In der Regel wählen diese riesigen, staatlich kontrollierten Investmentvehikel ihre Vermögenswerte gezielt aus, um Risiken zu minimieren, Gewinne zu maximieren und nationale strategische Interessen zu fördern. Nicht so der norwegische Fonds, der vom Norges Bank Investment Management (NBIM) verwaltet wird: Er orientiert sich weitgehend an globalen Indizes, um Erträge aus den Öl- und Gaseinnahmen des Landes zu erzielen.

Der Fonds — der Anfang der 1990er Jahre gegründet wurde, um hauptsächlich in Anleihen zu investieren — hat sich durch den Erwerb kleiner Beteiligungen an Tausenden von Unternehmen zum weltweit grössten Staatsfonds entwickelt. Die Vermögenswerte des Fonds in Höhe von 1,8 Billionen Dollar generieren weitaus mehr Einnahmen für die 5,5 Millionen Einwohner Norwegens als die Öl- und Gasindustrie.

Aufgrund seines passiven Anlageansatzes verfügt der Fonds jedoch nur über wenige Instrumente, um sich an die Höhen und Tiefen des globalen Kapitalmarktes anzupassen. Dies wurde im April deutlich, als der Fonds den grössten Verlust seit sechs Quartalen verzeichnete — ausgelöst durch die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Handelszölle und die damit verbundenen Marktturbulenzen.

Dieser Rückschlag hat in Norwegen erneut eine Debatte darüber ausgelöst, wie der Fonds vor künftigen Schocks geschützt werden kann.

Was ist das Besondere am norwegischen Staatsfonds?

Der Fonds unterscheidet sich von vielen anderen Fonds seiner Art durch seine strengen Anlageregeln. Erstens muss er immer ausserhalb Norwegens investieren — eine Regel, die das Risiko der «Holländischen Krankheit» vermeiden soll, bei der Rohstoffreichtum letztlich die heimische Wirtschaft destabilisieren kann.

Während Staatsfonds in vielen anderen Ländern teilweise dazu dienen, die heimische Industrie anzukurbeln oder strategisch zu investieren, um die Soft Power eines Landes im Ausland zu stärken, hat NBIM nur begrenzten Spielraum für aktives Investieren. Der Aktienanteil des Fonds — der 70 Prozent des Gesamtvermögens ausmacht — hält Anteile an den 8.700 börsennotierten Unternehmen in 44 Ländern, die den FTSE Global All Cap Index bilden. Damit besitzt er mittlerweile rund 1,5 Prozent der weltweit börsennotierten Aktien. Der festverzinsliche Teil des Fonds bildet die Bloomberg Barclays Indizes ab, wobei 70 Prozent in Staatsanleihen und 30 Prozent in Unternehmensanleihen investiert sind.

Andere Staatsfonds können ihre Prioritäten und deren Umsetzung freier gestalten: Die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) konzentriert sich zunehmend auf Private Equity und datengesteuerte Investitionen, während Mubadala Investment durch Beteiligungen im Gesundheits- und Finanzwesen eine zentrale Rolle bei der Diversifizierung der Wirtschaft des Emirats spielt. Der saudische Public Investment Fund leitet die Entwicklungsagenda «Vision 2030» des Königreichs und setzt dabei vor allem auf Bergbau, Gaming und Technologie. Singapurs Staatsfonds GIC baut sein Engagement in den USA aus und geht mehr Risiken auf privaten Märkten ein.

Wo liegen die Ursprünge des norwegischen Staatsfonds?

