Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Regierung zusätzlich rund 20 Milliarden Dollar verlangen dürfte. Macht das Parlament keine Abstriche, könnte die UBS mit einem Verkauf von Firmenteilen oder auch weiteren Kostensenkungen reagieren, um die Aktionäre bei der Stange zu halten.

Die Schweiz ist ein gebranntes Kind. Nach der staatlichen Rettung der UBS im Jahr 2008 schritt die Regierung im März 2023 auch bei der Nummer zwei des Landes ein: Mit einer staatlich orchestrierten Notübernahme bewahrten die Behörden die Credit Suisse vor einem unkontrollierten Untergang, der eine weltweite Finanzkrise hätte auslösen können. Finanzministerin Karin Keller-Sutter sprach mit Blick auf die damaligen Ereignisse von einem «Nahtoderlebnis». Nun will die Regierung sicherstellen, dass es nie wieder zu einer solchen Krise kommt.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Regierung im April 2024 ein Bündel an Massnahmen vorgeschlagen. Während die meisten Vorschläge selbst von der UBS akzeptiert werden, ist die Kapitalfrage hoch umstritten. Nachdem die Regierung bisher erst die Stossrichtung vorgegeben hat, folgen am Freitag (übrigens dem 81. Jahrestag der Invasion der Alliierten in der Normandie, der «D-Day») nun die Einzelheiten.

Der grösste Brocken dürfte das zusätzliche Kapital sein, mit dem die UBS ihre ausländischen Tochtergesellschaften unterlegen muss. Der gegenwärtige Wert von 60 Prozent könnte dabei auf 100 Prozent steigen. Gemäss den Befürwortern würde die Massnahme den Verkauf von Auslandstöchtern in einem Krisenfall erleichtern. Die Regierung will zudem, dass Software-Eigenentwicklungen und Steuergutschriften nicht mehr angerechnet werden können. Die Mehrheit der Investoren rechnet einer kürzlichen Umfrage der Bank RBC bei Investoren zufolge damit, dass diese drei Effekte die UBS zwingen dürften, über 20 Milliarden Dollar an zusätzlichem Kapital aufzubringen.

Die UBS wehrt sich seit Jahren vehement gegen dieses Szenario. «Die Gewinner werden unsere Konkurrenten ausserhalb der Schweiz sein», sagte Konzernchef Sergio Ermotti kürzlich. «Sie warten nur darauf, dass dieser Unsinn vonstatten geht.»

Kostenoptimierung statt Wachstum?

Gegenwärtig muss die UBS 10,6 Prozent der risikogewichteten Aktiva als Kernkapital vorhalten. Damit sind die Anforderungen weniger streng als für die internationalen Rivalen Deutsche Bank mit 11,2 Prozent und Morgan Stanley mit 13,5 Prozent. Bis 2030 muss die UBS dann rund zwölf Prozent erreichen. Wenn die Schweiz der Bank zusätzliche Puffer auferlegt, könnten es über die Zeit bis zu 19 Prozent werden.

Der RBC-Umfrage zufolge teilen die meisten Investoren die Einschätzung, dass die UBS mit einer Kernkapitalquote von über 16 Prozent nicht mehr richtig konkurrenzfähig ist. Deutlich strengere Kapitalvorgaben könnten die Kreditvergabe der UBS in der Schweiz einschränken, erklärte Antonio Roman von Axiom Alternative Investments. «Die UBS wird in einen Modus der Kostenoptimierung und der Optimierung der risikogewichteten Aktiva wechseln müssen, statt in einen Wachstumsmodus.» RBC-Analystin Anke Reingen hält es auch für möglich, dass die UBS aus Geschäften aussteigen könnte.

Zehn Milliarden Dollar mehr Eigenkapital kosten die Bank eigenen Berechnungen zufolge jährlich rund eine Milliarde. Die zusätzlichen Kosten dürften den Gewinn des Instituts schmälern und die mittelfristigen Ausschüttungen von Dividenden und Aktienrückkäufe beeinträchtigen. Die Verunsicherung über die Kapitalanforderungen hat an der Börse bereits Spuren hinterlassen. Seit der ersten Ankündigung im April 2024 haben die Titel deutlich schlechter abgeschnitten als die vergleichbare Werte in Europa und den USA.

Doch einen Trumpf hat Ermotti noch. Die Vorgaben der Regierung können vom Parlament umgestossen werden. Bevor das Thema dort im kommenden Jahr debattiert wird, dürfte das Institut seine Lobbying-Maschinerie in Stellung bringen, um die Abgeordneten der traditionell bankenfreundlichen bürgerlichen Parteien auf ihre Seite zu ziehen. Ihre Chancen stehen nicht schlecht; SVP, FDP und Die Mitte kommen in Bern auf eine deutliche Mehrheit.

«Wichtig zu wissen ist, dass es ein Vorschlag ist, der noch jahrelang debattiert wird, bevor er in Kraft tritt», erklärt Vontobel-Analyst Andreas Venditti. Zudem dürften die Bank bis in die 2030er-Jahre Zeit haben, Kapital aufzubauen. «Die Anpassung kann nicht auf einmal erfolgen,» sagt Wirtschaftsprofessor Hans Gersbach von der ETH Zürich. «Sonst wirkt sie eher destabilisierend als stabilisierend.»

(Reuters)