Seit Juli 2022 hatte sie die Zinsen im Kampf gegen die hohe Inflation um insgesamt 4,50 Prozentpunkte angehoben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde dürfte auf ihrer Pressekonferenz im Anschluss an die Zinsentscheidungen künftige Erhöhungen zwar nicht ausschliessen. Volkswirte gehen jedoch überwiegend davon aus, dass die EZB die Zinsen längerfristig auf dem aktuellen Niveau belassen dürfte.
Zuletzt hatte die EZB im September den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Der derzeit besonders wichtige Einlagesatz liegt bei 4,00 Prozent. Der Einlagensatz war seit der Einführung des Euro nie höher. Der Hauptrefinanzierungssatz beträgt 4,50 Prozent.
«Die EZB dürfte auf der Sitzung ihre Leitzinsen nicht weiter anheben, auch weil die Inflationsrate im September deutlich gefallen ist und sich damit weitgehend im Einklang mit den Erwartungen der Notenbank befand», kommentierte Marco Wagner, Volkswirt bei der Commerzbank. Im September war die Inflationsrate im Euroraum auf 4,3 Prozent gefallen. Dies war die niedrigste Rate seit Oktober 2021. Im Oktober 2022 war sie noch bis auf 10,6 Prozent gestiegen.
Ökonomen gehen davon aus, dass sich der Abwärtstrend bei der Inflation fortsetzt und sich weiter hin zum Zielwert von zwei Prozent bewegt. Dafür spricht auch die schwächelnde Wirtschaft in der Eurozone. Insbesondere in der Bauwirtschaft und der Industrie zeigen sich bereits deutliche Bremsspuren. «Dennoch bleiben Inflationsgefahren bestehen», schreibt Ulrike Karstens, Volkswirtin bei der Fondsgesellschaft DWS. «Der jüngste Anstieg der Energiepreise, aber auch die Lohnentwicklung und ihre Auswirkungen vor allem auf die Dienstleistungspreise dürften in diesem Zusammenhang Thema sein.»
Nach Einschätzung einiger Ökonomen spricht auch die Entwicklung der Geldmenge gegen eine weitere Zinserhöhung. So war die breit gefasste Geldmenge M3 in den Monaten Juli und August sogar geschrumpft. «Selbst in der grossen Rezession 2008/2009 stagnierte die Geldmenge M3 nur», schreiben die Volkswirte vom Bankhaus Metzler. «Vielmehr spiegelt die Geldmenge M3 die schrumpfende Kreditvergabe wider, was ein starkes Signal für eine deutlich fallende Inflation ist.» Daher bestehe auch vor diesem Hintergrund für die EZB kein Grund mehr für weitere Leitzinserhöhungen, so die Metzler-Ökonomen.
Keine Neuigkeiten erwartet die Ökonomen beim Thema Bilanzabbau der EZB. Beim Anleihekaufprogramm APP werden auslaufende Anleihen bereits seit längerem nicht mehr reinvestiert. Zuletzt wurde auch von einigen Mitgliedern ein frühzeitiges Auslaufen der Anleihekäufe im Pandemieprogramm Pepp diskutiert. «Bisher scheint dies aber unter den Notenbankern keine Mehrheit zu finden, sodass die EZB an dem bisherigen Beschluss festhalten dürfte, die auslaufenden Pepp-Anleihen mindestens bis Ende 2024 zu reinvestieren», schreibt Commerzbank-Ökonom Wagner.
(AWP)
1 Kommentar
Wenn man eine stabile Inflation um 2% möchte, sollten die Zinsen 3% nicht überschreiten und die Geldmenge auch nicht um mehr als 1-2% im Jahr erhöht werden. Alles andere belastet den langsamen Regelkreis, was derzeit offensichtlich ist. Die Zentralbanken übertreiben immer wieder und wundern sich über die negativen Effekte. Die Negativzinsen waren die Spitze der Dummheit. Scheinbar ist Zinseszins und Regelkreis eines trägen Systems (3-8Jahre), etwas was hohe Banker nicht verstehen. 2.5% bringen in 30Jahren eine Verdoppelung der Geldmenge - Zinseszins.