück entfernt. Der zweite Hebel ist natürlich der Standort in Penang: Seit 2020 sind wir dort in der Miete mit nur einer Gruppenproduktkategorie vertreten. Diese können wir ebenfalls ausbauen. Mit dem Aufbau des eigenen Standorts dort haben wir zudem die Möglichkeit, mit den Vakuum-Kondensatoren, die heute ausschliesslich in der Schweiz hergestellt werden, nach oben zu skalieren.

Der Grossteil des Umsatzwachstums im ersten Halbjahr 2025 bei Comet war auf die KI-Branche zurückzuführen - rund 40 Prozent. Wie lange kann Comet ein solches Wachstum aufrechterhalten?

Das Wachstum von 40 Prozent erzielten wir in der Plasma-Geschäftseinheit (PCT). Diese Wachstumsraten können wir auch in nächster Zukunft gut aufrechterhalten. Sie dürfen nicht vergessen, dass dieser Geschäftsbereich vor zwei Jahren um sage und schreibe 50 Prozent eingebrochen ist. Nur um sich an der Ursprungsposition wieder einzufinden, müssen wir um 100 Prozent wachsen. Wie es jetzt im Moment aussieht, wird es dazu noch ein bisschen dauern - das Wachstum der Halbleiterbranche liegt weiterhin unter den Erwartungen. Doch wir sehen auch, dass die hohen Capex-Investitionen von Herstellern wie beispielsweise TSMC, welche eine Schlüsselposition im KI-Bereich und bei der Herstellung von Nvidia-Chips für Datenzentren einnehmen, noch auf sehr tiefen Volumen basieren. Sobald die KI-spezifischen Applikationen für die Massen hergestellt werden, also ein Smartphone, Laptop oder Auto mit dediziertem KI-Chipsatz, dürfte die Industrie vom sogenannten «Value Play» ins «Volume Play» überschwappen. In dieser Phase werden wir profitieren.

Haben Sie auch schon konkrete Erwartungen, wann das der Fall sein könnte?

Das ist die grosse Frage. Wir wissen nicht, wann eine neue «Killer-Applikation» kommt, die eine spezifische Hardware benötigt. Das sind typischerweise die Trigger, die zu einem starken Hochfahren der Volumen führen. Die andere Möglichkeit ist, dass die neuesten und besten Chips, insbesondere auch ein Technologiewechsel in Richtung einer neuen Topologie von Transistoren, nächstes Jahr in den Rollout kommen. Die Roadmaps dazu der grossen Hersteller wie TSMC sind eigentlich bekannt. Demnach ist der nächste grössere Rollout von Logikchips ab 2026 zu erwarten. Wir gehen deshalb davon aus, dass dann - mit der einen oder anderen Verzögerung - ein relativ starker Volumenzuwachs stattfinden wird. 

Donald Trump verunsichert ganze Märkte, auch Ihre Branche. Sehen Sie Langzeitrisiken durch diese fehlende Stabilität bis zum Antritt der nächsten US-Regierung?

Die Unsicherheit beim Konsumenten trifft vielleicht gewisse Branchen mehr, aber ich denke, es wirkt sich auf die gesamte Weltwirtschaft aus. Auch gehe ich davon aus, dass der Endkonsument irgendwann mal einen Sättigungseffekt entwickelt und man quasi sagt, «das ist nun die neue Normalität». Die Wirkung dürfte nachlassen. Doch das verlorene Vertrauen gewinnt man nicht so schnell wieder zurück. Die Zögerlichkeit der Kunden, sei es von privaten Konsumenten bis zu einem Unternehmen, dürfte deshalb anhalten.

Inwiefern beeinflussen diese Unsicherheiten Ihren Geschäftsausblick?

Bei vielen unserer Kunden hat es zu einer Zögerlichkeit geführt. Projekte werden erneut auf den Prüfstein gelegt oder verzögert, es kommen grundsätzliche Fragen über die Örtlichkeit der Produktion auf. Konkret sehen wir bei Bestellungen, dass sie verschoben und Lieferungen hinausgezögert werden. 

Wann erwarten Sie die Erholung?

Heute gehe ich davon aus, dass sich die Lage mit dem Jahreswechsel wieder verbessert. Das habe ich zwar schon Anfang 2024 gesagt, doch waren damals grundsätzlich die vorhin erwähnten positiven Veränderungen auf den verschiedensten Ebenen nicht ersichtlich.

Comet hat keine Nettofinanzverbindlichkeiten. Ihr Spielraum für Übernahmen, Investitionen oder Kapitalrückführung an Aktionäre ist enorm. Wie gehen Sie damit um?

Für uns ist es ein wichtiger Punkt, den Handlungsspielraum beizubehalten, aus eigener Kraft Investitionen machen zu können. Dazu gehören geographische Expansionen wie die in Malaysia oder aber, wenn es sich anbietet, Technologien einzukaufen oder Unternehmen zu übernehmen. Auch an unserer Dividendenpolitik werden wir festhalten. Die Dividende ist auf das Nettoergebnis zurückzuführen. Und ein Aktienrückkaufprogramm? Alles ist denkbar. Aktuell ist dies jedoch nicht in unserer Absicht, angesichts der technologischen Herausforderungen, welche auf die Gesamtindustrie zukommen.

Unterschiedliche Bewertungsgrössen weisen auf eine Unterbewertung der Comet-Aktien im Vergleich zu den Branchen-Peers hin - bis zu minus 20 Prozent je nach Kennzahl. Was denken Sie sind die Gründe?

Wir sind ja eine Wachstumsaktie. Trotz einzelner Wachstumsschübe, gerade in der Plasmakontrolltechnologie (PCT), lag es dennoch unter den Erwartungen. Besonders bei der Publikation der Halbjahresresultate war das Verfehlen der Erwartungen offensichtlich.

Was wäre Ihrer Meinung nach ein angemessener Wert für die Comet-Aktie? 

Ich bin überzeugt, dass wir unterbewertet sind. Wie stark, das entscheidet der Markt. Wiederum sind wir ja nicht ein Unternehmen, das über den Substanzwert bewertet wird oder den Cashflow. Wir bieten Wachstum, befeuert durch zwei Multigenerationentrends: die Digitalisierung und die Elektrifizierung. Und hier liefern wir neben neuralgisch wichtigen Produkten auch Systeme zur Prüfung.

Technologieunternehmen mit einem hohen Wachstum, starker Marktpositionierung und spürbarer Unterbewertung geraten immer wieder ins Fadenkreuz von Käufern oder aktivistischen Investoren. Wie schätzen Sie diese Gefahr für Sie ein?

Wir sehen da nicht viel Bewegung. Da wir eine kleine und doch eher komplizierte Gruppe sind, dürfte das Interesse einer Übernahme nicht gross sein. Zwar haben wir in unserer kleinen Gruppe eine faszinierend grosse Vielzahl von Schlüsseltechnologien und Schlüsselprodukten, doch wir sind nicht einfach zu integrieren. Auch von Seiten aktivistischer Investoren haben wir derzeit keine Indikation, dass da jemand draussen mit grosser Unzufriedenheit umhergeht und sich Gedanken macht und Partner sucht, um fundamentale Veränderungen an unserem Führungsstil herbeizuführen.

Stephan Haferl, schweizerisch-norwegischer Doppelbürger, verfügt über einen Master of Science in Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich und promovierte im Bereich Thermodynamik und Fluiddynamik. Seit 2007 ist er in verschiedenen Führungspositionen bei Comet tätig und leitet das Unternehmen seit September 2022 als CEO.

Luca_Niederkofler
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