Die Goldgräberstimmung in der Kryptowelt hat schier unglaublichen Reichtum hervorgebracht, oft unbemerkt von einer grossen Öffentlichkeit. Während Superreiche von Jeff Bezos bis Mark Zuckerberg zu den bekanntesten Gesichtern der Welt zählen, dürften nur wenige Changpeng Zhao erkennen. 

Die Nummer elf unter den reichsten Menschen der Welt

Dabei ist der Chef der Kryptobörse Binance die Nummer elf unter den reichsten Menschen der Welt. Sein Vermögen beträgt laut einer ersten Schätzung von Bloomberg 96 Milliarden Dollar. Das sind gut 87 Milliarden Franken.

Zum Vergleich: Die reichste Familie der Schweiz, die Söhne von Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, kommen auf maximal 56 Milliarden Franken. Auch im Vergleich mit anderen Kryptoreichen steht Changpeng Zhao glänzend da. Denn selbst Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto, dessen wahre Identität immer noch unbekannt ist, kommt "nur" auf ein Vermögen von umgerechnet 42 Milliarden Franken.

Und Zhaos Vermögen könnte sogar noch wesentlich grösser sein: Die Schätzung von Bloomberg lässt seine persönlichen Kryptobestände aussen vor, zu denen neben Bitcoin auch der firmeneigene Token gehören. Der Binance Coin hat im vergangenen Jahr rund 1300 Prozent an Wert gewonnen. Binance hat laut Bloomberg im letzten Jahr mindestens 20 Milliarden Dollar an Einnahmen erzielt. Das ist fast das Dreifache dessen, was Wall-Street-Analysten für das Jahr 2021 von Coinbase erwarten, der grössten Kryptobörse der USA.

«Krypto befindet sich noch in der Wachstumsphase»

Zhaos Geschichte ist eine, wie sie derzeit vor allem in der Kryptowelt geschrieben wird. Sein Reichtum hat sich rasant vervielfacht. Die Schätzung von "Forbes" vom Oktober 2021 beziffert das Vermögen des Binance-Chefs noch auf umgerechnet 1,7 Milliarden Franken. Eine ähnlich unfassbare Erfolgsstory hat Dadvan Yousuf in der Schweiz geschrieben. Der junge Kryptoreiche hat es laut Medienberichten mittlerweile ebenfalls zum Milliardär geschafft. Das bedeutet eine Vervielfachung seines Vermögens innert Monaten. Im Interview mit der "Handelszeitung" schilderte er im Sommer 2021 die Schwierigkeiten, auf Kryptovermögen Steuern zu bezahlen oder auch nur ein Bankkonto einzurichten. Er sagte: "Wenn man so jung ist wie ich und ein grösseres Vermögen besitzt, das man mit Krypto erzielt hat, wird man selbst von Grossbanken abgewimmelt."

Auch Zhao zeigt grosse Zurückhaltung gegenüber dem Bloomberg-Jubel und lehnt einen Kommentar ab. Binance bestritt allerdings die Genauigkeit der Schätzungen des Firmen-Marktwerts und von Zhaos Nettovermögen. "Krypto befindet sich noch in der Wachstumsphase", liess Binance wissen. Der Sektor unterliege höherer Volatilität. "Jede Zahl, die Sie an einem Tag hören, wird eine andere sein als die, die Sie am nächsten Tag hören."

Die neue Wachsamkeit der Regulatoren

Diese Statements beschreiben den Zustand der vergangenen Jahre: Während risikobereite Glücksritter und Tech-Verständige in Rekordzeit Vermögen mit Krypto machten, gab es aufseiten der Regulatoren und der etablierten Banken zunächst grosse Zurückhaltung. Nach einem Jahrzehnt unter dem Radar für die Kryptobranche wächst allerdings die Wachsamkeit ihr gegenüber.

 

 
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Zum Beispiel Binance steht weltweit im Fokus von Justiz und Aufsichtsbehörden. Und sucht seriöse Auswege: Ende letzten Jahres versuchte das Unternehmen, Staatsfonds als Investoren zu gewinnen. Die US-Tochter des Konzerns trat ausserdem an Investoren heran mit dem Ziel eines Börsengangs.

