Credit Suisse werde auch 2023 einen "erheblichen Vorsteuerverlust" einfahren, warnte der Konzern am Donnerstag. Die massiven Abflüsse von Kundengeldern zum Schluss des Vorjahres und der Ausstieg aus grossen Teilen des Investmentbankings dürften tiefe Bremsspuren hinterlassen. "2024 sollten wir dann profitabel werden", prognostizierte Konzernchef Ulrich Körner. Selbst für 2025 peilt das Institut aber nur eine Eigenkapital-Rendite an, die von Analysten als "ambitionslos" eingestuft wird.

Die Aktie der Credit Suisse fiel am Donnerstag zeitweise 17 Prozent. Bei Handelsschluss resultierte ein Minus von 15 Prozent.

Kosten für die Sanierung und der Kollaps der Erträge im Investmentbanking brockten Credit Suisse den höchsten Fehlbetrag seit der Finanzkrise ein. Unter dem Strich stand ein Verlust von 7,3 Milliarden Franken nach einem Minus von 1,7 Milliarden Franken im Vorjahr. Einen höheren Fehlbetrag hatte die Credit Suisse zuletzt 2008 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ausgewiesen.

"Es war ein extrem herausforderndes Jahr für Credit Suisse", erklärte Körner. "Es war auch das Jahr, in dem der wichtige und notwendige Umbau unserer Organisation eingeleitet wurde."

Der frühere McKinsey-Berater hatte Ende Oktober einen tiefgreifenden Umbau angekündigt, um die schwere Krise zu überwinden. Dabei will er grosse Teile des Investmentbankings aufgeben, die Kosten um 15 Prozent senken und bis 2025 rund 9000 der 52.000 Stellen streichen.

Rot, röter, Credit Suisse

Wegen Zweifeln an der finanziellen Verfassung des Konzerns zogen Kunden im Schlussquartal netto 110,5 Milliarden Franken ab. Zum Jahresende verwaltete die Bank noch Vermögen von rund 1,29 Billionen Franken. Die Massnahmen, um diesen Trend zu stoppen, griffen, erklärte Körner.

Im Januar habe die Bank Einlagenzuflüsse auf Gruppenebene verbucht. Unklar blieb zunächst, ob die Abflüsse von Vermögenswerten, die üblicherweise stabiler und rentabler für die Bank sind als Einlagen, anhielten. "Wir wollen die Assets, die wir verloren haben, definitiv zurückgewinnen", erklärte Körner.

Während der Jahresverlust der Credit im Rahmen der Erwartungen ausfiel, übertrafen die Abflüsse von Kundengeldern die Analystenschätzungen. Die Aktie brach im Tagesverlauf bis 12 Prozent ein und unterschritt die Marke von drei Franken. "Rot, röter, Credit Suisse", erklärte Daniel Bosshard, Analyst der Luzerner Kantonalbank mit Blick auf den Abschluss.

Der Bank sei es bisher nicht gelungen, das Vertrauen der Kunden wieder aufzubauen. "Die operative Performance der Credit Suisse war sogar noch schlechter als befürchtet und das Ausmass der Abflüsse war erschütternd", schrieb Thomas Hallett, Analyst bei Keefe, Bruyette & Woods. Die hohen Verluste dürften sich 2023 fortsetzen.

Ausfall-Versicherungen für Credit-Suisse-Anleihen hoch

Eine Reihe von Skandalen und Fehler im Risikomanagement hinterliessen bei der zweitgrössten Schweizer Bank nun fünf Quartale in Folge rote Zahlen. Die mauen Geschäfte und eine Reihe von negativen Schlagzeilen verschreckten auch die Kunden. Die Verunsicherung kulminierte Anfang Oktober mit wilden Spekulationen zur Zukunft der Bank in den sozialen Netzwerken. Inzwischen hat sich die Lage wieder etwas beruhigt, doch die Ausfall-Versicherungen für Credit-Suisse-Anleihen sind immer noch rund drei Mal teurer als etwa bei der Deutschen Bank.

Der grösste Mühlstein ist die Investmentbank, die über die Jahre wiederholt für schwere Verluste gesorgt hatte. Allein 2022 summierte sich das Minus dort auf 2,8 Milliarden Franken. Ende Oktober verabschiedete sich die Bank im Rahmen der Radikalkur endgültig vom Ziel, im Investmentbanking ein großes Rad zu drehen. Die Bonus-Summe für 2022 werde konzernweit halbiert, bei höherrangigen Mitarbeitern falle die Kürzung noch höher aus.

Grosse Teile des Geschäfts mit Übernahmeberatung und der Platzierung von Anleihen soll in die Tochtergesellschaft Credit Suisse First Boston (CSFB) ausgelagert werden, die bis Ende 2024 an die Börse gehen oder verkauft werden soll. Als CSFB-Chef ist der Wall-Street-Veteran Michael Klein vorgesehen. Dessen Investmentboutique The Klein Group LLC will Credit Suisse nun für 175 Millionen Dollar kaufen und in die CSFB einbringen. Der Stimmrechtsberater Ethos zeigte wenig Verständnis für den Kaufpreis. Zudem werfe die Transaktion mit dem früheren Credit-Suisse-Verwaltungsrat Fragen zur gute Unternehmensführung auf.

Auch Vermögensverwaltung für Reiche und Superreiche kränkelt

Von einem zweiten bedeutenden Bereich der Investmentbank trennt sich Credit Suisse noch früher: Ein grosser Teil ihres Geschäfts mit Kreditverbriefungen (Securitized Products Group) geht an den US-Finanzinvestor Apollo Global Management. Dieser Deal soll bis zur Jahresmitte abgeschlossen werden. In einem ersten Schritt verbuche die Bank damit einen Gewinn von 0,8 Milliarden Dollar.

Als Kernelement von Körners Umbau - dem dritten seit 2015 - soll die Vermögensverwaltung für Reiche und Superreiche einen noch grösseren Stellenwert erhalten. Doch auch dieses Geschäft kränkelt, im vierten Quartal fiel ein Verlust von 155 Millionen Franken an.

Credit Suisse begründete die Misere auch mit dem schwierigen Marktumfeld, doch vergleichbare Banken schnitten 2022 überraschend gut ab. Der Erzrivale UBS fuhr im vergangenen Jahr das beste Ergebnis seit 16 Jahren ein. Und die Deutsche Bank, die vor wenigen Jahren an einem ähnlichen Punkt stand wie die Credit Suisse jetzt, glänzte ebenfalls mit einem Milliardengewinn.

"Ein schwaches viertes Quartal 2022 beschließt ein schreckliches 2022, eindeutig eines der schlimmsten Jahre in der 167-jährigen Geschichte der Credit Suisse", erklärte Vontobel-Analyst Andreas Venditti. Der Umbau zur "neuen Credit Suisse" werde Zeit brauchen.

(Reuters)