Norwegen entdeckte 1969 bedeutende Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee und ist heute Westeuropas grösster Produzent fossiler Brennstoffe. Um Instabilität, Korruption und schwaches Wirtschaftswachstum wie in anderen rohstoffreichen Volkswirtschaften zu vermeiden, führte die Regierung hohe Steuern für den Energiesektor ein und unterstellte die Branche strengen regulatorischen Kontrollen. Nach jahrelangen politischen Debatten schuf das norwegische Parlament 1990 den Petroleum Fund, um sicherzustellen, dass die Öleinnahmen sowohl der heutigen als auch den zukünftigen Generationen zugutekommen. Die erste Kapitalüberweisung an den Fonds erfolgte 1996. Im Zuge seiner weltweiten Investitionen verlagerte der Fonds seinen Schwerpunkt nach und nach auf die explizite Unterstützung des nationalen Rentensystems und wurde 2006 in Government Pension Fund Global umbenannt. Der Fonds wird von NBIM — der Vermögensverwaltungsabteilung der norwegischen Zentralbank — verwaltet.

Wie ist Norwegens Staatsfonds so gross geworden?

Anfangs wurde der Fonds mit Geldern aus Ölsteuern, Lizenzgebühren und Gewinnen des staatlichen Energieunternehmens aufgefüllt. Ursprünglich war er auf Investitionen in Anleihen beschränkt, doch sein Mandat wurde im Laufe der Zeit erweitert. Heute ist der Fonds der weltweit grösste Einzelaktionär börsennotierter Unternehmen.

Die Regierung kann sich nicht einfach bedienen, wie es ihr gefällt. Jährlich dürfen maximal 3 Prozent des Fondswertes in den Staatshaushalt fliessen — eine Regel, die das Vermögen für künftige Generationen sichern soll. Der Rest wird für neue Investitionen zurückgestellt.

Im Vergleich zu anderen Staatsfonds erzielte der norwegische Fonds in den fünf Jahren bis 2023 laut der Forschungsberatung Global SWF mit einer Rendite von 7,45 Prozent eine relativ durchschnittliche Performance. Das ist zwar weniger als der Mubadala-Fonds aus Abu Dhabi mit 10,1 Prozent und die China Investment Corporation mit 8,6 Prozent , aber mehr als die 4,5 Prozent -Rendite des singapurischen Staatsfonds Temasek und die 5,2 Prozent -Rendite der Korean Investment Corporation.

Wie hat sich das Mandat des norwegischen Fonds entwickelt?

Der Fonds hat seine Investitionen in Aktien im Laufe der Zeit erhöht und sein Portfolio durch Immobilien und erneuerbare Energien diversifiziert. Man legt ausserdem Wert auf Nachhaltigkeit und verantwortungsbewusstes Investieren und konzentriert sich zunehmend auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren – ein Ansatz, der auch angesichts der Kritik der Trump-Regierung am «woken Kapitalismus» unverändert geblieben ist.

Nach welchen ethischen Grundsätzen investiert der norwegische Fonds?

Seit 2004 unterliegt der Fonds ethischen Richtlinien, die vom Finanzministerium festgelegt und vom Parlament genehmigt wurden. Ein unabhängiger Ethikrat überwacht die Einhaltung der Richtlinien, die Investitionen in Unternehmen verbieten, die in «grobe Korruption» oder schwere Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen verwickelt sind oder zu schweren Umweltschäden beitragen. Ausgeschlossen sind auch Unternehmen, die bestimmte Waffen wie Atomwaffen und Streubomben herstellen.

Bis Ende 2024 wurden rund 67 Unternehmen aufgrund ihres Verhaltens aus dem Fonds ausgeschlossen. Dazu gehörten das indische Unternehmen Adani Ports wegen seiner Geschäfte mit den Streitkräften Myanmars und das Kommunikationsunternehmen Bezeq wegen seiner Aktivitäten in den israelischen Siedlungen im Westjordanland, die nach internationalem Recht illegal sind.

Weitere 104 Unternehmen wurden aufgrund ihrer Produkte aus dem Fonds entfernt: Die Richtlinien des Fonds verbieten Investitionen in die Cannabisindustrie, Tabak und Kohle. Ausserdem meidet er Unternehmen, die für «inakzeptable Treibhausgasemissionen» verantwortlich sind – eine paradoxe Haltung angesichts der Tatsache, dass der Fonds selbst mit Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe finanziert wird.

Wird der norwegische Staatsfonds sein Anlagemandat ändern?

