Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu umstrittenen Krediten in Schweizer Franken legte das polnische Institut umgerechnet weitere 342 Millionen Euro zur Seite, wie die Commerzbank am Freitagabend in Frankfurt mitteilte. Damit summieren sich die Rückstellungen auf 1,7 Milliarden Euro. Und das muss noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. An der Börse kamen die Nachrichten am Montag schlecht an.
Kurz nach Handelsbeginn verlor die Commerzbank-Aktie rund drei Prozent an Wert und gehörte damit zu den Schlusslichtern im Dax . Schon am Freitag und damit vor Bekanntgabe der jüngsten Belastung hatte das Papier fast sechs Prozent eingebüsst, nachdem sein Kurs seit dem Urteil vom 15. Juni zeitweise leicht zugelegt hatte.
Commerzbank-Finanzchefin Bettina Orlopp hatte bereits kurz nach dem Urteil eine Belastung noch im zweiten Quartal für realistisch gehalten. Wie erwartet, sollen die 342 Millionen Euro noch im zu Ende gehenden Jahresviertel verbucht werden.
Die Vorsorge werde sich negativ auf das operative Ergebnis auswirken, teilte die Commerzbank weiter mit. Dennoch peilt der Vorstand des Dax-Konzerns für 2023 weiterhin einen Konzerngewinn deutlich über den 1,4 Milliarden Euro aus dem Vorjahr an. Für 2023 waren Analysten Ende Mai im Schnitt von knapp 2,2 Milliarden Euro ausgegangen.
Die Commerzbank legt ihrer Gewinnerwartung zwei Bedingungen zugrunde: So hängt die Prognose einerseits von der weiteren Entwicklung bei den Schweizer-Franken-Krediten der Tochter mBank ab. Zudem basiert sie auf der Annahme, dass es nur zu einer milden Rezession in Deutschland kommt.
Der EuGH hatte polnischen Bankkunden im Streit über Kredite in Schweizer Franken Mitte Juni den Rücken gestärkt. Wird ein Darlehensvertrag über eine Hypothek wegen missbräuchlicher Klauseln für nichtig erklärt, können die Betroffenen unter Umständen Entschädigung von der Bank verlangen.
Das Urteil bezog sich auf eine andere polnische Bank und dürfte noch weitere polnische Kreditinstitute teuer zu stehen kommen. Die Geldhäuser müssen nun hohe Rückstellungen für das rechtliche Risiko der Franken-Kredite bilden. Im Herbst hatte die polnische Finanzaufsichtsbehörde geschätzt, dass bei einem negativen Urteil des EuGH auf den Bankensektor Kosten von 100 Milliarden Zloty (22,5 Mrd Euro) zukommen könnten. Wegen der Belastungen schloss sie eine Bankenkrise nicht aus.
In Polen und anderen osteuropäischen Ländern waren Kredite in Schweizer Franken besonders ab dem Jahr 2004 beliebt. Die Banken boten sie zu einem wesentlich günstigeren Zinssatz als Kredite in der heimischen Währung Zloty an.
Das böse Erwachen für die Immobilienbesitzer kam später: Infolge der Wirtschaftskrise 2008 stieg der Kurs des Franken. Eine weitere Aufwertung im Vergleich zum Zloty erfuhr die Schweizer Währung 2015 nach der Abkoppelung vom Euro. Für die polnischen Kreditnehmer stiegen die monatlichen Ratenzahlungen drastisch. In vielen Fällen übersteigt das Volumen der Hypothek den Wert der Immobilien.
Die "Frankowicze", wie sich die mehreren Hunderttausend gut organisierten Betroffenen nennen, argumentierten, dass viele Klauseln in ihren Kreditverträgen nicht in Ordnung gewesen seien. Viele dieser Verträge wurden von Gerichten bereits für nichtig erklärt. Dem Urteil des EuGH zufolge können die Betroffenen von den Banken nicht nur die gezahlten Raten, sondern auch eine Entschädigung verlangen. Nun muss das nationale Gericht über den konkreten Fall entscheiden.
Die mBank versucht sich mit ihren Kunden aussergerichtlich zu einigen. "Unsere Strategie, die Beilegung von Streitigkeiten voranzutreiben, ist die richtige", hatte Commerzbank-Finanzchefin Orlopp nach dem Urteil gesagt. "Und wir werden das auf jeden Fall vorantreiben, um mit so vielen Kunden wie möglich Vereinbarungen und Einigungen zu erzielen."
Allerdings erwartete die Managerin, dass das Thema der Commerzbank und ihrer Tochter mBank noch eine Weile erhalten bleiben wird: "Gegen Ende dieses Jahres sollten wir ein klares Bild haben."
(AWP)