Spätestens nach dem US-Angriff von Samstag auf Sonntag auf die iranischen Atomanlagen hätte man einen grossen Ausverkauf an den globalen Finanzmärkten befürchten können. Doch die Anleger bleiben gelassen angesichts der jüngsten Eskalation im Nahen Osten zwischen den Hauptakteuren Iran und Israel.
Ähnlich verhielt sich auch der breite Markt. Der SPI verlor ebenfalls zum Auftakt, um im Verlauf der Woche um 0,4 Prozent auf 16'503 Punkte hinzuzulegen. Auf Sieben-Tage-Frist steht das Plus bei 0,3 Prozent, seit Jahresbeginn bei 6,3 Prozent.
Ebenfalls kaum beeindruckt von den geopolitischen Spannungen im Nahen Osten zeigten sich die US-Aktienmärkte. Seit Israel vor zwei Wochen Iran angegriffen hat, legten die Indizes sogar zu. Zwar verlor die Erholung am Mittwoch etwas an Schwung. Der S&P 500 Index beendete den Tag unverändert, nachdem er zwischen leichten Gewinnen und Verlusten hin- und hergeschwankt war, während der technologielastige Nasdaq 100 Index um 0,2 Prozent zulegte und ein weiteres Allzeithoch erreichte. Der Tech-Benchmark erreichte diesen Meilenstein am Dienstag zum ersten Mal seit Februar, dank einer Kombination aus robusten Fundamentaldaten und nachlassenden geopolitischen Spannungen, welche die Attraktivität des wachstumsorientierten Index erhöhte und eine Aktienrally auslöste.
Eskalation offenbar bereits eingepreist
Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg schreibt, glauben die Marktteilnehmer an ein geringeres Risiko eines regionalen Flächenbrands im Nahen Osten. Jedoch rechnen sie nicht damit, dass der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt mit der aktuellen Waffenruhe beigelegt ist. Entsprechend hätten die Märkte eine weitere Eskalation bereits eingepreist.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt die Financial Times: Die Anleger hätten die jüngsten Spannungen im Nahen Osten – zuerst zwischen Israel und der Hamas, dann mit dem Libanon sowie der Regierungssturz in Syrien – achselzuckend hingenommen. Und nun hätten sie auch noch die Eskalation zwischen Israel und Iran mit der Intervention Amerikas ohne grosse Reaktion hingenommen.
Obwohl der Konflikt Potenzial hat sich auf die Welt zu übertragen und die USA in einem grösseren Masse involvieren könnte, dürfte das Verhalten an den Aktienmärkten nicht überraschen: Denn ein Blick in die Vergangenheit der Spannungen im Nahen Osten zeigt, dass die Aktienmärkte, allen vor an die amerikanischen, bei der US-Invasion Afghanistans im Oktober 2001, beim Einmarsch im Irak im März 2003 und in Libyen 2011 nur kurze Zeit später gestiegen sind.
Stockender Ölhandel als grösseres Risiko
Hingegen eine stärkere Reaktion an den Aktienmärkten könnte eine bedrohte Ölversorgung hervorrufen. Etwa dann, wenn Iran seine Drohung wahrmachen und die Strasse von Hormuz teils oder ganz schliessen würde. Über die Seestrasse werden 20 Prozent des weltweiten Ölhandels abgewickelt.
Dass das Mullah-Regime dies tun wird, erwarten Beobachter zurzeit nicht. Zwar sei der Zeitpunkt für eine Schliessung für Teherans Führung durchaus günstig, doch wie sie sich mit ihrem verhaltenen Vergeltungsangriff auf den US-Militärstützpunkt Al Udeid in Katar zur Zeit verhalte, deute nichts auf eine Schliessung hin. Ausserdem würde Iran damit seine eigene Ölexporte beeinträchtigen und dem Land viele Einnahmen kosten, so die Experten zu Bloomberg. Die Ölversorgung scheint somit gesichert, zumindest vorerst.
Vielmehr rückt an den Märkten die US-Zollpolitik in den Fokus. In weniger als zwei Wochen, entscheidet die US-Regierung, ob die USA zu dem im April eingeführten Basiszoll von 10 Prozent auf alle Importe aus der Schweiz weitere 31 Prozent Strafzölle erheben wird. Laut Finanzministerin Karin Keller-Suter verhandle man zur Zeit intensiv mit den USA, dass ab dem 9. Juli weiterhin «nur» die Basiszölle erhoben werden und somit ein grösserer Schaden für die Schweizer Exportwirtschaft abgewendet werden kann.