NBIM meldete für die ersten drei Monate des Jahres 2025 einen Verlust von 0,6 Prozent auf seine Investitionen — umgerechnet 40 Milliarden Dollar. Seitdem hat sich der Marktabschwung als Reaktion auf die umfassenden Zölle der Trump-Regierung verschärft und in Norwegen eine Debatte darüber ausgelöst, wie der Fonds vor einem unberechenbareren Wirtschaftsklima geschützt werden kann. Etwa 40 Prozent der Aktienbestände des Fonds befinden sich in den USA, und einige norwegische Politiker sind der Meinung, dass mehr Investitionen nach Europa verlagert werden sollten, um das Risiko durch die volatilen US-Märkte zu verringern. US-Anleihen machten Ende 2024 rund 9 Prozent des Fondsvermögens aus. Der norwegische Finanzminister und ehemalige Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, der Fonds halte an seiner langfristigen Strategie fest und werde «weiterhin Optionen für das Risikomanagement prüfen».

Die konservative Opposition Norwegens hat vorgeschlagen, die Richtlinien des Fonds zu überarbeiten, um ihm den Erwerb von Anteilen an Unternehmen zu ermöglichen, die Atomwaffen herstellen. Die derzeitige Beschränkung hindert den Fonds daran, in einen Grossteil der europäischen Rüstungsindustrie zu investieren. Diese dürfte aufgrund der grössten Aufrüstung seit dem Kalten Krieg als Reaktion auf den Einmarsch Russlands in der Ukraine vor einem Gewinnsprung stehen.

Norwegen liefert derzeit etwa 30 Prozent des europäischen Gasbedarfs, und einige Politiker haben mehr Geldtransfers aus dem Fonds gefordert, um die Regierung in Kiew zu unterstützen. Sie argumentieren, dass die norwegische Öl- und Gasindustrie massive Gewinne aus der europäischen Energiekrise seit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine 2022 erzielt habe.

Die Leitung des Fonds hat wiederholt dafür plädiert, Private Equity in seine Investitionen aufzunehmen. Das Finanzministerium lehnte diese Forderung jedoch ab, da es die hohen Gebühren und die relative Intransparenz des Sektors für bedenklich hält. Die Debatte darüber dauert an.

Was macht Norwegen mit den verfügbaren Gewinnen des Staatsfonds?

Ein Teil davon fliesst in das umfangreiche Sozialsystem Norwegens, das kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung, stark subventionierte Kinderbetreuung und grosszügigen Krankheitsurlaub bietet. Norwegen liegt im globalen Index der menschlichen Entwicklung (HDI) der Vereinten Nationen an dritter Stelle hinter Island und der Schweiz. Im Jahr 2024 machten die Transferzahlungen aus dem Fonds etwa 20 bis 25 Prozent des Staatshaushalts aus. Die Regierung hat vorgeschlagen, 50 Milliarden Kronen (4,34 Milliarden Euro) aus dem Fonds zur Unterstützung der ukrainischen Regierung zu transferieren.

Welche Auswirkungen hat der Fonds auf Norwegen und die Welt?

Der Fonds ist ein finanzielles Polster, das es Norwegen ermöglicht hat, Schwankungen der Ölpreise und der Wirtschaft zu überstehen und die finanzielle Stabilität des Landes zu wahren. Zudem hat er Norwegens Soft Power durch die Förderung nachhaltiger Geschäftspraktiken weltweit gestärkt.

Im Juni 2024 stimmte der Fonds gegen das Rekord-Vergütungspaket in Höhe von 56 Milliarden Dollar für Tesla-Chef Elon Musk, das seitdem jedoch im Wert gestiegen ist und vor Gericht angefochten wurde. Der Fonds gibt seine Abstimmungsabsichten fünf Tage vor den Jahreshauptversammlungen der Unternehmen, in die er investiert, bekannt. Im Jahr 2024 stimmte er in 5 Prozent der Fälle gegen die Empfehlungen des Aufsichtsrats.

(Bloomberg)