Am letzten Freitag meldete sich Credit-Suisse-CEO Ulrich Körner in einer Mitteilung an die Belegschaft: "Ich weiss, dass es nicht einfach ist, angesichts der vielen Artikel in den Medien fokussiert zu bleiben - vor allem angesichts der vielen unrichtigen Behauptungen", schrieb Körner. Vor dem 27. Oktober (wenn die Bank das Drittquartalsergebnis vorlegt) könne er aber keine Einzelheiten zum Umbau des Konzerns bekannt geben.

Bis dahin werde es zweifellos bis Ende Oktober noch "mehr Lärm" an den Märkten und in den Medien geben, schrieb Körner in dem Memo. Die Bank sei mit ihrer Strategieüberprüfung aber "gut auf Kurs". Bereits in der vergangenen Woche hatte die CS-Führung die Belegschaft mit einem Memo zu beruhigen versucht.

Die Message Körners war klar: Wie machen unseren Job gut. Aber die da draussen wollen das nicht kapieren. Was Körner aber sicher auch weiss: Am Markt tummeln sich nicht nur leichtgläubige Idioten. Längst wird an internen Sitzungen bei Institutionellen Investoren gefragt und diskutiert, wie hoch ihr Exposure bei der Credit Suisse ist. Die Nahtod-Erfahrung der UBS sitzt der Schweiz noch tief im Nacken. Und an den Märkten sichern sich Händler zunehmend gegen die Zahlungsunfähigkeit der Credit Suisse ab, indem sie Credit Default Swaps (CDS) kaufen.

Darum war Körners internes Memo (oder wahrscheinlich: vor allem) eine Message an die Märkte. Denn er schrieb: "Ich hoffe (…), dass Sie unsere tägliche Aktienkursentwicklung nicht mit der starken Kapital- und Liquiditätsposition der Bank verwechseln». Kurz: Die CS hat eine starke Bilanz.

Ob dies den hartnäckigen Spekulationen wegen einer kräftigen Kapitalerhöhung den Wind aus den Segeln nimmt, bleibt abzuwarten. Diese Spekulationen hatten den Aktienkurs der Credit Suisse in den letzten Wochen unter 4 Franken gedrückt. Die Bank hatte zwischenzeitlich keine 10 Milliarden Franken an Börsenwert mehr. Derzeit beträgt die Marktkapitalisierung wieder 10,52 Milliarden Franken.

CS und Deutsche Bank sahen sich nach Finanzkrise in der Position der Stärke

Analysten von Keefe, Bruyette & Woods (KBW) sehen den Fall unter die Marke von 10 Milliarden Franken als "besorgniserregendes Zeichen". Nicht nur sie sehen bei der Credit Suisse Parallelen zur Deutschen Bank. "Wir befürchten, dass sich die Credit Suisse in einer ähnlichen negativen Rückkoppelungsschleife befindet wie die Deutschen Bank 2016", so die KBW-Analysten.

In der Tat gibt es zwischen den zwei Banken viele Parallelen. Wie die Credit Suisse musste die Deutsche Bank in der Finanzkrise keine staatlichen Hilfen beanspruchen. Die Institute sahen sich in der Position der Stärke. Der Deutschen Bank wurde diese Haltung im Nachhinein als Arroganz ausgelegt. Die Banken vergassen nach 2008, dass ihre Geschäftsmodelle in der Nach-Lehman-Ära eventuell nicht mehr funktionieren könnten wie zuvor. Anders als die UBS etwa liess die Credit Suisse den Problemverursacher Investmentbank unangetastet. 

In den letzten zehn Jahren häuften sich die Gemeinsamkeiten der beiden Finanzhäuser auch auf Personalebene: Unter dem kürzlich verstorbenen Co-CEO Anshu Jain gab es bei der Deutschen Bank zwischen 2012 und 2015 Skandale am Laufmeter. Etwas, das Tidjane Thiam, ab 2015 Chef bei der Credit Suisse, nahtlos übernahm. Auch zwischen Urs Rohner (CS) und Paul Achleitner (Deutsche Bank) gibt es frappante Ähnlichkeiten. Beide zögerten wichtige Strategieänderungen aus Angst vor Marktanteilsverlusten bis zu ihrem Abtritt hinaus.

Bei beiden Banken schauten und schauen die Hauptaktionäre dem Treiben zudem passiv zu. Bei der CS wie bei der Deutschen Bank stammen sie aus dem arabischen Raum, nämlich aus Katar (CS und Deutsche Bank) und Saudi-Arabien (CS). Aktionäre, welche bei beiden Banken investiert sind, spüren die Parallelen der beiden Banken fatalerweise auch in ihrem Portfolio. Sowohl bei der CS wie bei der Deutschen Bank ist der Aktienkurs von ihren Höchstständen um über 90 Prozent gefallen. Was die Marktkapitalisierung der "Deutschen" ebenfalls nah an 10 Milliarden Euro trieb. 

Auch die Credit Suisse wird nicht um einen massiven Stellenabbau herumkommen

Wie es bei der CS nun weiter gehen könnte, spurt ebenfalls die Deutsche Bank vor: Nach mehreren Anläufen gelang CEO Christian Sewing, seit April 2018 CEO, ab 2019 erste kleinere Erfolge. Er, der 2019 noch einen Jahresverlust von fast 6 Milliarden Franken mitverantworten musste, hat die Bank in den letzten drei Jahren radikal zurecht gestutzt. Dazu gehört auch ein Einschnitt beim Personal: Vor gut sechs Jahren hatte die Deutsche Bank noch mehr als 100’000 Angestellte. Ende 2022 sollen es nur noch etwas über 70'000 sein.

Auch die Credit Suisse wird nicht um einen massiven Stellenabbau herumkommen, um ein Mindestmass an Investorenvertrauen zurückzugewinnen. Sie sind Teil von Restrukturierungen, die in der Regel sehr viel Geld kosten. Bei der Deutschen Bank waren das fast 8 Milliarden Euro. Teuer werden vor allem Massnahmen bei der Investmentbank. Und da wird die CS kaum um eine Kapitalerhöhung herumkommen.

"Es gibt keinen wirklichen Weg, die Investmentbank zu restrukturieren, ohne Eigenkapital zu beschaffen. Es gibt keine schnelle Lösung. Dies wird langwierig und kostspielig sein, und die Interessen der Aktionäre stehen nicht unbedingt im Vordergrund", schreibt etwa IP Banking Research in einem Gastbeitrag auf "Seeking Alpa" dazu.

Das heisst: Aktionärinnen und Aktionären der Credit Suisse stehen lange, zähe Jahre bevor. Viele von ihnen werden die Kurse, zu denen sie die CS-Aktien auch noch in den letzten Jahren gekauft haben, nicht mehr erleben.

Und auch da wird es wahrscheinlich eine Parallele zur Deutschen Bank geben: Die Aktie der Deutschen Bank hat sich auch nach den Restrukturierungsmassnahmen nicht deutlich erholt. Sie notiert gar 45 Prozent tiefer als zu Sewings Amtsantritt 2018. Und noch immer 95 Prozent tiefer als im Mai 2007.