In den USA zeigt sich der Zeitenwandel besonders plastisch. Dort haben sowohl die Börsenaufsicht SEC als auch die Terminmarkt-Behörde CFTC immer stärker Unternehmen im Visier, die gegen Vorschriften verstossen. Andere Behörden haben neue Regeln angekündigt, die auf die Gewinne der Kryptobranche dramatische Auswirkungen haben könnten: etwa das Finanzamt IRS, die Federal Reserve und das Office of the Comptroller of the Currency, eine der zahlreichen US-Bankenaufsichtsbehörden.

Krypto-Lobbyisten in Washington

Die Kryptobranche steht zunehmend unter Druck, potenziell fürs Geschäft schädliche neue Regeln zu verhindern. Sie engagiert nun Lobbyisten, überschwemmt Washington mit Geld und baut Verbände auf. Für Krypto-Lobbyisten werde es in diesem Jahr «eine Million verschiedene Dinge zu tun geben», sagt Analyst Owen Tedford von Beacon Policy Advisors in Washington.

Zunächst dürfte das US-Finanzministerium noch im Januar zu klären beginnen, welche Unternehmen im Rahmen des Infrastrukturgesetzes Nutzerdaten melden müssen. Ebenfalls Anfang des Jahres wird die Federal Reserve wohl einen lang erwarteten Bericht darüber veröffentlichen, wie ein digitaler Dollar in die langfristigen Pläne der USA für ihr Zahlungssystem passen könnte.

Vonseiten mehrerer Behörden werden indessen Leitlinien zur Behandlung von Stablecoins veröffentlicht. Diese Digitalwährungen sind im Wert meist an den Dollar gekoppelt und werden von Kryptoinvestoren als Cash-Ersatz genutzt. Die SEC plant Klagen gegen Kryptofirmen, die ihrer Ansicht nach Wertpapiere ausgeben oder mit ihnen handeln, ohne sich bei der Behörde registriert zu haben.

Investitionen von Hunderttausenden Dollar

Angesichts dieser anschwellenden Regulierungswelle hat Coinbase zum Beispiel im dritten Quartal schon 625’000 Dollar (571’000 Franken) für Lobby-Aktivitäten ausgegeben. Ein Jahr zuvor waren es noch 60’000 Dollar. Die Blockchain Association investierte 210’000 Dollar ins Lobbying und damit das Doppelte des Vorjahresniveaus. Ein Grossteil der Aktivitäten stand im Zusammenhang mit unerwarteten steuerlichen Meldepflichten, die durch das 1-Billion-Dollar-Infrastrukturgesetz von Präsident Joe Biden eingeführt wurden.

Zusätzlich zum Anheuern von Lobbyisten beginnen einige Kryptomanager auch damit, Politiker auszusuchen, deren Unterstützung mit Wahlkampfspenden sich lohnen könnte. Der Chef der Kryptobörse Kraken, Jesse Powell, bat seine Twitter-Follower an Silvester um entsprechende Ideen. Er stellte dann eine Liste mit 15 Kandidaten vor, denen er die maximal zulässige Spende hatte zukommen lassen, darunter der Republikaner Ted Cruz. 

 

 

Für einige Abgeordnete sind Spenden aus der Kryptobranche schon zu einer wichtigen Geldquelle geworden. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 stammte etwa ein Drittel der Spenden an den Wahlkampfausschuss der Republikanerin Cynthia Lummis aus Wyoming von Kryptomanagern oder -investoren. Lummis will eine Gesetzesvorlage einbringen, die es Kryptounternehmen unter anderem erlauben würde, sich selbst zu beaufsichtigen. 

Auch Demokraten haben Hunderttausende von Dollar an Spenden erhalten, oft von denselben Leuten. In den ersten neun Monaten des letzten Jahres erhielt die Senatorin Kyrsten Sinema aus Arizona mindestens 107’100 Dollar aus der Branche, an sie hat auch Jesse Powell gespendet.

Einige Krypto-Lobbyisten berichten bereits, dass sich der Lobbying-Vorstoss des letzten Jahres allmählich auszahlt. Bei einer Anhörung im Bankenausschuss des US-Repräsentantenhauses zu Kryptowährungen habe es im Dezember nur sehr wenige Angriffe vonseiten der Parlamentarier gegeben. Jake Chervinsky, Strategiechef der Blockchain Association, sprach von der «positivsten, konstruktivsten und parteiübergreifendsten» öffentlichen Veranstaltung zu Kryptowährungen, die er je im Kongress gesehen habe.

(Mit Material von Bloomberg)

Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Krypto-Reichtum: Das Ende der ungebremsten Renditen naht"